Singer-Songwriterin Julie Kuhl: „Bis heute fühlt es sich für mich authentischer an, auf Englisch zu singen“

Julie Kuhl
Foto: Neven Allgeier

14.03.2025

6 min Lesezeit

Autor*in:
Markus Wölfelschneider

Ihr allererstes Album hat die junge Songwriterin Julie Kuhl vor einigen Jahren per Homerecording in den eigenen vier Wänden aufgenommen. Auch heute noch entstehen viele ihrer Songideen bei ihr zu Hause. Dort haben wir sie besucht.

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Julie Kuhls Katze ist gerade wach geworden. „Lilly steckt ihren Kopf gerne in fremde Taschen“, warnt uns ihre Besitzerin – wofür wir vollstes Verständnis haben. Denn auch wir schauen uns neugierig um: Die Wände des Raums wirken wie eine sorgsam kuratierte Pinnwand, die viel über die popkulturellen Vorlieben seiner Bewohnerin verrät. Wir entdecken Konzertkarten von Arlo Parks, Giant Rooks und Ed Sheeran. Außerdem ein Plakat des Kinofilms „Lady Bird.“ Ebenfalls an der Wand hängt eine verbrannte Rose, die zu einem Blumenstrauß gehörte, den Kuhl unten vor dem Haus während eines Fotoshootings für das Cover ihres Debütalbums „Flowers & Candles“ in Flammen aufgehen ließ.

Nebenan, im Zimmer ihres vier Jahre älteren Bruders Lasse, der mittlerweile ausgezogen ist, hat Kuhl ihr Erstlingswerk aufgenommen. Die 19-jährige Songwriterin wohnt noch bei ihren Eltern. Aus dem Fenster in ihrem Zimmer kann man die Fachhochschule im Frankfurter Nordend sehen, der Friedhof ist nur ein paar Schritte entfernt. In der Mitte des Raums steht eine mächtige Pflanze, die fast durch die hohe Decke der Altbauwohnung zu stoßen scheint. In einer Ecke reihen sich mehrere Gitarren und Tasteninstrumente aneinander.

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Julie Kuhl
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Jazz, Songwriterpop und ein ganz großer Auftritt zur Fußball-EM

Vergangenes Jahr hat Kuhl ihr Fachabi an einer Schule mit dem Schwerpunkt Gestaltung gemacht. Kommenden Herbst möchte sie Jazzgitarre studieren. Ihre Begeisterung für das Genre wurde durch ihre Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Label und Konzertveranstalter Jazz Montez geweckt, bei dem Kuhl nicht nur ihr zweites Album „Born With Nostalgic Bones“ aufgenommen, sondern auch ein Praktikum absolviert hat. „Bei Konzerten habe ich an der Kasse gesessen und konnte auf diese Weise eine Menge neuer Musik entdecken“, erzählt sie. Die Plattensammlung auf dem Highboard am Fußende ihres Bettes wuchs in dieser Zeit um viele Jazz-Alben an.

Ihr minimalistischer Songwriterpop aus den Anfangstagen ist inzwischen vielschichtiger geworden. Davon zeugt auch ihre aktuelle EP „Clouds Of Grief“, die sie zusammen mit dem Kölner Musiker Gianni Brezzo aufgenommen hat. Ende März steht Kuhl im Vorprogramm des niederländischen Songwriters Blaudzun zum Beispiel in Berlin, Hamburg und Köln auf der Bühne. „Mein Ziel für dieses Jahr ist es, raus aus Frankfurt zu kommen“, sagt Kuhl. Bis jetzt ist sie mit ihrer Musik vor allem rund um ihre Heimatstadt aufgetreten.

