Städelschule Rundgang 2025: Erste Einsichten
07.02.2025
6 min Lesezeit
Ein fester Termin für Kunstbegeisterte und Neugierige: Beim Rundgang der Städelschule präsentieren Studierende ein Wochenende lang, vom 7. bis 9. Februar 2025, ihre Werke. Wir haben uns schon einmal umgesehen und zeigen erste Eindrücke.
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Auch in diesem Jahr öffnen aufstrebende Künstler*innen aus aller Welt ihre Studios im Rahmen des Rundgangs der Städelschule in der Dürer- und Daimlerstraße. Drei Tage lang haben Besucher*innen die Gelegenheit, einen Einblick in das vielfältige künstlerische Schaffen der Studierenden zu gewinnen.
In Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut & Filmmuseum werden im Kinosaal des Museums Film- und Videoarbeiten präsentiert. Das Wochenende wird von einem abwechslungsreichen Programm aus Performances, Lesungen, Konzerten und Gesprächen begleitet. Zudem bietet die Bibliothek der Städelschule eine Auswahl an Publikationen und Editionen der Städelschule, des Portikus und der Studierenden zum Kauf an. Wir haben uns schon einmal umgesehen und zeigen ein paar erste Eindrücke.
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Ming Yuan
In ihren jüngsten Arbeiten setzt sich Ming Yuan mit dem Akt des Schenkens auseinander und erforscht die damit einhergehenden vielschichtigen Dynamiken von Begehren, Abhängigkeit, Manipulation, Macht, Korruption, Liebe und Hass. Schenken bedeutet, sich in ein soziales Gefüge zu begeben, das einer stillschweigenden Vereinbarung gleichen kann: Wer schenkt, erwartet oft eine Gegenleistung. Dadurch ist das Geschenk nicht immer ein reiner Akt der Zuneigung und eine liebevolle Geste, sondern kann auch eine Machtdemonstration darstellen.
Yuan hinterfragt diese Ambivalenz, indem sie die Verpackung als Projektionsfläche für Identität, Erwartungen und soziale Strukturen begreift. Ihre Werke reflektieren die moralischen Komplexitäten von Geben und Nehmen und laden dazu ein, die Grenzen zwischen Zuneigung, Verpflichtung und Kontrolle zu hinterfragen.
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Augustine Paredes
Die Arbeit Body Is A Gun präsentiert die neuesten Werke von Augustine Paredes, der sich in seiner künstlerischen Praxis mit seiner philippinischen Identität auseinandersetzt und postkoloniale Recherchen als Grundlage seiner Kunst nutzt. Dabei untersucht er Objekte und Materialien, die Spuren der Kolonialgeschichte in sich tragen. Für seine Installation im Dürerhof dient ihm das „Blackboard“ der Städelschule als Träger seiner Arbeit, das er übermalt und so selbst zu einer Oberfläche historischer Reflexion macht – dabei verweisen die durchscheinenden Überreste von Tackern und Klebeband auf Events, die in der Vergangenheit stattgefunden haben.
Das tiefe Schwarz zitiert die Farbgebung einer .45-Kaliber-Pistole, die während der amerikanischen Kolonialherrschaft speziell für die philippinische Polizei (Philippine Constabulary) entwickelt wurde – eine Einheit aus philippinischen und amerikanischen Soldaten. Ihr Design wurde gezielt modifiziert, um den Einsatz im Kampf gegen den Widerstand leistenden Moro-Krieger in Mindanao zu erleichtern. Die Stoffelemente auf der Arbeit sind aus einem Kleid, das der Künstler bei seinem ersten Besuch in den USA getragen hat.
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Killa Schuetze
Das Triptychon aus Metalltüren bildet einen starken Kontrast zum weichen, verletzlichen Oberkörper, der im mittleren Teil auf einer Fotografie zu sehen ist. In europäischen Kirchen und Kathedralen dienten dreiteilige Altarbilder als visuelle Schwellen zwischen dem Irdischen und dem Transzendenten, zwischen gelebter Realität und der Möglichkeit eines anderen Seins. Der Wechsel zwischen Härte und Weichheit ist ein zentrales Motiv im Schaffen von Killa Schuetze – Rituale und Übergänge als Momente der Transformation.
