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GEGENWEHR ZWECKLOS

16.11.2011

4 min Lesezeit

Am 22. November 2011 um 19 Uhr führt Dr. Harald Falckenberg durch die Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“. Wir stellen den bedeutenden Sammler und Freund von Erró im SCHIRN MAG vor.

Harald Falckenberg ist Jurist und Unternehmer; er sammelt aber auch entschlossen und von persönlich-ästhetischen Vorlieben geprägt Arbeiten von Künstlern und Künstlerinnen der nationalen und internationalen Szene. Obwohl Falckenberg verhältnismäßig spät mit dem Sammeln begann, umfasst seine Sammlung heute etwa 2.000 Werke moderner und zeitgenössischer Kunst und ist eine der bedeutendsten in Deutschland. Ihr Schwerpunkt liegt auf deutscher und amerikanischer Gegenwartskunst der letzten 30 Jahre, wobei Falckenbergs Passion für ironische, humorvolle, subversive und gesellschaftskritische Kunst deutlich sichtbar wird. Als Falckenberg das erste Mal ein Werk Errós betrachtete, brachte es ihn zum Schmunzeln. Heute befinden sich neun Arbeiten des Isländers in seiner Sammlung, da sie „Pop, Politik und Humor in eigenwilliger Art miteinander verbinden“, so Falckenberg.

In Falckenbergs Kulturstiftung Phoenix Art verstauben die Kunstwerke erfreulicherweise nicht in privaten Depots. Die großzügigen Räumlichkeiten in Hamburg-Harburg bieten fünf Etagen mit etwa 6200 m² Ausstellungsfläche, die nicht nur der Präsentation der Sammlung dienen, sondern auch Schauplatz wechselnder Gruppen- und Einzelausstellungen sind. Dabei gelingt es Falkenberg, das einmal Ausgewählte immer wieder neu zu präsentieren, abwechslungsreich gegenüberzustellen und überraschende Zusammenhänge zwischen verschiedenen künstlerischen Positionen herzustellen. Neben seinem kuratorischen Geschick beweist er auch verlegerisches Engagement im kunsttheoretischen Bereich, bezieht zu kulturpolitischen Fragen Stellung und bringt sich in kunstsoziologische Diskussionen ein. Wie viele der Werke seiner Sammlung lässt auch Falckenberg immer wieder Humor erkennen: er schreibt mit Esprit über Kunst, er hält Vorträge, die zum Schmunzeln anregen und übernimmt Führungen in Kunstinstitutionen, auf die man sich freuen kann.

Film zur Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“ mit Statement von Harald Falckenberg

SCHIRN MAGAZIN: Herr Falckenberg, wann sind Sie zum ersten Mal mit Erró in Berührungen gekommen? Und wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Erró beschreiben?

Harald Falckenberg: Ich traf Erró zum ersten Mal 2002 anlässlich der Vorbereitung einer Gruppenausstellung, die in Hamburg zusammen mit Jean-Jaques Lebel, Öyvind Fahlström und Arthur Köpcke stattfinden sollte. Es war gar nicht einfach, mit Erró in Verbindung zu treten. Nur wenige kennen seine Kontaktdaten, und wenn Erró bei seiner Arbeit ist, lässt er sich durch nichts und niemanden stören. Umso überraschender der Eindrück, als ich ihn dann schließlich doch in Paris traf. Hochgewachsen, offen und freundlich. Und was mir besonders auffiel, war die Gelassenheit, die von Erró ausging. Ich wurde förmlich in eine Aura der Ruhe hineingezogen, Gegenwehr zwecklos. Nach dem Atelierbesuch gingen wir zum Essen in ein nahe gelegenes Restaurant und fuhren danach zur FIAC. Und wieder einmal verblüffte Erró. Er lud mich mit großer Selbstverständlichkeit zum Essen ein und übernahm sämtliche, gar nicht so geringe Taxikosten. So etwas hatte ich bei einem Künstler noch nie erlebt und habe es bis heute auch nicht wieder erlebt. Er ist einer meiner ganz wenigen Künstlerfreunde. Ich kenne keinen großzügigeren Menschen.

SM: Sie führen durch die Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“. Können Sie schon verraten, auf was Sie den Fokus Ihrer Expertenführung legen?

HF: Der Fokus liegt auf Errós „isländischem“ Ansatz. Zum tieferen Verständnis lohnt es sich, in die Geschichte Islands einzusteigen, denn Errós Werk mit seinen vielfachen Bezügen auf die Mythologien und die Ornamenttechnik der skandinavischen Volkskunst lässt sich nur verstehen, wenn man diese Geschichte kennt. Es hat vielfache kunsthistorische Versuche der Einordnung als europäische Pop Art, narrative Figuration nordischen Barocks, moderne Ornamentik und einiges mehr gegeben. Aber dem unverwechselbaren Charakter und Eigensinn der Kunst Errós werden diese am Stil orientierten Erklärungsversuche kaum gerecht. Ich möchte den Schlüssel zum besseren Verständnis der Arbeit Errós in seiner Person, seiner Herkunft und der Einbindung in die einzigartige Kultur Islands suchen.

SM: Was ist das Spezielle an Errós Kunst im isländischen Kunstkontext?

HF: Er ist Künstler durch und durch und vor allem ein harter Arbeiter. Wie kaum jemand sonst hat er seit Mitte der 1950er-Jahre bis heute die kulturellen Entwicklungen der Nachkriegskunst begleitet. Erró hat ein fürwahr akribisches Gesamtwerk als Selbstbehauptung und Identitätsstiftung abgeliefert. Ich verstehe Erró als modernen Skalden, der das ewige Lied von Gut und Böse und Ehre und Verrat singt. Es sind die Loblieder auf die Vergangenheit und die Beschwörung einer Gegenreform zur Überwindung der durch Merkantilismus und protestantische Nüchternheit geprägten dänischen Kultur.