Wer âHey Siriâ sagt und eine Antwort bekommt, weiĂ es eigentlich schon. Wer Alexa die EinkĂ€ufe machen lĂ€sst â auch. Die digitalen Assistenten spielen uns eine vertraute Welt vor, und die Interfaces haben meistens Namen: Siri, Alexa, oder im gleichnamigen Film ganz einfach: âHerâ, und sie haben eine Stimme. Die Designtheorie hat dafĂŒr einen Begriff: Skeuomorphismus, das bedeutet, Dinge aus der RealitĂ€t werden in digitalen OberflĂ€chen simuliert. Sie sind die Zugriffspunkte zu einer Welt, die uns in ihrer KomplexitĂ€t schon lĂ€ngst verschlossen ist. Und trotzdem muss sich niemand ausgeschlossen fĂŒhlen. Denn was eine Stimme hat, kann nicht so fremd sein.
âWenn Technologie immer weniger sichtbar wird und sich mehr in den Alltag integriert, muss man darĂŒber sprechen, dass Design dazu da ist, eine emotionale Bindung herzustellen. Wenn man sein Handy zu Hause liegen lĂ€sst, hat man ja schon ein Problem, weil so viel daran geknĂŒpft istâ, sagt Jeanne Charlotte Vogt, die Ausstellungskuratorin von NODE. So etwas muss reflektiert werden, findet sie, nicht nur auf der Werkzeug-Ebene.
vvvv
Dabei war es gerade die Werkzeug-Ebene, weshalb NODE gestartet wurde. 2008, vor beinahe einer Ewigkeit. Damals traf sich zum ersten Mal eine Community aus Programmierern, Designern und KĂŒnstlern. Sie hatten eins gemeinsam: Alle benutzten die Programmiersprache vvvv, eigentlich ein Tool fĂŒr Nicht-Programmierer. vvvv bietet eine grafische OberflĂ€che. Ideal fĂŒr KĂŒnstler ohne technologischen Hintergrund. Aber wie wird daraus ein ganzes Festival?
2010 wurden die Programmierer in den Frankfurter Kunstverein eingeladen, danach ist das Festival gewachsen. Es kamen KĂŒnstler hinzu, Wissenschaftler und Theoretiker, die sich mit Digitalkultur befassen. Die letzte Ausgabe des Festivals fand schlieĂlich 2015 im Mousonturm und in der Naxoshalle statt. âEin ziemlich seltsamer Ort ist dieses Festival fĂŒr jemanden aus der Kunstweltâ, sagt Vogt. Sie ist seit 2010 dabei, forscht selbst an der Schnittstelle von Kunst und Technologie. Aber auch wenn man so hinzukommt, merkt man schnell: Das ist nur eine andere Art von Kunstwelt, die viel offener ist, Wissen zu teilen.
Wovor sollten wir Angst haben?
Es muss einen Punkt gegeben haben, an dem sich die Festivalmacher dachten, das sei nun interessant fĂŒr ein groĂes Publikum. Ab 2015 ist das Festival immer gröĂer geworden, und neue Themen sollten her. âAnschlussfĂ€hige Themenâ, wie es Alexandra Waligorski â ebenfalls Kuratorin â nennt: âFrĂŒher war das alles sehr abstrakt. Dinge die eher in einem gestalterischen Kontext verbleiben.â Um nicht weniger als den Körper in der digitalisierten Welt ging es beim letzten Mal, 2015, unter dem Motto âWrapped in Codeâ. Ein Probierfeld auch, fĂŒr Post- und Transhumanisten und fĂŒr alle, die den technischen Fortschritt kaum abwarten können. âWrapped in Codeâ habe aber so gut funktioniert, weil es so ambivalent ist, sagt die Kuratorin. Was passiert mit unserem Körper und mit unserem Menschenbild â und sollten wir Angst davor haben?
In diesem Jahr geht das Thema in eine Ă€hnliche Richtung: âDesigning Hopeâ. Dazu gibt es Workshops, bei denen man das Coden lernen kann oder ĂŒber Social Media meditieren kann, es gibt Performances, die sich mit Hoffnung in der digitalen Welt befassen und eine Ausstellung in der Naxoshalle. Es gibt Workshops fĂŒr kreative Coder, man kann in virtueller RealitĂ€t tanzen oder ganz real im Offenbacher Club Robert Johnson. Es gibt das Choreographic Coding Lab Nairobi/Frankfurt, eine Kollaboration von Node, Motion Bank und dem Goethe Institut in Nairobi. Seit dem FrĂŒhjahr haben Choreographen und TĂ€nzer, Theoretiker und Praktiker in Nairobi und Frankfurt zusammen eine Performance erarbeitet. Die Leitfrage bei all dem: âWie wird Hoffnung produziert? DarĂŒber sprechen wir mit Theoretikern und KĂŒnstlern.
KĂŒnstler und Aktivisten
BlĂ€ttert man derzeit in Kunstmagazinen, geht es da weniger um Hoffnung, sondern vor allem um Hilflosigkeit. Was kann die Kunstwelt unternehmen: gegen Trump, gegen rechten Populismus, gegen den Klimawandel? Man liest immer wieder die Berufsbezeichnungen KĂŒnstler und Aktivist vereint. Kaum jemand ist einfach nur KĂŒnstler, die meisten wollen politisch engagiert sein.
âAllein schon, wenn man Tools entwickeln kann, will man die Dinge real umsetzen. Aber andere lehnen die Beziehung Aktivist explizit ab. Muss jeder KĂŒnstler Lösungen fĂŒr gesellschaftspolitische Probleme anbieten?â Wahrscheinlich nicht â andere wagen die Flucht nach innen, nĂ€mlich in die SpiritualitĂ€t. Damit beschĂ€ftigt sich die Gruppe BBB_ (Alla Poppersoni, Alexander Sahm mit Dominik Keggenhoff). Wer ihrer Virtual Reality-Performance âBuddha App Says II VR version: âThe Divine And The Deviceââ (https://17.nodeforum.org/events/balance-wantedbuddha-app-says/) beiwohnt, darf sich als initiiert betrachten. NĂ€mlich in die Welt der TechnospiritualitĂ€t, oder zumindest in eine von acht Stufen. Denn wie bei Scientology kann der Initiand aufsteigen.
Göttliche GerÀte
Aber das Göttliche im GerĂ€t findet nur, wer an allen Performances teilnimmt, natĂŒrlich. Ist das Pop, Parodie oder Philosophie? Egal, die Flucht nach Innen ist hochpolitisch, und das haben BBB_ begriffen. Damit passt die Performance ganz vorzĂŒglich ins Gesamtprogramm des Festivals. Denn digitale Technologie ist mehr als nur falsche Vertrautheit mit körperlosen Menschen. Sie ist auch ein Werkzeug, mit dem man aktiv etwas verĂ€ndern kann.