The Season of the Witch
28.10.2024
7 min Lesezeit
Margaret Haines präsentiert im Double Feature ihre Videoarbeit „On Air: Purity, Corruption & Pollution“ (2024). In Anlehnung an das Leben von Johanna von Orléans und den Ideen der Okkultistin Cameron kreist ihr spekulativer SciFi-Film um die Vorstellung eines weiblichen Messias.
Wie in den großen Sagen der Menschheitsgeschichte erfüllt sich in Margaret Haines‘ Film „On Air: Purity, Corruption & Pollution“ (2024) durch jene Gewalttat eine Prophezeiung. Boris, so erfahren wir von der Off-Erzählerin, ist der mythische Zwillingsbruder Charlots, von dem sie direkt nach ihrer Geburt getrennt wurde. Bei unterschiedlichen Eltern aufgewachsen, entwickeln sich die Lebensläufe der Geschwister ohne Kenntnis voneinander diametral entgegengesetzt. Während Charlot nichts von der Prophezeiung weiß, die ihre Adoptivmutter einst über sie erhalten hat, tritt sie unwissend und über Umwege den ihr vorbestimmten Weg an.
Zwischen (Öko)Feminismus, Okkultismus und Prophetien
Anti-Atomkraft-Bewegung, finstere Bösewichte, Menschenhändlerringe, (Öko-)Feminismus, Okkultismus, Hexenverbrennungen, Prophetien, Transhumanismus und Biohacking – Margaret Haines aktuellste Arbeit entspinnt sich zu einem assoziationsreichen, bild- wie tongewaltigen SciFi-Meta-Kosmos. Der Film ist stark geprägt durch Haines‘ seit über zehn Jahren anhaltendes Interesse an Marjorie Cameron Parsons Kimmel, oft lediglich Cameron genannt. Die illustre Künstlerin, Poetin, Schauspielerin und Okkultistin ist, wenn überhaupt, einigen vermutlich als Protagonistin in Kenneth Angers „Inauguration of the Pleasure Dome“ bekannt. Bis zu dessen Tod war sie mit dem Raketenantriebsforscher Jack Parsons, seinerseits überzeugter Anhänger der okkulten Lehren Aleister Crowleys, verheiratet, und beschäftigte sich selbst intensiv mit Okkultismus und Esoterik. Deren Motive von Sexualmagie und mythischen Prophezeiungen sich dann wiederum in ihrer künstlerischen Arbeit wiederfinden lassen, die zu ihren Lebzeiten nie besondere Aufmerksamkeit erhielt und erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt wird. (Eine zu Lebzeiten Camerons kuratierte Ausstellung wurde von der Sittenpolizei gestürmt, der Kurator festgenommen.)
„I’m offered a window into […] The Women Who Were Left in the Shadows“
Margaret Haines
Carl Theodor Dreyers „La Passion de Jeanne d’Arc“
Während Margaret Haines gerade am Ende ihres Films explizit auf das kurze Leben der Jeanne d’Arc rekurriert, widmet sich Carl Theodor Dreyers 1928 veröffentlichte Film „La Passion de Jeanne d’Arc“ ausführlich mit deren Leidensgeschichte. Im Rahmen des hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England beeinflusste die junge Frau den Kriegsverlauf entscheidend, nachdem sie zunächst den französischen Kronprinzen von ihren göttlichen Visionen über das Schicksal Frankreichs überzeugte und anschließend auch militärisch erfolgreich aktiv war, beispielsweise bei der Vertreibung der Engländer aus Orléans. Dreyers Stummfilm konzentriert sich jedoch ganz auf den Inquisitionsprozess gegen Jeanne d’Arcs (Renée Falconetti), den der Bischof von Beauvais gegen sie anstrebte. Das Skript schrieb Dreyer nach über einjähriger Recherche, es basiert auf den originalen Transkripten des Prozesses, der sich über 29 Verhöre erstreckte.
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