Zwischen Zensur, Zuspruch und Einfluss: Hans Haacke in New York
Hans Haacke lebt und arbeitet seit 1965 in New York City. Grund genug, seine Beziehung zum „Big Apple” einmal genauer zu beleuchten: Angefangen bei seinem Einfluss auf die New Yorker Kunstinstitutionen und Galerien bis zu seiner Lehrtätigkeit an der Cooper Union.
17.01.2025
15 min Lesezeit
Lorem Ipsum
Kurz nach „MoMA Poll” musste sich Haacke schließlich wirklich den Konsequenzen seiner institutionellen Kritik stellen, als seine Einzelausstellung im Guggenheim Museum 1971 kurzfristig abgesagt wurde. Auslöser dafür war die Arbeit „Shapolsky et al. Manhattan-Immobilienbesitz – Ein gesellschaftliches Realzeitsystem, Stand 1.5.1971”, für die der Künstler die Machenschaften hinter den Immobiliengeschäften der bekannten New Yorker Slumlords Harry Shapolsky und anderen aufgedeckt hat. Thomas Messer, damaliger Direktor des Guggenheims, sagte Haackes Ausstellung nur sechs Wochen vor der Ausstellungseröffnung ab, weil sich der Künstler weigerte, sich vom Museum zensieren zu lassen und drei seiner Werke aus der Schau zu entfernen.
Seither hat Hans Haacke den Pfad der institutionellen Kritik nicht mehr verlassen, wenngleich es ihn einen hohen Preis gekostet hat: Etwa 15 Jahre sollte es dauern, bis der Künstler wieder in einem US-amerikanischen Museum ausgestellt werden würde.
Lorem Ipsum
Paula Cooper, die die Paula Cooper Gallery 1968 gründete, erinnert sich lebhaft an ihr erstes Treffen mit Haacke im Jahr 1969 „als er vorbeikam, um seine Arbeit für „Number 7” (eine Gruppenausstellung, die von Lucy Lippard in meiner ersten Galerie im dritten Stock an der 96 Prince Street kuratiert wurde), zu installieren. Ich erinnere mich noch wie heute an das Werk – eine Umweltarbeit auf einem Podest, die einen Ventilator nutzte, um die Luft umzuleiten. Er hat zu dieser Zeit bei der Howard Wise Gallery ausgestellt und ich wusste von ihm, kannte ihn aber noch nicht persönlich.“
Sie und Haacke begegneten sich dann immer wieder auf den großen Europäischen Gruppenschauen wie der documenta in Kassel, auf der Haacke mehrmals seine Werke zeigte – zum Beispiel auf der documenta 5 (1972), wo er das „Documenta-Besucherprofil” präsentierte, einen „Fragebogen mit 10 demographischen und 10 Meinungsfragen zu aktuellen sozialpolitischen Problemen”. Dazu zählten Fragen wie: „Sind Sie für die Freigabe von Schwangerschaftsunterbrechungen?” oder „Würden Sie für den Schutz und die Sanierung der Umwelt höhere Steuern und/oder höhere Preise in Kauf nehmen?” Cooper beschreibt, wie sehr sie von „der Vielseitigkeit seiner Arbeit beeindruckt war, von den Werken, die sich mit natürlichen Systemen auseinandersetzen, bis zu denen, die sich mit sozialen, politischen und ökonomischen Strukturen beschäftigten. Seine Arbeiten waren manchmal fast flüchtig und manchmal physikalisch sehr präsent.“
Haacke & die Cooper Union
Während er in den New Yorker Galerien seine Arbeiten zeigte, trat Hans Haacke 1967 auch als Professor für Kunst eine Position an der Cooper Union an, die er für 35 Jahre bis 2002 innehatte. Die Cooper Union for the Advancement of Science and Art oder kurz Cooper Union wurde 1859 von Peter Cooper als privates College gegründet, das nach einem radikal neuen Bildungsmodell (für die USA) funktionieren sollte: „offen und frei für alle”. Die Schule sollte für alle, die sich qualifiziert haben, zugänglich sein – ganz unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Reichtum oder Status. Ein Modell, das die Schule mit ein paar Ausnahmen seit ihrer Gründung so beibehalten hat. Hans Haacke auf diesen Lehrstuhl zu berufen, scheint wie die Faust aufs Auge zu passen – eine perfekte Verbindung, die stimmiger kaum sein könnte.
