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SURREALE DINGE MIT KURATORIN INGRID PFEIFFER

23.05.2011

3 min Lesezeit

Etwa 40 Teilnehmer betrachteten die Objekte der Surrealisten, ein letztes Mal begleitet von den aufschlussreichen und unterhaltsamen Erläuterungen der Kuratorin.

Die Resonanz zur Ausstellung war insgesamt sehr positiv. „Es gab auch für Fachpublikum durchaus noch Künstlerinnen und Künstler zu entdecken, die bisher wenig im Fokus der kunstgeschichtlichen Betrachtung gestanden haben“, berichtet die Kuratorin. Hier sind sie gleichberechtigt neben den großen Namen der surrealistischen Bewegung ausgestellt, und das mit Recht. Meret Oppenheim, in der Öffentlichkeit kaum mehr wahrgenommen, ist solch eine „Unbekannte“. Ihre „Pelzhandschuhe“ von 1936 lösen, gleich zu Beginn der Ausstellung, Irritation bei den Besuchern aus. Auch das „Abendkleid mit Büstenhalter“ von Oppenheim besitzt diese eigenartige verstörende, ambivalente Wirkung – die Künstlerin bricht bei ihren Werken auf ungewöhnliche Weise die weibliche Schönheit mit Animalischem und Raubtierhaftem. Mit diesen beiden Werken wird der Besucher schnell an grundsätzliche Eigenschaften der ausgestellten surrealen Objekte herangeführt: Irritation, Ambivalenz und Skurrilität.

ROTER SAMT

Ebenso ungewöhnlich wie die Objekte ist für die Besucher auch die Ausstellungsarchitektur. Ingrid Pfeiffer erklärt: „Die Wände der Ausstellungsräume sind mit rotem Samt verkleidet, die Ausstellungsobjekte werden auf eigens dafür angefertigtem Mobiliar präsentiert“. Dessen Gestaltung schwebt zwischen Möbel- und Sockelformen und harmoniert mit der Gesamterscheinung der Ausstellung. Anregung und Orientierung für die Ausstellungsarchitektur boten die Ausstellungen der Surrealisten in Galerien in Paris, Amsterdam und London in den 1930er-Jahren. So bewegen sich die Besucher in den fünf deutlich voneinander abgegrenzten Ausstellungsräumen in einer Umgebung, die abstrakt an Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Salon aus der Zeit der surrealistischen Hochphase erinnert.

BEDEUTUNGS-CLASH

Die Surrealisten verweigerten sich mit ihrer Kunst einem akademischen Zugang. Auch die Kuratorin bietet den Besuchern vor allem ihren ganz persönlichen Eindruck zu den Objekten. Jeder Betrachter soll individuell auf die Ausstellungsstücke reagieren und auf seine eigenen Erfahrungen mit den oft alltäglichen Gegenständen zurückgreifen, die durch ihre faszinierende Ambivalenz einen Zusammenprall von Bedeutungen geradezu provozieren. Ein hervorragendes Beispiel für diesen Clash ist das Objekt „Geschenk“ von Man Ray. Dieses mit Nägeln besetzte Bügeleisen überrascht, amüsiert und irritiert, so wie viele andere Objekte in der Ausstellung. Die Surrealisten haben Objekte des Alltags ad absurdum geführt und damit gleichzeitig den Kunstbegriff bis in die heutige Zeit hinein geöffnet.

DIE KUNSTGESCHICHTE IST EIN KONSTRUKT

Eine Besonderheit der Ausstellung liegt in der verhältnismäßig umfangreichen Präsenz weiblicher Künstler. Zwölf der insgesamt 51 ausgewählten Künstler sind Frauen. Kuratorin Ingrid Pfeiffer begründet diese Auswahl mit ihrem persönlichen Zweifel an der gängigen Kunstgeschichtsschreibung, die nachweislich vielen weiblichen Künstlern den Eingang in historische Überblickswerke verwehrt und damit ihre Kanonisierung verhindert hat. Diese subjektive Selektion – sei sie politisch, historisch, soziologisch oder persönlich motiviert – hält sich bis heute und findet ihren Niederschlag weiterhin in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ebenso wie im internationalen Ausstellungsalltag. Ingrid Pfeiffer möchte mit ihren Projekten dieser über lange Zeit etablierten Entwicklung entgegenwirken.

ANSATZ MIT ERFOLG

Die ebenfalls von Ingrid Pfeiffer kuratierte Ausstellung „Impressionistinnen“ im Jahre 2008 hat den Ansatz bereits verdeutlicht. Dass man mit dem Fokus auf die zahlreichen weiblichen – aber weniger populären – Künstlerinnen des Impressionismus einem großen öffentlichen Interesse begegnet, verdeutlichen die Besucherzahlen der „Impressionistinnen“-Ausstellung: „Es war eine der erfolgreichsten Ausstellungen der SCHIRN Kunsthalle aller Zeiten.“ Zum Ende der Ausstellung „Surreale Dinge“ am 29. Mai 2011 rechnet die SCHIRN mit ca. 95.000 Besuchern. Damit hat die Kuratorin Ingrid Pfeiffer erneut mit ihrem Ansatz, den kunsthistorischen Kanon zu erweitern, bewiesen, dass das Publikum die neuen Einblicke jenseits der bereits etablierten Kunstgeschichte zu schätzen weiß.