Die „Ozymandias Parade“ blinkt rot, weiß, rot und wieder weiß. Die Flagge, die über dem finsteren Narrenschiff weht, trägt nicht mehr die Farben Schwarz-Rot-Gold, stattdessen prangt ein weißes Kreuz auf rotem Grund: Wir sind in der Schweiz. Der Kienholz’sche Tross ist weitergezogen und „Die Zeichen der Zeit“ finden ihre zweite Station im Tinguely Museum in Basel. Nach der Präsentation in der Schirn ein kongenialer Ort. Ed Kienholz und der Schweizer Jean Tinguely zogen schon in den 1960er Jahren gemeinsam über die Schrottplätze in Los Angeles, verbunden durch ihre künstlerische Leidenschaft für das, was die Konsumgesellschaft unachtsam aussortiert und zur Seite legt.
Der Blick des Freundes
Sogar eine Gemeinschaftsarbeit der beiden existiert, kommt allerdings ganz ohne Schrott und Fundstücke aus. Sie besteht wie vieles in der Kunst allein aus einer schönen Idee. „The American Trip“ aus der Reihe der Konzepttableaus von Ed Kienholz beschreibt die Idee einer Reise. Man startet in L.A., mit dem Auto geht es quer durch das Land, dann wird sie schon kommen, die Inspiration für ein Kunstwerk. Man muss nur Vertrauen haben, dass etwas entstehen wird – eine wunderbar poetische Idee, die ganz dem Blick gewidmet ist, der sich je nach Begleitung ändert, in diesem Fall durch die europäischen Augen des Freundes aus der Schweiz.
Wunderbar kontextualisiert
Und damit zurück nach Basel: In der Eingangshalle begrüßt uns die „Grosse Méta Maxi Maxi Utopia Méta Harmonie“ aus dem Jahr 1987, Tinguelys kolossales Maschinenmonstrum, in das man über Leitern und Gerüste einsteigen kann. Tinguelys Arbeiten rattern und klingeln üblicherweise und fordern den Betrachter mit allerlei Getöse. In punkto Theatralik schenken sich die Kienholzens und Tinguely kaum etwas. Vielleicht ist es kein Zufall, dass uns auch hier gleich ein lebensgroßes Karussellpferd ins Auge springt und schon fröhlich auf den Kollegen auf der „Ozymandias Parade“ verweist. Tinguelys ironische Maschine bildet damit den schönen Auftakt zur Kienholz-Ausstellung, die auf diese Weise wunderbar kontextualisiert wird.
Alles ist anders
Es ist unsere Ausstellung und nahezu alle Werke haben aus der SCHIRN ihren Weg nach Basel gefunden. Und doch ist alles ganz anders. Wie auch nicht? Die lange „Kegelbahn“, der eigentümlich langgezogene Ausstellungsraum in der SCHIRN, fordert immer eine besondere Präsentation, die große quadratische Halle in Basel eine andere. Intim, dramatisch und theatralisch war die Schau in Frankfurt, kühl und sachlich ist sie in der Schweiz.
YES?
Und noch etwas scheint in der Schweiz ganz anders zu sein: Seit 1985 wurde die „Ozymandias Parade“ in vielen unterschiedlichen Ländern auf der Welt ausgestellt. Immer wurde die sarkastische Allegorie des Missbrauchs politischer Macht begleitet von der Frage: Sind sie zufrieden mit ihrer Regierung? Und die Antwort war „Nein“ – In Seattle und Sidney, in Newcastle und in Frankfurt. Entsprechend trugen der finstere General und auch der durchgeknallte Präsident eine Binde mit „NO“ über den Augen. In der Schweiz nun wurde die nagelneue, kaum berührte und noch nie benutzte „Yes“-Binde in Funktion genommen. Die Baseler sagten alle Ja zu ihrer Regierung. Die Schweiz lebt ihren Mythos als Insel der Seligen, Hort des Wohlstandes und der Zufriedenheit.