Bald in der SCHIRN: Troika. Buenavista
20.02.2025
6 min Lesezeit
Was ist eine „schöne Aussicht“ für eine künstliche Intelligenz? Die SCHIRN präsentiert vom 7. März – 21. April 2025 eine immersive, ortsspezifische Installation des Künstler*innenkollektivs Troika.
Lorem Ipsum
Ihre Werke überschreiten disziplinäre Grenzen und untersuchen die Trennlinien zwischen Natur und Künstlichkeit, Realem und Romantischem, Lebendigem und Nichtlebendigem. Die Künstler*innengruppe Troika ergründet, wie neue Technologien die Beziehung des Menschen zur Welt beeinflussen. Seit 2003 arbeitet das Kollektiv, bestehend aus Eva Rucki, Conny Freyer und Sebastien Noel, mit Skulptur, Film, Installation und Malerei. Für die SCHIRN entwickelte Troika eine ortsspezifische immersive Installation, die neue und bestehende Arbeiten kombiniert und um verschiedene Arten von Intelligenz kreist. Sie untersucht die Verortung des Menschen in einer Welt, in der neben der humanen auch tierische, pflanzliche und künstliche Intelligenz existieren. Das Kollektiv reflektiert über weltliche und außerweltliche Landschaften sowie über die Transformation der Natur im 21. Jahrhundert durch den technologischen Fortschritt.
Wie filtert Technologie die Wahrnehmung von Natur? Welche Lebensformen werden sich in solchen vermittelten Landschaften etablieren? Die Ausstellung beschwört die Umweltvorstellung einer alternativen Intelligenz herauf, deren Träume von menschlichen Erinnerungen und Fantasien geprägt sind. Spektakuläre Naturszenen flimmern über Bildschirme: palmengesäumte Strände, türkisfarbene Schmelzwasserseen, sich kräuselnde Sanddünen unter sternenklarem Himmel. Wälder werden von Kameras in Baumkronen überwacht, Klimamodelle sagen langfristige Veränderungen in der Biosphäre voraus. In einer Gesellschaft, die übersättigt ist von digitalen Bildern, Beschreibungen und Simulationen, präsentieren Troikas Arbeiten eine Vision der Umweltsehnsucht, die über die menschliche Verkörperung hinausgeht.
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Ein Nachdenken über nichtmenschliche Bewusstseinsformen
Während die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz rasch voranschreiten, geraten die Vorstellungen von menschlicher Intelligenz und Handlungsfähigkeit ins Wanken. An die Stelle objektiver und leicht quantifizierbarer menschlicher Eigenschaften treten Andeutungen nichtmenschlicher Formen des Bewusstseins, der Koordination und der Intention. Was wäre, wenn Pflanzen zielgerichtet und altruistisch handelten oder ähnlich wie Tiere einen Sinn für Verwandtschaft zeigten? Was wäre, wenn sich die technologischen Fortschritte in Robotik und Computertechnik von den Geboten der Effizienz, Geschwindigkeit und Optimierung, auf die sie programmiert wurden, entfernten? Könnten aufkommende Intelligenzen die ausbeuterischen Tendenzen, die die gegenwärtige Umweltkrise vorantreiben, verstärken oder sich ihnen, im Gegenteil, widersetzen?
Dehlia Hannah, Kuratorin der Ausstellung, führt aus:
„Früher musste man in der Morgendämmerung aufstehen oder einen Berg besteigen und in die Welt eintauchen, um eine ‚schöne Aussicht‘ zu genießen. Heute werden solche Bilder in einem ständigen Strom von Verlockungen in unsere Telefone und Computer gespeist. Von der Werbung für den Tourismus bis hin zu Berichten über Umweltkatastrophen blättern wir durch die Extreme unseres Planeten. Haben sich die Fantasielandschaften jemals so nah angefühlt – oder so weit weg? Wenn Subjektivität in Beziehung zu unserer Umwelt geformt wird, wer werden wir dann sein? Das Künstler*innenkollektiv Troika geht diesen Fragen in einer neuen immersiven Installation nach, die es uns ermöglicht, die sich verschiebenden Grenzen in der Gegenwart wahrzunehmen und eine übermenschliche Welt mit allen Sinnen zu erfahren.“
Die Ausstellung vereint neue und bestehende Arbeiten von Troika zu einem immersiven Erlebnis. Sie ist durchzogen von dem sich verändernden Lichtspektrum der Arbeit „Ultra Red, Evergreen, Ocean Blue“ (2024). Das halbrunde, nach Süden ausgerichtete Fenster des Ausstellungsraums ist in drei monochromatische Zonen aus Rot, Grün und Blau unterteilt – wie eine Makroversion der für digitale Bilder typischen Farbfilteranordnung.
