Über den Spielplatz, an Graffitiwänden und einem Billardtisch vorbei gelangen Irmi Rauber und ich, beide Kunstpädagogen an der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, heute zur Arbeit. Wir gehen zum „Nachbarschaftsheim Bockenheim“, einen offenen Jungentreff im Westen Frankfurts.
Eigentlich ist es nicht ungewöhnlich, dass wir auch außerhalb der Kunsthalle arbeiten: Der SCHIRN geht es darum, ihre Ausstellungen und Programme nicht nur in der Kunsthalle zu vermitteln, sondern hinaus in die Gesellschaft zu wirken. Mit den Mitarbeitern des Jungentreffs beispielsweise werden wir über ein gemeinsames Ferienprogramm sprechen.
Die SCHIRN KUNSTHALLE hat sich in den letzten Jahren mit ihrem umfassenden Vermittlungsangebot als bedeutender Bildungsort in Frankfurt und der Region etabliert. Deswegen ist das Nachbarschaftsheim Bockenheim die Zusammenarbeit gerne eingegangen.
JUGENDLICHE WERDEN GESTALTERISCH AKTIV
Rebecca Jehn, Sozialpädagogin im Nachbarschaftsheim, fand die Ausstellung „Weltenwandler. Die Kunst der Outsider“ für die Jugendlichen perfekt geeignet, und das können Irmi Rauber und ich nur bestätigen: Die Werke, die vom Alltäglichen, „Normalen“ abweichen und ausgeprägte individuelle Ausdrucksformen spiegeln, werden für die 12- bis 18-Jährigen besonders spannend sein. Viele von ihnen hatten bisher mit Kunst wenig zu tun, und vermutlich würde keiner der Jugendlichen von selbst ein Museum aufsuchen.
Genau aus diesem Grund geht die SCHIRN auf verschiedenste gesellschaftlichen Gruppen direkt zu – mit Veranstaltungen, didaktischen Materialien und Projekten. Für die Jugendlichen aus Bockenheim haben wir Kunstpädagogen gemeinsam mit den Sozialpädagogen des Nachbarschaftsheims ein besonderes Ferienprogramm entwickelt: Eine Woche lang wird der Jungentreff zum Atelier, in dem passend zu den Werken der Ausstellung nicht nur Pinsel und Farbe, sondern auch Holzreste, Computerteile, Gips, Glasscherben, Metallschrott und sogar alte Fahrräder als Arbeitsmaterialien bereitstehen werden.
Nach einem Besuch der Ausstellung „Weltenwandler. Die Kunst der Outsider“ werden die Jugendlichen darin angeleitet, mit diesen Werkstoffen selbst gestalterisch aktiv zu werden. Sozial- und Kunstpädagogen arbeiten dabei Hand in Hand.
Lars Meißner, der Leiter des Jungentreffs, will den Jugendlichen dabei eines mitgeben: „Die Kunst als Möglichkeit überhaupt einmal zu erfahren. Wenn man damit erst einmal anfängt, spürt man, was das bewirkt.“ Auch uns SCHIRN-Pädagogen ist es wichtig, grundlegende ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen und ganz allgemeine Bildungsaufgaben zu übernehmen.
Museen sind heute immer mehr gefordert, sich auch jenseits der klassischen Kunst- und Kulturvermittlung gesellschaftlichen Themen, wie etwa der Globalisierung und Migration, den demographischen Veränderungen und den aktuellen Bildungsfragen zu widmen.
Die SCHIRN setzt sich dafür ein, ihren gesellschaftlichen Bildungsauftrag mit modellhaften Initiativen und unterschiedlichen Partnern umzusetzen. Dass durch diese Offenheit ein „partizipatives Element“ für die Region entsteht, „ist etwas Schönes“, bestätigt dann auch Lars Meißner vom Jungentreff.
Denn mit einer Zusammenarbeit wachsen die Möglichkeiten der Beteiligten, erweitert sich die Reichweite von Bildungsangeboten und entfaltet die Bildungsarbeit ihre Wirkung im Großraum Frankfurt nachhaltig. Mit dem gemeinsamen Ferienprogramm wird das ein Stück weit gelingen, darin sind sich alle Beteiligten einig.
Fabian Hofmann, Kunstpädagoge an der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT