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SCHÖNHEIT HAT IMMER IHREN PREIS

06.08.2012

5 min Lesezeit

Kurator*in:
Matthias Ulrich
Matthias Ulrich besuchte die Eröffnung der Jeff Koons-Ausstellung in der Fondation Beyeler.

Um es gleich am Anfang zu sagen, die Ausstellung von Jeff Koons in der Fondation Beyeler stellt erneut das überragende Talent eines Ausnahmekünstlers zur Schau, der das ganze Repertoire von der Herstellung bis zur Aufführung seiner Werke und der Inszenierung seiner selbst bis ins Detail beherrscht. Ob im Außenraum, wo er die monumentale Blumenskulptur „Split Rocker“ und die auf einem kleinen Teich wie in einem Gemälde von Monet schwebende, blaue „Balloon Flower“ installiert hat, oder in der auf neun Räume des Museums verteilten Präsentation von 48 Skulpturen und Gemälden – alles erscheint am richtigen Ort und an der richtigen Stelle, im richtigen Licht und im richtigen Dialog.

Ein exklusiver Personenkreis

An diesem Samstagvormittag, ein Tag nach der Pressekonferenz und einige Stunden vor der offiziellen Eröffnung, versammeln sich an die 200 geladene Gäste in der mit Tensatorenband von der Pierre Bonnard-Ausstellung und ein wenig an die mit Vorhängen getrennte Economy und Business-Class in Flugzeugen erinnernde Vorbesichtigung von drei Koons’schen Werkreihen, deren Auftakt die beleuchteten, an der Wand angebrachten oder in Vitrinen eingeschlossenen Staubsauger der Serie „The New“ bildet. Die neugierigen Augen der Bonnard-Besucher gelten vermutlich weniger den wie eingefrorenen Schauspielern im ersten Raum verteilten Skulpturen, mit denen Koons seinen eigenen Begriff vom Ready-Made 1980 in die Kunst einführte, sondern dem eleganten, exklusiven Personenkreis, der extra für die Ausstellung oder für den Künstler heute angereist ist. Meine Erkennungsleistung liegt bei ungefähr 10%. Doch als Ko-Kurator der in wenigen Wochen eröffnenden zweiten großen Jeff Koons-Ausstellung will ich die Chance der Eigenwerbung nutzen und den teilweise nur per Email oder Telefon in den letzten fünf Jahren für das Zustandekommen unserer Ausstellung kontaktierten Sammler, Leihgeber, Vermittler, in irgendeiner Form behilflichen Menschen meinen und den Dank der SCHIRN aussprechen.

Beobachtungen zweiter Ordnung

Max Hollein macht mich und die weiteren angereisten Kolleginnen aus Frankfurt mit Sam Keller, dem Direktor der Fondation, bekannt. Ob der fulminanten Ausstellung hat er allen Grund, glücklich zu sein, was man ihm auch ansehen kann. Uns gegenüber zeigt er sich freundlich und charmant und wendet sich sodann den weiteren eintreffenden Gästen zu. Mir fällt dieser schnelle und gleichzeitig höfliche Konzentrationswechsel in der Regel eher schwer und ich achte daher gezielt auf sein Verfahren. Da es sich bei dieser Veranstaltung vor allem um ein soziales Ereignis handelt, bin ich als Soziologe gleichzeitig am richtigen und am falschen Ort. Ich muss die Beobachtungen zweiter Ordnung heute fahren lassen, um mich von ihnen bei meinen Aktivitäten nicht hindern zu lassen. Beim Gentleman Anthony d‘Offay bleibe ich dennoch erstmal Soziologe, schließlich bin ich sofort von seinem britisch-aristokratischen Understatement angetan, und seine gesamte Sammlung, unter der sich auch einige Koons-Werke befanden, hat er großzügig den britischen Museen anvertraut. Lässig schlendern er und seine Begleitung an dem auf einem Esel reitenden „Buster Keaton“ entlang, der zur zweiten von drei in Basel gezeigten Serien gehört: „Banality“. Ein Typ im Stil von Ion Tiriac mit für die Straße geeigneten, weinroten Pantoffeln und einem über das blaue Jackett geworfenen grünen Pullover steht wenige Schritte vor dem roten „Balloon Dog“ und betrachtet, wie viele andere, durch die großen Fenster die blaue „Balloon Flower“. In diesem größten Raum der Ausstellung kombinierte Koons Skulpturen mit Gemälden der Serie „Celebration“, die der Feier einen krönenden Abschluss verleihen.

Temporäres Exil in Frankfurt

Neben dem Gemälde „Boy with Pony“ treffe ich auf den Leiter der Victor Pinchuk-Sammlung, Eckhard Schneider, der bereits im Kunsthaus Bregenz, dessen Direktor er war, eine vielbeachtete Jeff Koons Solo-Show kuratiert hatte. Leider hat uns die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine einen Strich durch die Rechnung gemacht und die bereits zusagten Werke aus der Sammlung von Victor Pinchuk kurzfristig von der Wunschliste gestrichen, wofür Schneider um Verständnis bittet. Er wirkt ein wenig gejetlagt, hofft aber, dass wir die fehlenden Werke kompensieren konnten. Auf dem weiteren Weg durch die einfach „Jeff Koons“ betitelte Ausstellung läuft Dakis Joannou, der Besitzer der größten privaten Koons-Sammlung, von zwei Sicherheitsleuten begleitet, in meine Richtung. Er ist sichtlich beeindruckt von der Ausstellung, stellt mir namentlich seinen Sohn und dessen Frau vor und freut sich schon auf Frankfurt, wo vermutlich der Rest seiner Koons-Sammlung ein temporäres Exil finden wird. Dass er die nächsten Monate ohne die teilweise in seinem Privathaus ausgestellten Ikonen, wie etwa „Michael Jackson and Bubbles“, aushalten muss, goutiert er mit einem jugendlichen Zwinkern. So richtig in Fahrt manövriere ich mein kommunikatives Wesen zu dem Schwäbischen Sammler Rudolf Scharpff, der uns das Gemälde „Titi“ überlassen hat. Er zeigt sich über die Neuigkeit, dass das Bild zudem das Cover unseres Malerei-Katalogs zieren wird, sichtlich erfreut. Endlich treffe ich auch Jeff, dem ich erneut meine große Bewunderung ausspreche und der, mit umarmender Geste in Richtung von Sam Keller und der Kuratorin der Baseler Koons-Ausstellung, Theodora Vischer, die großartige Zusammenarbeit lobt. Noch ein kurzes Gespräch mit Christian Boros, der die Kampagne für Basel entwickelt hat, und Holger Liebs, auf dessen Aktivität hin anlässlich der zwei Koons-Ausstellungen in Basel und in Frankfurt die erste Monopol-Sonderausgabe über einen einzigen Künstler erschienen ist. Dann geht es hinunter in das Untergeschoss, wo alle entsprechend ihrer zugeteilten Plätze auf fünf langen Tafeln Platz nehmen und den nun mit unsichtbarer Hand orchestrierten Gesprächen mit ihren Nachbarn nachgehen.

Am Ende des feierlichen Mittagsmenüs, das mit einem aus Koons Gemälde „Cake“ auf die Teller gefallenen Stücks Torte beschlossen wird, gibt es vor der Treppe hinauf noch für jeden einen oder je nach dem mehrere Kataloge in einer schön gestalteten Papiertüte, die allerdings dem Gewicht des Buchs nicht gewachsen scheint und schon nach wenigen Laufmetern und physikalisch verordneten Vibrationen an den unteren Ecken aufreißt. Schönheit hat eben auch immer ihren Preis.