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Eine alternative Intelligenz in sich verändernden Landschaften
Im Raum zeigt die SCHIRN eine installative Landschaft, in deren Mittelpunkt zwei neu entwickelte Arbeiten stehen: „Buenavista“ (2025), ein computeranimierter Film, der der Ausstellung ihren Titel gibt, sowie die mehrkanalige Soundinstallation „I Am a River“ (2025). Die großformatige Videoarbeit zeigt eine sich fortlaufend verändernde Panoramalandschaft, im Vordergrund eine geheimnisvolle Gestalt mit langen braunen Haaren. Diese ist eine wiederkehrende Protagonistin in Troikas Œuvre, eine alternative Intelligenz in Gestalt eines Kuka-Industrieroboters. Die Figur reckt sich in die Höhe und wirbelt wild umher, während eine Flut von Bildern über den Bildschirm flimmert und die Landschaft in eine sich schnell verändernde Collage aus Sand, Eis, Bäumen und geologischen Formationen verwandelt. „Buenavista“ ist eine Parodie auf die manische Zerstreutheit des Scrollens und Klickens durch unzusammenhängende Elemente auf der Suche nach der „schönen Aussicht“ und hält der menschlichen Sehnsucht nach Natur einen Spiegel vor.
Die kreisenden Bewegungen der pelzigen Roboterfigur, die eine choreografische Übereinstimmung mit der sie umgebenden Welt anstrebt, werden von der Klanginstallation „I Am a River“ begleitet. Die poetische Anrufung, die vom Sufi-Mystiker Rumi aus dem 13. Jahrhundert inspiriert ist, erinnert an die meditativen Praktiken des Wirbelns oder Kreisens von Sufi-Derwischen. Die schwindelerregende Transformation der Landschaft findet ihr Echo in der akustischen des Textes, der auf unterschiedlichen Frequenzen zwischen Verständlichkeit und Unverständlichkeit changiert.
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„Haben sich die Fantasielandschaften jemals so nah angefühlt – oder so weit weg?“
Dehlia Hannah
Lorem Ipsum
Teil der umgebenden Landschaft ist „Anima Atman“ (2024). Disteln bewegen sich wie in Zeitlupe und mit einer unnatürlichen Lebendigkeit. Die Arbeit spielt mit der menschlichen Wahrnehmung von flackerndem LED-Licht, um unsere kognitive Voreingenommenheit und letztlich die Fähigkeit, nichtmenschliches Handeln zu erkennen, herauszufordern.
Drei Gemälde der Serie „Irma Watched Over by Machines“ (2023) zeigen die Zerstörungen durch den Hurrikan Irma, der 2017 die Karibik heimsuchte. Sie wurden von Umweltüberwachungssystemen im RAW-Format (digitale Negative) aufgenommen. Die Serie ist inspiriert von Richard Brautigans techno-utopischem Gedicht „All Watched Over by Machines of Loving Grace“ (1967). Heruntergebrochen auf farbcodierte Pixel und gemalt in einer begrenzten Palette von je sechzehn Rot-, Grün- und Blautönen, reflektieren die Szenen der Naturkatastrophe den gleichgültigen Blick der Kamera. Sobald diese Bilder auf das menschliche Sensorium treffen, werfen sie Fragen nach Zeugenschaft, Kausalität und Verantwortung auf.
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