Im Rahmen der Ausstellung „Courbet. Ein Traum von der Moderne“ sprachen der Maler Neo Rauch, führender Vertreter der Neuen Leipziger Schule und der deutschen Gegenwartsmalerei, und Professor Dr. Klaus Herding, Kurator der Ausstellung, über die Bedeutung Gustave Courbets für die zeitgenössische Kunst. Seit dem 19. Jahrhundert werden Courbets gewagte Maltechnik, seine collageartigen Gruppendarstellungen und die von ihm betriebene Auflösung des Gegenstands in Farbe und Form von Künstlern bewundert. So gehörten Marcel Duchamp und Giorgio de Chirico zu seinen glühendsten Verehrern.
Bis heute ist die „Faszination Courbet“ nicht abgebrochen. Neben Gerhard Richter, den Courbets gewagte Übereinanderlagerungen von Farbe zu seinem Gemälde „Abstrakes Bild, Courbet“ inspirierten, oder Peter Doig, dessen Landschaften in ihren ungewöhnlichen Farbkombinationen und Blickwinkeln an die verwunschenen Landschaften des französischen Malers erinnern, kann auch Neo Rauch in engem Zusammenhang mit Courbet gesehen werden. Rauchs 3 x 5 Meter großes Gemälde „Kalimuna“ (2010), in dem insgesamt fünfzehn Personen in zehn unterschiedlichen Vorgängen zu sehen sind, verweist auf „Die Rückkehr der Bauern vom Markt“ (1850-55). Die collageartige Zusammensetzung und die Aufhebung des kommunikativen Zusammenschlusses der Gruppe bilden das Vorbild für Rauchs „Fragebild“. Beide Künstler verbindet insbesondere die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
NEO RAUCH
1960 in Leipzig geboren, studierte Rauch in den 1980er-Jahren an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Professor Arno Rink, wo er bis 2009 dessen Nachfolger als Professor für Malerei und Grafik war und heute als Honorarprofessor tätig ist. Rauch gilt als einer der international erfolgreichsten deutschen Maler und Wegbereiter der Neuen Leipziger Schule. Seit den 1990er-Jahren stellt er weltweit aus. Seine Werke befinden sich in bedeutenden nationalen und internationalen Sammlungen. Als erstem deutschen Künstler seiner Generation widmete ihm das Metropolitan Museum of Art in New York 2007 eine monografische Ausstellung. Anlässlich seines 50. Geburtstages 2010 zeigten das Museum der bildenden Künste in Leipzig und die Pinakothek der Moderne in München eine zweiteilige Retrospektive Neo Rauchs.
PROF. KLAUS HERDING
Herding lehrte von 1993 bis zu seiner Emeritierung im Wintersemester 2004/5 Europäische Kunstgeschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Gastprofessuren führten ihn unter anderem nach Bordeaux, Lyon, Marburg, New York, Paris und Zürich. Er war Visiting Scholar am Getty Center for the Humanities and the History of Art in Santa Monica und Research Fellow der Carl Friedrich v. Siemens-Stiftung, München. 1968 wurde er mit einer Arbeit über Pierre Puget, den Bildhauer Ludwigs XIV., promoviert und habilitierte sich 1977 über Diogenes als Symbolfigur der Aufklärung. Herding hat rund 250 Publikationen zur Kunsttheorie sowie zur Skulptur, Malerei und Graphik der Neuzeit, zur Revolutions- und Industriegeschichte, zur Karikatur und zur Geschichte der Emotionen veröffentlicht.
ERDUARD BEAUCAMP
1937 in Aachen geboren, studierte Beaucamp nach einer Buchverlagslehre in Köln deutsche Literaturgeschichte, Kunstgeschichte und Philosophie in Freiburg, München und Bonn. 1966 folgte in Bonn die Promotion bei Benno von Wiese mit einer Studie über Wilhelm Raabe, die 1968 unter dem Titel „Literatur als Selbstdarstellung. Wilhelm Raabe und die Möglichkeiten eines deutschen Realismus“ erschien. 1966 bis 2002 war Beaucamp Feuilleton-Redakteur und Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seine Artikel gelten als maßgeblich für die Entdeckung der Leipziger Schule in Westdeutschland. Er veröffentlichte unter anderem die Bücher „Das Dilemma der Avantgarde“ (1976), „Die befragte Kunst“ (1988), „Der verstrickte Künstler“ (1998) und „Werner Tübke. Meisterblätter“ (2004).