Alice Waters, Köchin und Mitgründerin des berühmten kalifornischen Slow-Food-Restaurants Chez Panisse, beschreibt die Beziehung zwischen Kochen und Kunst folgendermaßen: „Die instinktivste und buchstäblichste Verbindung, die wir herstellen, ist die mit unserem Essen… Der Akt des Kunstschaffens und der des Kochens stimmen in vielerlei Hinsicht überein, sie sind beide reaktiv und kreativ, sie imitieren sich gegenseitig und passen sich einander an.“
Existiert demnach eine Verbindung zwischen dem, was in den Ateliers von Künstler*innen passiert, und dem, was in ihren jeweiligen Küchen vor sich geht? Finden sich zwischen Töpfen und Tellern Bezüge zu ihrem Werk und ihrer Persönlichkeit wieder? Sind Künstler*innen besonders kreativ, wenn es um den alltäglichen Akt des Kochens geht? Anhand von Fotos und Bestandsaufnahmen ihrer Küchen sowie Anekdoten rund um ihre Essensgewohnheiten geben wir Einblicke in die kulinarischen Lebenswelten berühmter Künstler*innen.
Dieses Mal blicken wir auf die Künstlerin Georgia O’Keeffe. Sie gilt als eine der bedeutendsten Maler*innen des 20. Jahrhunderts und als eine Pionierin der amerikanischen Moderne, bekannt geworden durch ihre großformatigen Blumen- und Landschaftsgemälde. Die Wüste New Mexicos, wo Georgia O’Keeffe ab 1949 bis zu ihrem Tod 1986 ihren Hauptwohnsitz hatte faszinierte sie, und ihre enge Bindung zur Natur manifestierte sich sowohl in ihrem Werk, als auch in ihrer Lebensweise.
Nach einer aufwendigen Renovierung wurde das kleine Haus aus Adobe zu ihrem Rückzugsort. Sie stattete die Räume minimalistisch und in Naturtönen aus und lenkte den Fokus durch Panoramafenster auf die umliegende Landschaft. Die große, helle Wohnküche mit Zugang zum Garten war Dreh- und Angelpunkt des Hauses: Dort wurde Getreide gemahlen, Brot gebacken, Kräuter getrocknet, Marmelade gekocht, Joghurt zubereitet und Obst und Gemüse eingelegt und fermentiert. Schon lange bevor nachhaltige, ökologische Kost zum Trend wurde, lebte O’Keefe nach diesen Prinzipien.
Sie war fest davon überzeugt, dass eine gesunde, vollwertige Ernährung die Kreativität positiv beeinflusse. Den von ihr sehr geschätzten Künstler John Marin soll O’Keefe wohl gefragt haben, was er denn an jenem Tag zum Frühstück gegessen hätte, an dem drei ihrer Lieblingsbilder von ihm entstanden waren. Georgia selbst trank morgens regelmäßig Tiger’s Milk, ein Smoothie-Rezept der damaligen Ernährungspionierin Adelle Davis aus Joghurt, frischer Milch, Banane, Proteinpuder, gefrorenen Beeren, Bierhefe und Weizenkeimen. Inwiefern ihr eigener kreativer Prozess dadurch angespornt wurde bleibt unklar, aber ihre Gesundheit scheint davon sehr profitiert zu haben: Sie wurde 96 Jahre alt.
Nicht nur die Beschaffung frischer, saisonaler Zutaten spielte im Alltag der Künstlerin eine wichtige Rolle, sondern auch der ästhetische Aspekt ihrer Mahlzeiten. In den Regalen ihrer geräumigen Speisekammer stapelten sich Teller, Schüsseln, Gläser und Töpfe aus Steingut, Porzellan und Glas, die O’Keefe mit Untersetzern aus Bast, schlichten weißen Baumwollservietten und Edelstahlbesteck kombinierte: eine elegante, aber zurückhaltende Kulisse, in der ihre sorgfältig zubereiteten Speisen die Hauptrolle übernehmen durften.