Man traf sich in einem Hinterhof auf der Mainzer Landstraße im Bahnhofsviertel. Bekannt ist die Adresse vor allem für die Frankfurter Freitagsküche, die dort jeden Freitagabend ihre Tore für ein besonderes kulinarisches Erlebnis öffnet. Hier bereitet kein Koch das Abendmenü zu, sondern ständig wechselnde Persönlichkeiten aus dem internationalen Kunst- und Kulturbetrieb. Michael Riedel ist einer der Gründer dieser Institution, die sich großer Beliebtheit in der Frankfurter Kunstszene erfreut. Über den Räumen der Freitagsküche liegt Riedels Atelier, in das an diesem Abend besondere Gäste geladen waren. Die SCHIRN Zeitgenossen, ein Kreis von 14 für Gegenwartskunst engagierten Persönlichkeiten, kamen hier auf Einladung von SCHIRN Direktor Max Hollein zusammen.
Ein besonderer Einblick
Die SCHIRN Zeitgenossen fördern jedes Jahr mit einem bedeutenden finanziellen Beitrag die Realisierung außergewöhnlicher Projekte zeitgenössischer Künstler in der SCHIRN Kunsthalle. Mit ihrer Unterstützung konnte im letzten Jahr eine Ausstellung mit der zypriotischen, in Berlin lebenden Künstlerin Haris Epaminonda verwirklicht werden, und in diesem Jahr sollen gleich zwei Projekte junger Kunst mit Hilfe der SCHIRN Zeitgenossen das Programmangebot der Kunsthalle bereichern: Ausstellungen von Michael Riedel und Bettina Pousttchi. Beide waren an diesem Abend im Atelier von Michael Riedel anwesend, um den Zeitgenossen einen besonderen Einblick in ihre Projektvorbereitung zu gewähren. Auch die beiden verantwortlichen Kuratoren Matthias Ulrich und Katharina Dohm waren mit dabei, um ihre Zusammenarbeit mit den Künstlern zu veranschaulichen.
Hervorragende Gastgeber-Qualitäten
Der Abend begann in entspannter Atmosphäre. Michael Riedel bewies hervorragende Gastgeber-Qualitäten: Kaltgestellter Champagner und Musik empfingen die nach und nach eintreffenden Gäste. Es entwickelten sich angeregte Unterhaltungen in kleinen Gruppen und Direktor Max Hollein machte die Gäste untereinander bekannt. Auch Bettina Pousttchi und Michael Riedel nutzten die Gelegenheit, mit den Mitgliedern der Zeitgenossen ins Gespräch zu kommen.
Eine sehr ungewöhnliche Arbeitsweise
Dann wurde das Licht heruntergefahren und eine Projektion an die Atelierwand geworfen. Michael Riedel gab eine umfangreiche Präsentation seines künstlerischen Schaffens, beginnend bei seinen Anfängen in der Städelschule bis hin zu seinen neuesten Projekten. Der unterhaltsame und mit Anekdoten angereicherte Vortrag entbehrte nicht eines gewissen Humors. Dennoch bot der Künstler den Anwesenden einen intensiven Einblick in seinen Werdegang und sein Œuvre. Michael Riedel hat eine sehr ungewöhnliche und in sich geschlossene Arbeitsweise entwickelt, bei der er in einem nahezu geschlossenen Kreislauf selbstreferentiell immer wieder auf seine eigenen Werke zurückgreift und diese transformiert. Zum Verständnis seiner Werke ist es nicht unerheblich, mit dem gedanklichen Rückbau vertraut zu sein. Seine Ausstellung trägt den Titel „Kunste zur Text“ und wird ab dem 16. Juni 2012 in der SCHIRN zu sehen sein.
Rund um den Frankfurter Römer
Im Anschluss stellte die in Berlin wohnende Künstlerin Bettina Pousttchi ihre eigens für die SCHIRN konzipierte Arbeit vor. Ihre geplante Verkleidung der Nord-Fassade und der Rotunde der SCHIRN wird weithin sichtbar sein und lässt sich durch die an Fachwerkhäuser angelehnte Gestaltung auch als künstlerischer Kommentar zur aktuellen Altstadt-Debatte lesen. Bettina Pousttchi erläuterte die Entstehung der Arbeit, die sich in mehrere, teils sehr langwierige Arbeitsschritte gliederte. Am Anfang stand die Motivwahl und das detaillierte Fotografieren der Fassaden ausgewählter Fachwerkhäuser rund um den Frankfurter Römer. Die digitalen Fotos wurden anschließend aufwändig am Computer bearbeitet und in riesige Formate übertragen, die anschließend an den Außenflächen der SCHIRN angebracht werden. Dabei wird der Betrachter nicht auf den ersten Blick die Reproduktion einer Fachwerkfassade wahrnehmen, denn die digitale Verfremdung der ursprünglichen Fotos machen aus den Fachwerkmotiven abstrakte Ornamente, die in scheinbar willkürlicher Reihenfolge auf der Fassade der SCHIRN zu sehen sein werden. Die Ausstellung „Frameworks“ von Bettina Pousttchi eröffnet am 19. April.
Bei Pasta und Wein
Nach diesen wertvollen Einsichten, die die Künstler den SCHIRN Zeitgenossen gewährten, begab man sich in die Frankfurter Freitagsküche im Erdgeschoss des Hauses. In der regen Betriebsamkeit, die in dem Lokal regelmäßig an Freitag Abenden herrscht, ließ sich bei einem Teller Pasta und einem Glas Wein hervorragend das Gespräch mit den Künstlern und Kuratoren vertiefen.