An einer Institution wie der SCHIRN KUNSTHALLE als Kuratorin zu arbeiten, ist in vielfacher Hinsicht ein Privileg, und es muss einem auch liegen. Als ich in der letzten Septemberwoche das Munch Museum in Oslo besucht und mit den Kollegen dort gesprochen habe, sind mir die immensen Vorteile eines rasch wechselnden und mehr als 20 Jahre umfassenden Ausstellungsprogramms wie der SCHIRN wieder richtig bewusst geworden: Nie wird es langweilig, ständig gibt es die Möglichkeit, sich neue Themenfelder, Epochen und Kunstströmungen zu erschließen – und, was noch besser ist, sie selbst zu wählen!
Kaum etwas ist befriedigender, als in einer großen Ausstellung die eigene Idee zu realisieren, ohne den Zwang, nur mit einer eigenen, manchmal thematisch beschränkten Sammlung arbeiten zu müssen.
Ganz extrem anders wäre das bei einem Museum, das nur einem einzigen – wenn auch bedeutenden – Künstler gewidmet ist. Die Sammlungskuratoren dort kennen zwar das Werk und seine Facetten in- und auswendig, doch sie haben kaum Spielräume, wenn es darum geht, nur daraus Ausstellungen rund um „ihren“ Künstler zu generieren.Da ich aber ein eher ungeduldiger und neugieriger Typ bin, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, Jahre und Jahre immer nur um ein Thema oder ein Werk zu kreisen.
ALS "BÜCHERWURM" FÜHLEN
Auch verschiedene und wechselnde Themen wie an der SCHIRN verlangen nicht nur nach mehr Flexibilität und viel Organisation, sondern genauso wie in einem Museum nach intensiver wissenschaftlicher Arbeit. Ich genieße besonders die Wochen im Jahr, in denen ich mich in sämtliche Literatur zum Thema vertiefe, um meinen nächsten Katalogtext zu schreiben und mich zumindest für kurze Zeit wieder als „Bücherwurm„ zu fühlen, so wie früher im Studium!
Interessant ist es auch, zu sehen, wie eigene Themen woanders erneut aufgegriffen werden, und wie sich Künstler, denen man sich nach einer großen Ausstellung weiter verbunden fühlt, weiter entwickeln. Ich empfinde oft eine gewisse Wehmut, wenn man sich nach Jahren doch wieder aus den Augen verliert, obwohl man sich während der Ausstellungsvorbereitung sehr intensiv mit dem Werk des Künstlers auseinandergesetzt hat. Das gilt in meinem Fall auch für Künstler, die nicht mehr leben, aber da gibt es immer entweder die Familie, die Haupt-Galerie oder Nachlassverwalter und Experten, die man intensiv kennen und schätzen gelernt hat.
Zur SCHIRN gehört auch die ständige Planung der Zukunft: Kaum ist ein Katalog geschrieben, und die Ausstellung ist noch nicht einmal aufgebaut und eröffnet – so steht es schon wieder an, sich über ein neues Thema für 2012 Gedanken zu machen, die ersten Reisen für Leihgaben zu planen und den ganzen Prozess wieder einmal ganz von vorne zu beginnen.
So wünscht man sich manchmal, kurz innezuhalten und das spannende aktuelle Thema erst einmal zu verarbeiten, bevor das neue schon wieder auf den Nägeln brennt. Doch das geht wiederum nicht: Die SCHIRN ist eine ständig auf Hochtouren laufende Ausstellungsmaschine, und wir sind es, die sie am Laufen halten müssen und wollen.
AUSSTELLUNGSMASCHINE AUF HOCHTOUREN
20.04.2011
3 min Lesezeit
Recherchieren, Reisen, Projekte realisieren: Kuratorin Ingrid Pfeiffer über den Kontakt zur Kunstszene, das wissenschaftliche Arbeiten und die Planung ihrer neuen Ausstellung.