Bürgerkrieg, Franco-Diktatur und Faschismus haben Joan Mirós Werk stark beeinflusst. Dass sein Herz für Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie schlug, daraus machte der Maler nie ein Geheimnis.
Nein, ein explizit politischer Künstler war Joan Miró nie. Aber ein reiner Formalist, ein Künstler, der sich ausschließlich mit Farben oder Formen auseinandergesetzt hat, der die gesellschaftlichen Entwicklungen ausblendete, das war er auch nicht. Die Geschichte seines Landes, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, der Bürgerkrieg und die folgende Franco-Diktatur genauso wie der Zweite Weltkrieg haben ihn geprägt, haben sein beeinflusst. Dass er gegen die Diktatur war, dass er ein Mann der Freiheit und der Weltoffenheit war, daraus machte Miró nie einen Hehl, auch wenn er nicht zu denen gehörte, die sich in politischen Auseinandersetzungen in der ersten Reihe positionierten.
Als im Juli 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, befand sich der Künstler in Mont-roig del Camp. Seine Familie war von Barcelona aus in die Stadt in der Provinz Tarragona gezogen, ein frühes Schlüsselwerk Mirós zeigt in surrealer Manier den Bauernhof, den sie dort betrieben haben. Miró pendelte schon seit einiger Zeit zwischen Paris und Mont-roig. Er experimentierte damals mit außergewöhnlichen Materialien, schuf eine Reihe von Bildern auf Holzfaserplatten. Vor den Auseinandersetzungen zwischen den rechtsgerichteten Putschisten um den General Francisco Franco und der gewählten Volksfrontregierung floh er im Oktober 1936 nach Frankreich. Auch von dort aus unterstützte er die republikanischen Kämpfer mit seiner Kunst. „Aidez l’Espagne“ – Helft Spanien – steht über einem Druck, den er 1937 anfertigte. Man sieht eine Figur in Schwarz-, Weiß-, Rot- und Gelbtönen, die kämpferisch die Faust reckt.
Die Verteidigung der Freiheit
Miró beteiligte sich auch an der Gestaltung des spanischen Pavillons zur Weltausstellung, die im gleichen Jahr in Paris stattfand. Die Ausstellungsfläche der Spanier wurde zu einer Solidaritätsadresse der modernen Künstler an das republikanische Spanien. Mirós Wandbild – das erste, das er im öffentlichen Raum umsetzte – hieß „Der Schmitter“. Es zeigte ein verzerrtes Gesicht, eine aus der Form geratene Figur, kann als Darstellung des Leids begriffen werden. Neben Miró arbeitete Picasso in Paris an seinem weltberühmten „Guernica“-Bild, das wie kaum ein zweites den Schrecken des Krieges zum Ausdruck bringt. Alexander Calder schuf für die Weltausstellung seinen bekannten Quecksilberbrunnen – eine Nachbildung der Skulptur befindet sich heute in der Fundació Joan Miró in Barcelona. „Die Freiheit hat eine große Bedeutung für mich und ich werde sie um jeden Preis verteidigen“, hat Miró damals in einem Interview erklärt.
Der Künstler blieb in Frankreich, während der Bürgerkrieg in seiner Heimat auf ein Ende zusteuerte. Im April 1939 war der Sieg der Nationalisten besiegelt. Spanien stand am Beginn einer Diktatur, die beinahe 40 Jahre dauern sollte. Im August 1939 verließ Miró mit seiner Frau Pilar und seiner Tochter Paris und zog, wenige Tage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, nach Varengeville in der Normandie. Georges Braque lebte in der Nachbarschaft. In Varengeville begann Miró mit der Arbeit an einer neuen Serie von Gouachen, den „Konstellationen“. Dabei beschäftigte er sich mit der Natur, erschuf verspielte Sternenbilder, verteilte Kreise, Figuren, Sterne und Punkte über die Bildflächen. Für den Künstler waren diese Bilder eine Flucht, ein Gegenentwurf zum Grauen der damaligen Gegenwart, zu Faschismus, Krieg und Intoleranz. „Ich hatte das Bedürfnis zu fliehen“, beschrieb Miró seine Situation in der Rückschau. „Ich zog mich absichtlich in mich zurück. Die Nacht, die Musik, die Sterne begannen eine wichtige Rolle bei der Findung meiner Bildideen zu spielen.“
Der letzte Zug
In Varengeville blieb die Familie Miró nur kurz, der Einmarsch der deutschen Truppen nach Frankreich zwang sie zur neuerlichen Flucht. Am 20. Mai 1940 gelang es Miró, für sich und seine Familie Karten für den letzten Zug, der damals nach Paris fuhr, zu ergattern. Aus der französischen Hauptstadt brachen sie nach Spanien auf. Auf Mallorca, bei Pilars Familie, fanden sie Unterschlupf. In Palma de Mallorca entstand dann auch später Mirós großes Atelier, das der Architekt Lluís Sert, einer der besten Freunde des Künstlers, für ihn entwarf.
Gesellschaftliche Ereignisse und politische Themen fanden weiter ihren Weg in Mirós Werk. Mit dem Ausbruch der Studentenproteste in Paris im Mai 1968 beginnt der Künstler eine Malerei, die er als Hommage an die Bewegung verstand. Bis 1973 arbeitete er immer wieder an „Mai, 1968“, das sich heute im Besitz der Miró-Stiftung in Barcelona befindet. Das Bild steckt voller Energie, voller Farbigkeit. Farbkleckse liegen über geschwungenen Formen, Miró hat sich bei der Arbeit an den Drip-Paintings von Jackson Pollock orientiert.
Der Weg zur Demokratie
Als Anklage gegen das Franco-Regime malte Miró 1974 das Tryptichon „Die Hoffnung des zum Tode Verurteilten“. Das monumentale Werk erinnert an den Anarchisten Salvador Puig Antich, den Franco in dem Jahr hinrichten ließ. Die blutige Tat war auch ein Aufbäumen gegen sich ankündigende Änderungen. Das Franco-Regime war isoliert, der Druck gegen das autoritäre Systeme von außen wie von innen war groß. Im November 1975 starb der Diktator, der Weg zur Demokratie wurde frei, die Übergangsphase der „Transición“ begann. Für Miró war es ein Neuanfang, er war überglücklich, diesen Moment noch erleben zu können. „Ich breche in neue Richtungen auf“, erklärte er 1978 bei einer Ausstellungseröffnung. Er war 85 Jahre alt.