Francesco Clemente, geboren 1952 in Neapel, ist für seine außergewöhnliche Bildsprache bekannt, die aus einer Vielzahl von zeitlosen Symbolen, Mythen, Kulturen und Philosophien schöpft. Sein Œuvre kreist um die großen Fragen des menschlichen Individuums. Clemente verbringt sein bewegtes künstlerisches Leben zwischen Italien, New York und Indien. In der ersten umfassenden Einzelausstellung in Deutschland seit mehr als 25 Jahren werden in der SCHIRN Kunsthalle rund 40 Werke aus den Jahren 1978 bis 2011 zu sehen sein. Das Spektrum reicht von frühen Arbeiten auf Papier über großformatige Gemälde bis zu den spektakulären monumentalen Aquarellen neueren Datums. Die Ausstellung beleuchtet erstmals die Bedeutung des Palimpsest-Verfahrens in Clementes Werk. Die historische Technik der teilweisen Tilgung, Ausradierung und Überlagerung von Schreibflächen unter Beibehaltung von Spuren früherer Schichten wird zum Schlüssel für den umfangreichen Bildkosmos des Künstlers.
Clementes in verschiedensten Medien wie Pastell, Fresko, Öl, Gouache und Aquarell entstandene Arbeiten verweben traditionelle Porträtmalerei und Erzählformen mit persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen. Formen und Motive tauchen auf, treten wieder in den Hintergrund und lassen so Werke entstehen, die sich in mehreren Schichten entfalten. Diese Ästhetik zeigt große Ähnlichkeit mit der Technik des Palimpsestierens, mit der in der Antike und im Mittelalter Manuskriptrollen durch Kratzen, Radieren oder Waschen gereinigt und neu beschriftet wurden, wobei oft Spuren der Originaltexte unter den neuen Schichten erhalten blieben. Clemente greift dieses künstlerische Verfahren auf, indem er Zeichen, Embleme und Symbole aus ihren kunsthistorischen Kontexten löst und spielerisch in neue Sinnzusammenhänge überträgt. Die Fülle von Verweisen, ihre gegenseitige Auslöschung und Überlagerung stehen sinnbildlich für sein gesamtes Werk, das sich immer wieder über- und fortschreibt.
Die Ausstellung „Francesco Clemente. Palimpsest“ in der SCHIRN Kunsthalle geht Clementes Vorgangsweise der Überlagerung und Verwandlung in drei Ausstellungsbereichen nach. Der erste Abschnitt ist drei großformatigen Aquarellen gewidmet, jedes über achtzehn Meter breit und 1,85 Meter hoch. In den Erzählungen von „A History of the Heart in Three Rainbows“ ist das Herz die Hauptfigur. Es bewegt sich aus der Isolation in die Fragmentierung, in die Verstrickung und schließlich in die Freiheit und Verwandlung.
Für den zweiten Ausstellungsraum hat der Künstler eine Reihe großformatiger, semiabstrakter fotografischer Flächen geschaffen. Diese direkt auf die Innenwände der SCHIRN-Rotunde applizierten „Papierbahnen“ enthalten Fragmente von Korrespondenzen, Objekten, Arbeiten und Schnappschüssen seines Ateliers am Broadway und versinnbildlichen so den poetisch und kulturell eklektischen Zusammenhang, aus dem Clementes Kunst sich immer neu generiert.
Im dritten und letzten Ausstellungsraum stößt der Besucher auf rund vierundzwanzig mehr oder weniger chronologisch angeordnete Schlüsselwerke Clementes aus den Jahren 1978 bis 2011, die sich in der Art eines gemalten Palimpsests entfalten. Sie zeugen von Clementes Talent im Verhüllen und Enthüllen von Motiven und Symbolen, aus dem eine Kunst entsteht, die gewissermaßen als Palimpsest eines kollektiven und individuellen Bewusstseins überlebt..
Francesco Clemente wird zur Eröffnung der Ausstellung am Dienstag, den 7. Juni 2011, um 19 Uhr anwesend sein. Am Mittwoch, den 8. Juni 2011 findet um 19 Uhr in der Ausstellung ein öffentliches Künstlergespräch mit Francesco Clemente, Kuratorin Dr. Pamela Kort und Max Hollein, Direktor der SCHIRN Kunsthalle, statt.
Homepage des Künstlers: www.francescoclemente.net.