Eine Weihnachtsbaumkugel in Form einer Handgranate: Wirklich geschmackvoll war es zu keiner Zeit, sich so ein Accessoire an die Tanne zu hĂ€ngen. Aber vor zwei, drei Jahren hĂ€tte man die Kugel vielleicht noch als ironische Anspielung auf die alljĂ€hrlichen FamilienkrĂ€che verstehen und darĂŒber schmunzeln können. Heute fĂ€llt das schwerer. Mitten in Europa kommt es immer wieder zu Attentaten, TerroranschlĂ€gen, AmoklĂ€ufen. Mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten sind in europĂ€ischen HauptstĂ€dten kein exotischer Anblick mehr. âVor diesem Hintergrund bekommt ein Gegenstand wie die Handgranaten-Weihnachtskugel eine ganz andere Bedeutung. Was witzig gemeint war, wirkt jetzt makaber oder fragwĂŒrdig. Durch die reale Bedrohung verĂ€ndert sich etwas in der Wahrnehmung â und das ist eigentlich das Interessanteâ, sagt Matthias Wagner K, Direktor des Museums Angewandte Kunst in Frankfurt.
Gemeinsam mit Ellen Blumenstein, ehemalige Chefkuratorin des KW Institute for Contemporary Art in Berlin, und dem Philosophen und Kurator Daniel Tyradellis kuratiert er die Ausstellung âUnter Waffen. Fire & Forget 2". Sie ist eine Erweiterung und ErgĂ€nzung der Schau âFire & Forget. On Violenceâ, die im vergangenen Jahr in den Berliner KW gezeigt wurde und die sich mit der Frage beschĂ€ftigte: Wie werden Waffen und Gewalt in der zeitgenössischen Kunst verhandelt und reflektiert?
Was steckt dahinter?
Matthias Wagner K hat die Ausstellung gesehen, fand sie gut â und da er bereits intensiv darĂŒber nachgedacht hatte, eine Schau zum Thema in seinem Haus zu machen, auĂerdem Blumenstein und Tyradellis kennt und schĂ€tzt, entstand die Idee âFire & Forgetâ zusammen fĂŒr das Museum Angewandte Kunst durchzuspielen. âWaffen ĂŒben eine ambivalente Faszination aus. Einerseits sind sie bedrohlich, andererseits spannend, und manchmal verkörpern sie auch eine Form von Erotik. Die Waffen- und Gewaltsymbole in Design, Mode und Alltagskultur nehmen zu. Und auch in der Kunst ist das Thema prĂ€sent. Wir haben uns gefragt: Was steckt dahinter? â, erzĂ€hlt Matthias Wagner K.
In der neuen Ausstellung wird Kunst und Design einander gegenĂŒbergestellt. Die Ausstellungsarchitektur ist der von Waffen- und Kunstmessen nachempfunden. PrĂ€sentiert werden in dem Parcours Parfumflakons in Handgranatenform von Viktor & Rolf, Philippe Starcks vergoldete Pistolen-Lampen, Bomberjacken von Helmut Lang, Waffen-Dildos und afghanische Teppiche mit Waffenmotiven. AuĂerdem Kunstwerke, die bereits in Berlin zu sehen waren und andere, die neu hinzugekommen sind.
Abgeschreckt und fasziniert zugleich
Schon bei der ersten Ausgabe dabei war eine Videoarbeit der deutschen KĂŒnstlergruppe Neozoon, die private Filme amerikanischer JĂ€ger zusammengeschnitten hat: Man hört das FlĂŒstern und Stöhnen der JĂ€ger, die SchĂŒsse, sieht die toten Tiere. Der Betrachter ist abgeschreckt und fasziniert zugleich.
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Ives Maes hat Tretminen entwickelt, die sich selbst kompostieren und aus denen irgendwann Mohnblumen wachsen. âDas ist eine sehr spezielle Reflexion, bei der die Frage der Nachhaltigkeit hineinspielt. Da fragt man sich natĂŒrlich: Ist es ĂŒberhaupt legitim oder einfach nur zynisch sich auf diese Art und Weise mit einer so furchtbaren Waffe auseinanderzusetzten? Aber das sind genau die Reflexionenpotentiale, die sich in der Kunst findenâ, sagt Matthias Wagner K.
Kunst und Gewalt
Die sĂŒdamerikanische KĂŒnstlerin Clara Ianni zeigt Metallplatten, auf die mit Munition geschossen wurde, die von der Berliner Polizei genutzt wird. An den AbdrĂŒcken sieht man ganz deutlich, wie die unterschiedlichen Kugeln wirken und welche Kraft sie auf einen Körper haben. âKunst kann die Gewalt sichtbar machen. Das unterscheidet sie vom Designâ, sagt Matthias Wagner K, âdurch die GegenĂŒberstellung mit Kunst in der Ausstellung bekommen die prĂ€sentierten Designobjekte eine neue Bedeutung.â