In ihrer Arbeit setzt sie sich sowohl mit ihren peruanischen Wurzeln als auch mit ihrer Vergangenheit als Türsteherin auseinander – einer Hüterin von Schwellen und Grenzen. Hier öffnet sie mit dem abgebildeten Körper den Zugang zur Zärtlichkeit. Der Entstehungsprozess des Fotos spiegelt das Unkontrollierbare wider: Die Aufnahme wurde auf einem Lautsprecher liegend gescannt, während Sub-Bass-Techno mit extremer Lautstärke lief. Die Schallwellen verzerrten das Bild, prägten Luft und Vibration direkt auf die Oberfläche ein – eine physische Erinnerung an Klang und Bewegung.
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Ana Likar
Die Faszination für Modularität bildet den Ausgangspunkt der Arbeit “Promise (to carry on)” von Ana Likar – zunächst im Kontext von Möbeln, dann zunehmend als Mittel zur Erforschung persönlicher und kollektiver Erinnerungen. Ausgangspunkt war einemodulare Küche, die in den 1970er Jahren in Slowenien weit verbreitet war, heute jedoch zunehmend aus den Haushalten verschwindet. Ein einzelnes Element über dem Herd fiel dabei aus dem modularen System heraus – ein dysfunktionales Detail in einer Struktur, die auf Massenproduktion und Praktikabilität ausgerichtet war.
Die skulpturalen Baukastenelemente der Arbeit greifen dieses spezifische Bauteil auf und rekonstruieren seine Form. Für Likar ist es essentiell, dass die Unvollkommenheit sichtbar bleibt – das Werk selbst bleibt ein offenes System: modular, zerlegbar, mit Klebeband fixiert, leicht transportierbar – eine Struktur und Skulptur, die sich immer wieder neu ordnen kann. Diese Küche gehörte einst Likars Großmutter, einer Trägerin familiärer Geschichte. Heute befindet sie sich im Elternhaus in Slowenien und dient als eine Art Storage für die Künstlerin. Auf Fotografien sieht man die Großmutter mit Stoffen in den Händen – auch diese Materialien tragen Erinnerungen in sich, die die Künstlerin vor dem Vergessen bewahren will.
Likar beschäftigt sich mit der Archivierung der Vergangenheit, mit dem Sammeln von Erinnerungen, deren ursprüngliche Besitzer oft unbekannt bleiben. Ihre Arbeit reflektiert eine besondere Art des Geschichtenerzählens – ein Zusammenspiel aus persönlichem und politischem Narrativ.
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Sam Cottington und Alejandro Villabona
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlern Sam Cottington und Alejandro Villabona begann an der Städelschule. Ausgangspunkt war die gemeinsame Frustration darüber, wie wenig Kontrolle Künstler*innen über den Kontext haben, in dem ihre Arbeiten präsentiert und interpretiert werden. Mit dem Zusammenspiel ihrer beider ausgestellten Positionen bestimmen sie nicht nur einen Teil des Narrativs einer Ausstellung, sondern widmen sich ebenso Themen der Autorenschaft. Zwei Künstler, ein Video Inches, das nicht trennbar ist.
In ihren filmischen und video-basierten Arbeiten gehen sie von Text- und Bildfragmenten aus, die sie ähnlich wie Drehbücher im Theater als Ausgangspunkt für kollaborative Erkundung und Neuinterpretation nutzen. Diese Fragmente werden in einer Art Collage zusammengeführt und auf ihre Wechselwirkungen getestet. Durch diesen Prozess untersuchen sie, wie Bedeutung in der visuellen Kultur produziert und reguliert wird.
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Theresa Weise ist Kunsthistorikern, Autorin und Redakteurin. Von 2017–2021 war sie Editor und Social Media Director bei dem Kunstmagazin PASSE-AVANT. Bis 2023 arbeitete sie in der SCHIRN.