Mit nur einer begrenzten Anzahl an Studienplätzen war die Konkurrenz an der Cooper Union jedoch von Anfang an groß: der Fotograf und Konzeptkünstler Kevin Clarke, der 1973 bis 1976 bei Haacke studierte, erinnert sich, dass „die Cooper Union als eine Eliteschule galt und die Studierenden als besonders herausragend. Jeder bekam ein Vollstipendium, ein absolutes Novum in den USA. Das hat schnell Rivalitäten erzeugt.”
Für ihn hatte Haacke „einen eher legeren Unterrichtsstil, der auf seinem Wissen rund um zeitgenössische Kunst mit einem Fokus auf Konzeptkunst sowie der Verschränkung von Kunst und sozialer Verantwortung basierte. Andere Professoren für Bildhauerei waren eher an Minimalismus oder romantischen und spirituellen Ideen als an Kunstgeschichte interessiert. Hans hat da definitiv eine eher strikte, sehr deutsche Philosophie vertreten. Deutsche Kunst in den 70er-Jahren unterschied sich stark von, sagen wir, Frankreich, Italien oder eben der New York oder Chicago School of Arts […] In New York City lasen die Kunststudierenden stattdessen „The Fox”, „October”, Wittgenstein, Levi-Strauss und strukturelle Linguisten, alles beeinflusst von Professor Haacke.”
Lorem Ipsum
ART CLUB2000 erzählt, dass Hans „ein großartiger Lehrer war! […] Er hat uns durch seine Art, unser Denken im Studium anzuleiten, institutionelle Kritik nähergebracht. Und wir haben auch viel dadurch gelernt, dass wir uns seine Arbeiten jener Zeit ansehen konnten. Einer der Ausstellungsflyer, die er an der Schule aufgehängt hat, führte vielleicht sogar zu der Performance „May I Help You” von Andrea Fraser in der American Fine Arts, Co. Galerie – ein entscheidender Moment für uns alle, der stark geprägt hat, wie wir über Kunst denken. ART CLUB2000 hätte ohne Hans also vielleicht gar nicht existiert.” Nicht nur brachte er neue, alternative Denker*innen und Künstler*innen in seine Klasse wie Mark Dion, Lorna Simpson, Dorothea Rockbourne und Fred Wilson, „Haacke gab auch nach dem zweiten Jahr keine fertigen Forschungsideen mehr vor, was seine Studierenden dazu zwang, ihre eigene Stimme als einen wichtigen, ja kritischen Teil im Kreativprozess zu finden,” ergänzt das Kollektiv. „Haacke hat uns nicht nur technische Fähigkeiten und künstlerische Methoden gelehrt, sondern in uns allen auch ein tiefes Bewusstsein für soziale Verantwortung, kritisches Denken und den Mut, den Status Quo in Frage zu stellen, verankert.” Sie beschreiben ihn als jemanden mit einer „großen Präsenz, der gleichzeitig ruhig und bedacht war. „Er fuhr normalerweise auf einem alten Cityfahrrad zur Schule. Wir sahen ihn oft durch die Lower East Side radeln.”
Das könnte Sie auch interessieren
Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt.
Lorem ipsum dolor sit
- Kontext
Zwischen Zensur, Zuspruch und Einfluss: Hans Haacke in New York
- Podcasts
Feedback Feminism. Body Reclaimed
- Interviews
About Time. Mit Marie-Theres Deutsch
- Kontext
These boots are made for walking: Schuhe in der Kunst
- Tipp
Hamlet Lavastida und die Sprache der Propaganda
- Kontext
Durch einen Kubus Natur neu sehen
- What's cooking?
Vom Atelier an den Esstisch: Was für ein Fest!
- Video Art
Die junge Filmemacherin Saodat Ismailova über das Schicksal usbekischer Frauen