Körper zwischen Beton und Bewegung

Isaac Chong Wai, Performance Falling Reversely—Falling and Dance (Ichi), 2022, Archivdruck, 50 × 37,5 cm
© Isaac Chong Wai, Courtesy der Künstler und Zilberman

Das Festival „Body and Building“ in der SCHIRN stellt den Dialog zwischen Körper und Architektur in den Mittelpunkt. Inspiriert vom legendären Performance-Festival im Whitney Museum, verbindet es bewegte Körper mit statischen Strukturen und eröffnet neue Perspektiven auf das Zusammenspiel von Kunst, Raum und Publikum.

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Kurz bevor die SCHIRN vorübergehend ihre Pforten schließt und in ihr Interimsquartier in Bockenheim zieht, lädt das Festival „Body and Building“ dazu ein, die „alten“ Räume noch einmal neu zu erfahren. An die Stelle von klassischen Kunstwerken treten die lebendigen Körper von Performer*innen und ihrem Publikum. Der Titel „Body and Building“ ist dabei bewusst mehrdeutig. Er verweist auf den Kontrast zwischen lebenden Körpern und statischem Gebäude – in diesem Fall dem postmodernen Ausstellungsraum mit seiner charakteristischen Schlauchform unter einer weißen, spitzzulaufenden Giebeldecke. Im englischen Wort „building“ steckt aber auch das Bauen als eine produktive Tätigkeit, hier wird etwas mit Körpern hergestellt. Fügt man die die Begriffe zu „Bodybuilding“ zusammen, evozieren sie schließlich eine Sportart, in der es um die übersteigerte Körperkultivierung durch hartes Training geht und die im Museum – so würde man meinen – erst einmal wenig zu suchen hat.

Von New York nach Frankfurt

Inspiration für das SCHIRN-Event ist das Festival „Performances: Four Evenings, Four Days“, das 1976 im New Yorker Whitney Museum stattfand. An insgesamt acht Tagen traten über vierzig Künstler*innen live im Museum auf. Das ist bemerkenswert, da Performance damals eine völlig neue Kunstform war. Ihre Heimat waren die alternativen Kunsträume und privaten Lofts in Downtown. Nun hatte die junge Kuratorin Marcia Tucker die verwegene Idee, diese Szene ins etablierte Museum nach Uptown zu holen. Das sorgte für einige Aufregung innerhalb des Museums, aber auch beim Publikum und den Künstler*innen.

Das Festivalprogramm war bunt und reichte von abendfüllenden Tanz- und Theateraufführungen, über experimentelle Musikdarbietungen und ein Popkonzert bis zu kürzeren performativen Interventionen. Ein besonderes Spektakel organisierte der Künstler Jean Dupuy. Im Geiste der Fluxuskonzerte stellte er eine winzige Drehbühne in den Ausstellungsraum und lud befreundete Künstler*innen dazu ein, diese in Miniperformances zu bespielen. Leider reichte das schmale Budget des Festivals nicht, um alle Künstler*innen angemessen zu bezahlen, was zu Protesten und einigem Tumult führte.

Flyer für „Performances: Four Evenings, Four Days“, Whitney Museum of American Art, New York, 1976.
Arnold Schwarzenegger
Elliott Erwitt / Magnum Photos, Courtesy of teNeues; Image via archive.nytimes.com

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Mitten hinein in dieses Spektakel platzte dann noch eine ganz andere Veranstaltung: ein Symposium mit dem Titel „Articulate Muscle: The Male Body in Art“. Das Museum kündigte das Event als wissenschaftliches Format an. In Wirklichkeit handelte es sich aber um eine reine Werbeveranstaltung. Beworben wurde die Filmproduktion „Pumping Iron“, mit keinem Geringeren als dem jungen Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Den Filmemacher*innen war das Geld ausgegangen, also rührten sie nun die Werbetrommel auf der Suche nach Sponsor*innen. Da eine der Hauptthesen des Films war, dass Bodybuilding eine Art Bildhauerei am eigenen Körper sei, lag der Museumsraum als Veranstaltungsort nahe.

Unter dem Deckmantel der Kunstgeschichte

Um den Werbeeventcharakter etwas abzuschwächen, lud das Museum eine Journalistin und vier Universitätsprofessoren zu einem Gespräch über muskulöse Körper in der Kunst ein. Das Publikum, das zum Großteil aus der New Yorker Schwulenszene kam, ließ ihre Einlassungen zu antiken Heroen und berühmten Bildhauern ungeduldig über sich ergehen. Eigentlich waren sie wegen den Auftritten von Arnold Schwarzenegger und seinen Kollegen gekommen. Diese präsentierten – erneut auf einer Drehbühne – ihre eingeölten Körper unter lautstarken Bewunderungsrufen. Anschließend bestätigten die Bodybuilder im Gespräch, dass sie ihre Körper als Kunstwerke betrachteten. Die Kunsthistoriker blieben allerdings skeptisch. Ihnen war offenbar weder der aktuelle Performancetrend, noch die aufkommende Camp-Ästhetik geläufig.

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The Breuer in den 1960er-Jahren
Foto: Arthur Swoger / Getty Images; Image via architecturaldigest.com

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Das New Yorker Festival und das Symposium fanden im damaligen Stammsitz des Whitney Museums statt, einer von Marcel Breuer entworfenen Ikone des Brutalismus. Sein markantes Erkennungszeichen waren ein dunkler Natursteinboden und eine abgehängte Kassettendecke aus Beton, ein harter Kontrast zu den bunten und lebendigen Darbietungen. Zudem wurden die ohnehin spärlichen Fenster vollständig geschlossen, sodass eine Art dunkler Theaterraum entstand, der allein durch Scheinwerfer erhellt wurde. In der SCHIRN wird das Gegenteil der Fall sein: Zum Anlass des Festivals wird die gesamte Fensterfront, die normalerweise geschlossen ist, da sie als Hängefläche für Kunst dient, geöffnet. Damit entstehen nicht nur neue Verbindungsachsen zwischen Ausstellungs- und Stadtraum, sondern im Wechselspiel mit den lebendigen Kunstwerken auch ganz neue körperliche Raumerfahrungen.