Alice Waters, Köchin und Mitgründerin des berühmten kalifornischen Slow-Food-Restaurants Chez Panisse, beschreibt die Beziehung zwischen Kochen und Kunst folgendermaßen: „Die instinktivste und buchstäblichste Verbindung, die wir herstellen, ist die mit unserem Essen… Der Akt des Kunstschaffens und der des Kochens stimmen in vielerlei Hinsicht überein, sie sind beide reaktiv und kreativ, sie imitieren sich gegenseitig und passen sich einander an.“
Existiert eine Verbindung zwischen dem, was in den Ateliers von Künstler*innen passiert, und dem, was in ihren jeweiligen Küchen vor sich geht? Finden sich zwischen Töpfen und Tellern Bezüge zu ihrem Werk und ihrer Persönlichkeit wieder? Sind Künstler*innen besonders kreativ, wenn es um den alltäglichen Akt des Kochens geht? Anhand von Fotos und Bestandsaufnahmen ihrer Küchen sowie Anekdoten rund um ihre Essensgewohnheiten geben wir Einblicke in die kulinarischen Lebenswelten berühmter Künstler*innen. Los geht’s mit Francis Bacon, seinem außergewöhnlich kreativen Einsatz von Kochbüchern und einer Badewanne mit Kühlschrankblick.
Im ersten Stock eines ehemaligen Kutscherhauses im Londoner Stadtteil South Kensington, ausgebaut zu einem kleinen Zweiraumapartment, wohnte und arbeitete der in Dublin geborene Künstler Francis Bacon über dreißig Jahre seines Lebens. Küche und Bad waren auf einen Raum reduziert, ein Zimmer diente als Schlaf- und Wohnzimmer und das zweite als Bacons Atelier. In Anbetracht seiner spartanischen, funktionalen Küche – ein schlichter Gasherd zwischen zwei abgenutzten Arbeitsplatten, Badewanne und Waschbecken in ihrer unauffälligsten Form, beleuchtet von einer einzelnen, nackten Glühbirne – erscheint es schwer vorstellbar, dass der Künstler Ende der 1920er Jahre seinen Lebensunterhalt als Inneneinrichter und Möbeldesigner in Paris verdiente.
Sein erstes Studio war modern eingerichtet und diente als Präsentationsfläche für seine Entwürfe: corbusierartige Möbel aus Stahl und Glas und Teppiche mit geometrischen Mustern, die er an die Wand hängte. Mit der Malerei befasste sich Bacon zunächst nur nebenher, doch bald beschloss er, sich ganz diesem Medium zu widmen. Nach einer kurzen Phase der Abstraktion im vorherrschenden Stil der Nachkriegszeit entwickelte er eine eigene figürliche Bildsprache, mit der ihm der Durchbruch als Künstler gelang.
In Bacons Küche weist auf den ersten Blick nichts auf die Identität ihres Besitzers hin. Die meisten Objekte könnten in einer beliebigen englischen Arbeiterwohnung stehen, erst bei näherer Betrachtung fallen die Abbildungen auf, die über der Arbeitsplatte an die Wand geheftet sind und einige von Bacons grotesken, fast surrealistisch anmutenden Porträts zeigen.
Auf dem Tisch zwischen Badewanne und Kühlschrank stapelt sich ein kleiner Teil von Bacons Kochbuchsammlung, zu der auch „Mrs Beeton’s Book of Household Management“ gehört, eine ausführliche Gebrauchsweisung zum korrekten Führen eines viktorianischen Haushaltes. Bacon besaß über 40 Kochbücher, „French Country Cooking“ von Elisabeth David sogar in vierfacher Ausführung. Doch sein Haushalt könnte nicht weiter entfernt von der Realität sein, die Mrs Beeton beschreibt – das Buch enthält Kapitel zum Umgang mit Köchen, Butlern und Chauffeuren. Darüber hinaus war er auch kein besonders ambitionierter Koch. Abbildungen von Essen studierte er jedoch minutiös, fasziniert von Farbe, Textur und Suggestivkraft verschiedener Lebensmittel. Er nutzte Illustrationen, wie etwa solche von Teilstücken vom Schwein, immer wieder als Referenz. Schon als Kind hatte sich Bacon von Metzgereien und den dort „ausgestellten“ Fleischstücken magisch angezogen gefühlt, und das Motiv des hängenden Tierkadavers taucht in seinem Werk immer wieder auf.
Obwohl er Kochbücher grundsätzlich zweckentfremdete (eins der Exemplare von „French Country Cooking“ nutzte er als Palette), war Bacon gutem Essen nicht abgeneigt, ganz im Gegenteil. An der Seite seines Liebhabers und Mentors Eric Hall soll er gelernt haben, hochwertiges Essen wertzuschätzen, und die zwei Jahre, die er in Paris verbrachte, zementierten seine Liebe zur französischen Küche. Viele von Bacons durchfeierten Nächten begannen mit Austern und Champagner im Ritz und endeten in obskuren Kellerlöchern, symbolisch für die oft widersprüchlichen Facetten seines Lebens. So erzählt auch seine Küche nur einen Ausschnitt seiner Geschichte: Der Künstler lebte dort weiterhin unter bescheidenen Umständen, als er mit dem Verkauf seiner Bilder bereits Millionen verdiente.