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Ihr größter Auftritt war gleichzeitig ihr untypischster: Bei der regionalen Eröffnungsfeier zur Fußball-EM 2024 sang Kuhl, in einem Boot auf dem Main stehend, eine wunderbar eigenwillige Version der Fanhymne „You’ll Never Walk Alone.“ Das Event wurde im Fernsehen übertragen. Kurz zuvor war sie an Corona erkrankt. Ihr Auftritt stand auf der Kippe. „Ich dachte schon: Da gibt man mir einmal im Leben eine solche Verantwortung und wenn das schief geht, ist alles vorbei“, erinnert sie sich. „Zum Glück bin ich rechtzeitig wieder gesund geworden.“

Kuhl hat schon in den unterschiedlichsten Konstellationen Musik gemacht: Alleine, im Duo, mit einem Quartett oder einer mehrköpfigen Band im Rücken. „Seit diesem Jahr habe ich ein neues Setup auf der Bühne“, erzählt sie: Bei Auftritten bildet sie ein Trio – mit ihrem Bruder Lasse an der Gitarre und dem Schlagzeuger Felix Lothwesen. Die beiden kennt man auch von der Indie-Band Sun’s Sons, in der sie gemeinsam spielen.

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„Ich muss nicht immer laut sein und im Vordergrund stehen. Das liegt mir überhaupt nicht. Trotzdem ist es wichtig, eine starke Meinung zu haben und bei bestimmten Entscheidungen das letzte Wort zu behalten. Es geht schließlich um meine Musik.“

Julie Kuhl

Bühnenerfahrung von klein auf

Als Kind hat Kuhl erst Klavier und dann Gitarre gelernt. „Ich hatte das Glück, dass ich sehr aufmerksame Eltern habe“ sagt sie. Weil sie gerne gesungen hat, meldete ihre Mutter sie beim Chor des Hessischen Rundfunks an. Nach einer Aufnahmeprüfung wurde sie angenommen. Außerdem sang sie in der Schulband und spielte Theater. Auf einer Bühne zu stehen, daran war sie schon früh gewohnt. „Oft stellt man mir die Frage, warum ich als deutschsprachige Person eigentlich auf Englisch singe“, sagt Kuhl „Dabei habe ich als Kind schon so gesungen, wie ich mir damals Englisch vorgestellt habe, noch bevor ich es sprechen konnte. Bis heute fühlt es sich für mich authentischer an, auf Englisch zu singen.“

Nicht Musik, sondern Kunst sei lange Zeit ihre größte Leidenschaft gewesen, bekennt Kuhl, deren Mutter eine renommierte Kinderbuch-Illustratorin ist. „Ich habe früher wirklich jeden Tag gemalt.“ Neben der Tür ihres Zimmers hängt eines ihrer Werke – ein Gemälde mit dem Titel „Lonely Freak“, von dem sich Kuhl zum Plattencover ihres zweiten Albums inspirieren ließ. Ein Song auf diesem Album heißt „Angel Boy“ – und auch hierzu gibt es ein Kunstwerk im Raum. Diesmal eine Skulptur. Ein kleiner Engel aus Gips, dem Kuhl nachträglich teuflische Züge verpasst hat. Passend zu dem Jungen, den Kuhl in ihrem Lied besingt, das seinem Namen zum Trotz eher von einer toxischen statt von einer himmlischen Liebe handelt.

Foto: Neven Allgeier
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Julie Kuhl
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Zusammen mit ihrem Bruder reiste Julie Kuhl im vergangenen Sommer mehrere Wochen lang durch die USA, um in New York, Nashville und Los Angeles an neuen Songs zu arbeiten. Chris Douridas, ein Programmdirektor des in Santa Monica beheimateten Radiosenders KCRW, hatte die beiden Geschwister zu Writing-Sessions eingeladen. „Chris ist zufällig auf meine Musik gestoßen. Wir hatten ein paar Zoom-Calls. Dann war er in Deutschland, hat sich ein Konzert von mir angeschaut und seine Einladung ausgesprochen.“

Unfertige Songs aus der Hand zu geben, im Team daran zu feilen, wie das bei Writing-Sessions üblich ist: „Anfangs war das für mich gewöhnungsbedürftig, es hat sich aber gelohnt“, sagt Julie Kuhl. „Ich muss nicht immer laut sein und im Vordergrund stehen. Das liegt mir überhaupt nicht. Trotzdem ist es wichtig, eine starke Meinung zu haben und bei bestimmten Entscheidungen das letzte Wort zu behalten. Es geht schließlich um meine Musik.“

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