Gründer der Frankfurt Art Experience Tyrown Vincent: „Du kommst nicht auf gute Ideen, wenn du schlecht wohnst.“
25.02.2025
6 min Lesezeit
Neben seinem festen Job bei Porsche betreibt Tyrown Vincent eine Agentur, mit der er Shows für Modelabels produziert. Außerdem gründete er die Frankfurt Art Experience und sammelt Kunst. Seine Wohnung öffnet er hin und wieder für kunstinteressierte Gruppen.
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Tyrown Vincent sammelt Kunst, auch wenn er sich nur ungern als Kunstsammler bezeichnet, weil der Begriff so hochtrabend klingt. „Ich bin einfach jemand, der sich gerne mit schönen Dingen umgibt“, sagt er. „Du kommst nicht auf gute Ideen, wenn du schlecht wohnst.“ Dazu passt dann auch, dass er uns erst einmal mit in den Blumenladen am Dom um die Ecke nimmt, bevor er uns auf gepunkteten Socken durch seine Dreizimmerwohnung voller Kunst führt. Neben einem kleinen Strauß Levkojen kauft er zwei langstielige Königs-Strelitzien, die auch als Paradiesvogelblumen bekannt sind. „Mit hochsitzenden Blättern bitte, damit sie gut in die Bodenvase passen.“
Zuhause angekommen, versorgt Vincent die Blumen mit Wasser und uns mit Tee. Auf dem Wohnzimmertisch steht eine Schale mit Nussecken. Im Hintergrund läuft entspannte Musik. Allen Menschen Zugang zur Kunst ermöglichen: Das gehe besonders gut in einer Wohnung, eben weil sie ein ganz alltäglicher Ort ist, findet Vincent. Er versteht sich als Brückenbauer – nicht nur zur Kunst. „Man verliert Vorurteile und rückt als Gesellschaft näher zusammen, wenn man weiß, wie jemand anderes wohnt“, sagt er. „Das finde ich prima.“ Hin und wieder öffnet er seine Wohnung für Besucher*innengruppen – zum Beispiel anlässlich der „Frankfurt Art Experience“, die Vincent selbst ins Leben gerufen hat. Als Rahmenprogramm begleitet die Reihe den Saisonstart der Galerien. Nächsten September ist es wieder soweit.

Zwischen altmeisterlichen Grafiken und Siebdrucken von Thomas Bayrle
Ehrfürchtiges Staunen kontert Vincent mit sympathischer Bodenständigkeit. Er lebe nicht in einem Museum, sondern in einer ganz normalen Wohnung, betont er – und lenkt dabei unsere Aufmerksamkeit auf vermeintlich Unperfektes – etwa die Farbnasen auf der Glasfasertapete im Flur, die er selbst gestrichen hat. „Die meisten meiner Freund*innen lästern darüber.“ Wir aber haben nur Augen für die Kunst: An den Wänden im Flur reihen sich Drucke von Albrecht Dürer und andere altmeisterliche Grafiken aneinander. Für bunte Farbtupfer sorgen Collagen der Städelschülerin Martina Kügler. Im Arbeitszimmer gibt es Fotokunst von Herbert List, Martin Munkácsi und Will McBride zu entdecken. Hingucker im Wohnzimmer ist ein knallfarbiges Relief des mit dem Bauhaus assoziierten Künstlers Rudolf Nicolai. Direkt daneben hängen zwei Siebdrucke von Thomas Bayrle. Der eine zeigt einen VW-Käfer. Der andere ist ein Porträt seiner Mutter.
Hier und da stehen handgeschnitzte Holzskulpturen aus Afrika. „Man mag es für naheliegend halten, dass jemand, der Schwarz ist, Kunst aus Afrika sammelt“, sagt Vincent. „Mir geht es bei den Skulpturen aber nicht um ihre Herkunft. Ich mag die Sinnlichkeit, den Geruch des Materials.“ Rund 1200 Objekte gehören zur Sammlung. Etwa ein Zehntel ist in der Wohnung untergebracht, der größte Teil lagert in einem Depot. „Kunst sammelt man am besten mit dem Auge und nicht mit dem Ohr“, sagt er. Soll heißen: „Man soll sich nicht einflüstern lassen, was gerade angesagt ist oder als Kapitalanlage taugt, sondern seinem Herzen folgen.“ 2022 widmete der Mannheimer Kunstverein Vincents Sammlung eine Ausstellung. „Du schreist nicht sofort ‚Juhu‘, wenn so eine Anfrage kommt.“, bekennt er. „Ich habe mich erst einmal gefragt, ob meine Sammlung wirklich stark genug ist.“ Seine Bedenken waren unbegründet. Einzelne Werke aus Vincents Besitz werden immer mal wieder in Ausstellungen gezeigt




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Hauptberuflich ist Tyrown Vincent Customer-Experience-Manager bei Porsche. Die längste Zeit seines Lebens war er selbständig. „Corona hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt er. Beruflich musste er sich völlig neu erfinden, weil Aufträge wegbrachen. „Das war richtig hart.“ Seine Agentur Front Row Agency, mit der er Event-Shows für namhafte Fashion-Labels produziert, betreibt Vincent inzwischen nur noch nebenher, in seiner Freizeit. Vergangenes Jahr hat er in Wien zehn Shows für das Luxus-Label Cartier produziert. „Das war für mich ein Ritterschlag.“ Hin und wieder steht er auch für den Shoppingkanal QVC vor der Kamera und präsentiert Schuhe, Schmuck oder Mode. „Ich habe denselben Struggle wie alle anderen auch.“, sagt er. „Oft stehe ich vor der Frage: Fahre ich in den Urlaub oder kaufe ich mir ein Bild? Wenn ich beides will, muss ich Extrajobs annehmen.“

Kunst ist mehr als nur ein Statussymbol
Eigentlich wollte Vincent Gärtner werden, das hat er uns bereits vorhin im Blumenladen verraten, wo der nicht nur mit der Verkäuferin per Du war, sondern auch alle Pflanzen mit Namen kannte. Weil sein Vater dagegen war, machte er eine Ausbildung als Chemiefacharbeiter bei Merck in Darmstadt. Lange gearbeitet hat er in diesem Beruf aber nicht. Mit 17 ging er als Model nach Paris, lief für Designer wie Karl Lagerfeld, Jean Paul Gaultier oder Yves Saint Laurent. Später zog er nach New York und reiste als Tourmanager mit Musical-Produktionen umher. Zurück in Frankfurt arbeitete er im Nachtleben, wurde Entertainment-Direktor im L.O.F.T. House und Türsteher im Club Monza. „Ich hatte für mein Leben nie einen Masterplan“, sagt Vincent entwaffnend ehrlich. „Ich hatte oft Glück, aber immer auch ein gutes Gespür dafür, wann ich die Ärmel hochkrempeln muss.“
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Von draußen dringen die markanten Glockenschläge des Doms an unser Ohr. Tyrown Vincent rückt sich für ein Foto auf dem Sofa zurecht. „Ich will auf keinen Fall in so eine herrschaftliche Pose hineinrutschen.“, sagt er. „Solche Codes will ich mir nicht aneignen.“ Nichts liegt ihm ferner, als den elitären Sammler zu geben, der stolz inmitten seiner Sammlung sitzt. „Ich bin ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Meine Mutter war Krankenschwester, mein Vater KFZ-Mechaniker.“ Er will das Vorurteil entkräften, dass Kunstwerke bloß Statussymbole einer reichen Elite sind.

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