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„VIELSCHICHTIGKEIT BETONEN“

13.04.2011

2 min Lesezeit

In der Courbet-Ausstellung hat Bernard lange vor dem „Selbstbildnis am Abgrund“ gestanden. Ihm erschien der türkise Himmel ungeheuer surrealistisch.

Sie haben sich die Courbet-Ausstellung angeschaut. Wie ist Ihr erster Eindruck?
Sehr gut.

Gab es denn ein Werk, vor dem Sie länger gestanden haben?
Ja, das gab es durchaus. Ich habe länger vor der „Forelle“ gestanden, weil die damals in der Ausstellung im Städel Museum im Jahr 1978 so in den Mittelpunkt gerückt worden war. Ich habe auch lange vor dem „Selbstbildnis am Abgrund“ gestanden, was mir in der Tat ungeheuer surrealistisch erscheint mit diesem fast türkisen Himmel, der gar nicht zu der Berglandschaft passt. Ich fand es sehr interessant, dass in vielen Bildern sehr viel an Gefühl steckt, aber auch an realistischer Abbildung. Viele Gemälde empfinde ich als gleichzeitig emotional wuchtig und sehr realistisch.

Welche Assoziationen hatten Sie beim „Selbstbildnis am Abgrund“?
Bei dem „Selbstbildnis am Abgrund“ finde ich das Surrealistische oder sagen wir fast Unrealistische oder schon Postmoderne hoch interessant – dieser „schwimmbadkachelfarbene“ Himmel, die Besonnenheit, mit der er sich die Hand aufs Haupt legt. Dass er dort zur Besinnung kommen möchte, dass ihn etwas in den Abgrund zieht – irgendetwas scheint da ja zu sein, was dann überspachtelt wurde, und was wir vielleicht nur erahnen können. Diese Angst, dieser Schrecken, diese wahnsinnige Verzweiflung ist ein Konglomerat aus vielen Gefühlen: Am Absprung zu sein, hinein gezogen zu werden, darüber zu schweben. Da scheint mir sehr, sehr viel drin zu stecken.

Hat für Sie der Realismus in den Gemälden überwogen – oder das Träumerische, Introvertierte?
Ich möchte es mit Goethe sagen „Nichts ist innen, nichts ist außen, denn was drinnen ist, ist draußen“. Man kann Courbets Werk natürlich unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Mir gefällt immer, wenn Anregungen gegeben werden, und die Bilder dann für sich sprechen. Die Vielschichtigkeit, die ungeheure Breite, die Tiefe, die Mehrdimensionalität muss betont werden. Spannend fand ich die Besprechung des Bilds „Der Verwundete“ im Audioguide. Die Röntgenuntersuchung hat ergeben, dass er vorher dort mit seiner Geliebten lag, und jetzt liegt er dort alleine – das ist in dem Zusammenhang schon sehr erhellend.