Kruger ist eine der einflussreichsten Konzeptkünstlerinnen unserer Zeit. 2005 wurde sie auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk geehrt. In Frankfurt stellt sie zum dritten Mal aus – erstmals 1989 für den Frankfurter Kunstverein, zuletzt 2002 in der SCHIRN-Ausstellung „Shopping. 100 Jahre Kunst und Konsum“, wobei sie die Fassade des Kaufhofs in eine gigantische Konsumkritik verwandelte. „Es war ein lang gehegter Wunsch, diese neue Arbeit mit ihr zu realisieren“, sagt Direktor Max Hollein – und direkt an Barbara Kruger gerichtet: „It will challenge the spectators who pass through the rotunda (Es wird die Zuschauer, die durch die Rotunde schreiten, herausfordern).“
„Ihre Kunst ist laut, aber Kruger als Person ist relativ leise“. Mit diesen Worten beschreibt Hollein die Künstlerin, die sich an diesem Abend nicht selbst in Szene setzt, sondern die Kunst für sich sprechen lässt. Mit ihrer neuen Arbeit nimmt sie eine visuelle Neuordnung des Raums vor. Die Rotunde der SCHIRN, ein neuralgischer Punkt, den Passanten zwischen Dom und Römer durchschreiten, wird zu einem Ort der Konzentration – ein wunderbarer Kontrast zur Atmosphäre des Weihnachtsmarkts, wie Hollein findet.
Kruger spielt – wie auch schon in früheren Kunstwerken – mit dem Gestus der Autorität. Ihre Arbeiten sind auffordernd, direkt und suggestiv. Sie weist deutlich auf die Gefahren von Bequemlichkeiten hin. Indem sie sich des Imperativs bedient, fördert sie Zweifel, Kritik und Reflexivität. Dabei hat sie immer die Menschen im Blick. „Ihr gesamtes Kunstwerk ist eine Untersuchung und Beobachtung des individuellen Daseins“, so Hollein.
KURATORIN FÜHRT DURCH DAS WERK
Nach der Einführung durch Max Hollein stellt Kuratorin Ingrid Pfeiffer das Werk Barbara Krugers vor – von den Anfängen in den frühen 1970er-Jahren bis heute. „Dabei macht uns Barbara Kruger Dinge bewusst, die wir vielleicht gar nicht wissen wollen“, sagt Pfeiffer.
Schwarz, weiß und rot sind Krugers Farben. Diese Reduktion, die die russischen Konstruktivisten für sich entdeckten, die später von Propaganda-Apparaten unter Stalin und Hitler eingesetzt wurden, die auch die Werbeindustrie verwendet hat, hat sich Kruger in subversiver Weise zu Eigen gemacht.
Kruger war in den 1960er-Jahren als Designerin von Hochglanzmagazinen erfolgreich. In den 1970ern beginnt ihre künstlerische Beschäftigung mit den Themen Macht, Konsum, Sexualität und Gesellschaft. Sie verfasst Gedichte, wird Teil der New Yorker Poesie-Szene. Ihre frühen Buchgestaltungen zeigen neben einer sozialkritischen Haltung schon eine „Klarheit und Eindeutigkeit im Stil“, sagt Pfeiffer. Bald entwickelt sie die für ihre Kunst prägende Form, apodiktische und anklagende Texte nebst gefundenes Bildmaterial zu setzen. Anfang der 1980er-Jahre wird das Manipulieren und Hinterfragen von Bilder durch vergleichendes Textmaterial zum Charakteristikum ihrer Kunst – etwa in ihrer berühmten Arbeit „I SHOP THEREFORE I AM“. Bald darauf erweitert Kruger die Reichweite ihrer Kunst durch Interventionen im Außenraum, kuratiert eine Ausstellung im MoMA und gestaltet Zeitschriftentitel.
Seit 15 Jahren beschäftigt sich Kruger vermehrt mit dem Medium Video. Ein Beispiel: Die Videoinstallation „Twelve“ aus dem Jahr 2004 zeigt eine scheinbar alltägliche Unterhaltung, die mit Untertiteln versetzt ist, wobei die Subtexte der Banalität der Gespräche existenzielle Ängste entgegensetzen. „Diese Brechung, die über die offensichtliche Diskrepanz zwischen gesprochenem Wort und verborgenem Gedanken hinausgeht, verweist auch auf die Klischeehaftigkeit vermeintlicher ‚Wahrheiten‘. Ihre Arbeiten durchbrechen solche Stereotype und stören die Erwartungshaltung der Betrachter“, so Pfeiffer.
Im Anschluss konnten sich die Besucher selbst ein Bild machen – in Winterjacken und mit heißem Punsch versorgt. FL
Der Eintritt zu „Circus“, bis 30. Januar 2011 zu sehen, ist frei.
Einblick: Barbara Kruger beklebt die SCHIRN
Kontext: Barbara Kruger – Circus