Dichte Rauchschwaden über der New Yorker Skyline, Menschen stürzen aus den Zwillingstürmen in die Tiefe, George W. Bush schwingt kämpferische Reden vor dem Weltsicherheitsrat: Diese Bilder flackerten live über die Bildschirme in Wohnzimmern weltweit, wirkten, als kämen sie direkt aus Hollywood und brannten sich in ein kollektives Gedächtnis ein. Am 11. September 2011 jähren sich die Attentate auf das World Trade Center und das Pentagon zum zehnten Mal. Wie kaum ein anderes historisches Ereignis haben sie die Welt verändert. Die Medialisierung der Ereignisse, die Propaganda für die Kriege im Irak und Afghanistan, Verschwörungstheorien und Folterbilder aus dem Militärgefängnis Abu Ghraib beschäftigen auch zahlreiche Künstler.
Einer davon ist der New Yorker Jonathan Horowitz. Er bedient sich der Bilder, die durch westliche Medien geistern, arrangiert sie in Video- und Fotokompositionen neu und verändert sie mitunter durch wenige Handgriffe. Das vom Weißen Haus während seiner Amtszeit kostenlos ausgegebene Porträt von Ex-Präsident George W. Bush vor der amerikanischen Flagge drehte der Künstler kurzerhand um 180 Grad. Bush steht Kopf, derzeit in der Ausstellung „Geheimgesellschaften“. Mit diesem einfachen satirischen Kniff pervertiert Horowitz den amerikanischen Nationalfetisch, der nach dem 11. September 2001 ungeahnte Ausmaße erreichte.
Plakative subversive Qualität findet sich auch in seiner Arbeit „19 Suspects“. Teilweise stark verpixelte Porträts von Männern mit dunkler Hautfarbe, manche mit funkelnden Augen und einem Lächeln auf den Lippen, manche mit Schnauzer, überraschen den aufmerksamen Beobachter in der Ausstellung hinter Säulen und Ecken. Es handelt sich um Terroristen – das macht spätestens das bekannte Foto von Mohamed Atta deutlich, einen der Protagonisten der Anschläge vom 11. September 2001. Horowitz spielt in seiner Installation mit der medialen Feindbildkonstruktion und der dadurch geschürten Terrorangst. Sie hat die westliche Gesellschaft bis ins Mark durchdrungen. Kunst bietet die Möglichkeit, den Umgang mit dieser Angst zu reflektieren und zu hinterfragen. Horowitz nutzt dieses Potenzial: „Mich interessiert die Beziehung von Kunst und sozio-politischer Realität und wie Kunst innerhalb dieser Realität funktioniert.“
In den vergangenen Jahren hat Horowitz mit diversen Arbeiten auf sich aufmerksam gemacht. Zur Kunst brachte ihn die Begeisterung für Filmbilder. In seinen Videoarbeiten collagiert er Popkultur und Unterhaltungsindustrie, Terror und Klimawandel und uramerikanische Konzepte wie den Kriegshelden. Die Welt bietet Horowitz jede Menge Stoff. Für das Museum Ludwig in Köln kreierte er 2009 zum Beispiel die solarbetriebene Video-Installation „Apocalypto Now“. Dafür montierte er Teile eines Dokumentarfilms über den Hollywood-Katastrophenfilm, Nachrichtenbilder von Stürmen und Überschwemmungen, Sequenzen aus Mel Gibsons „Die Passion Christi“ und Szenen aus Blockbustern, die den 11. September 2001 noch einmal Revue passieren ließen, zu einem dichten Bilderrausch der Gegenwart. Durch den einfachen Zusammenschnitt vorhandener Bilder thematisiert der Künstler unterschwellig auch die apokalyptische Panikmache der Bush-Regierung mit ihren ultrachristlichen und nationalistischen Diskursen.
Horowitz hält der Welt einen Spiegel vor. Mit seinen Arbeiten, die zum zehnten Jahrestag der Terroranschläge in New York wieder hochaktuell sind, liefert er einen politischen Beitrag zur Ausstellung „Geheimgesellschaften“. In einem gerade im Kunstmagazin „Monopol“ veröffentlichten Interview wies der Kunstkritiker, Kurator und Direktor des Moderna Museet in Stockholm Daniel Birnbaum auf die Bedeutung dieser Ereignisse für die zeitgenössische Kunst hin: „Ich glaube, dass es in jeder Ausstellung, die etwas über unsere heutige Welt sagen will, auch um die Folgen von 9/11 gehen muss.“