Vom Atelier an den Esstisch:
Was für ein Fest!
19.12.2024
7 min Lesezeit
Sind Künstler*innen besonders kreativ, wenn es ums Kochen geht? Ein Blick in die Küchen der Kunstwelt. Diesmal geht es um Festessen der etwas anderen Art – ganz ohne Gänsebraten.
Marina Abramović
Wir starten unseren festlich-gastronomischen Etappenlauf mit starkem Hungergefühl, denn die Gastgeberin hat in ihrer Einladung klargestellt, dass wir vor dem Dinner fünf Tage lang fasten müssen. Als wir in ihrem Loft in Manhattan ankommen, liegt auf einer langen Tafel im Esszimmer ein Haufen aus rohem Reis und Linsen. Es heißt, dass wir die Zutaten fein säuberlich trennen und abzählen sollen, bevor es etwas zu essen gibt. Unser Geduldsfaden reißt mehrmals und wir sind kurz davor aufzugeben, aber wer möchte sich schon vor der Königin der Performance-Kunst blamieren? Als die Zählerei endlich geschafft ist, verbindet Abramović uns die Augen und serviert eine Schale gekochten weißen Reis. Der erste Bissen schmeckt nach der langen Abstinenz so unglaublich köstlich, dass wir in eine Art Trancezustand verfallen und die bisherigen Strapazen augenblicklich vergessen. Zum Nachtisch gibt es die einzige Speise, der auch Abramovićs eiserner Willen nicht widerstehen kann: weiße Schokolade. Während wir uns die süßen Stückchen auf der Zunge zergehen lassen, schaut uns die Künstlerin tief in die Augen – so lange, bis wir zu Tränen gerührt sind. Oder kommt das vielleicht von der rohen Zwiebel, die es als Beilage gab?
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Gilbert & George
Knapp zwei Stunden Autofahrt dauert es bis nach London und weiter in die Fournier Street, wo Gilbert Proesch und George Passmore auf uns warten. Nach einer kurzen Tour durch die Wohnung wird uns klar, dass die beiden nicht vorhaben, uns mit ihrer Kochkunst zu beeindrucken: In keinem der Räume ist eine Küche zu finden. Dass die beiden den Geruch von warmem Essen hassen, ist bekannt, aber zumindest ein paar kalte Platten hätten sie doch vorbereiten können? Aus Reflex beginnt unser Magen zu knurren, und als die Gentlemen uns einen Gin Tonic anbieten, ahnen wir Böses. Uns so elegant zu betrinken wie Gilbert & George schaffen wir bestimmt nicht, also lassen wir es lieber ganz sein. Während wir überlegen, einen Toilettengang zu simulieren, um möglichst unauffällig an die Cracker in unserer Jackentasche zu kommen, steht George auf und kündigt an, dass es höchste Zeit sei, aufzubrechen, um pünktlich um acht an ihrem Stammtisch im „Mangal 1” zu sitzen. Erleichtert folgen wir seiner Aufforderung und machen uns auf in Richtung des türkischen Restaurants, wo das Künstlerpaar wie jeden Abend eine Vorspeise und eine halbe Hauptspeise bestellen wird. Auch wenn diese Routine auf den ersten Blick nicht besonders festlich erscheint – die beiden feiern sie offensichtlich sehr.
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