Im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden zeigen 23 ehemalige und aktuelle Studierende der Zeichenklasse Andrea Büttner der Kunsthochschule Mainz ihre multimedialen Arbeiten.
Das überdimensionale, gräuliche Objekt ist bunt gemustert, als hätte sich bei dessen Gestaltung ein abstrakter Expressionist ausgetobt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass das Objekt aus Malervlies gefertigt ist, einem Stoff, der bei Maler-, Verputz- oder Reinigungsarbeiten ausgelegt wird. Noch ein wenig Zeit braucht es, um dessen Form einzuordnen. Eine Tasche! Und was für eine. Der Künstler William Metin Martin erzählt, das von ihm genähte Objekt sei der berühmten, exklusiven Damenhandtasche „Birkin Bag“ von Hermès nachempfunden. In seinen Werken gehe es immer um Mode.
Martins raumgreifende Malervliestasche ist ein Blickfang in der Ausstellung „Konvergenz (Bergbau), eine Annäherung von Hängendem und Liegendem“ im Nassauischen Kunstverein (NKV) Wiesbaden. Die Schau versammelt 23 ehemalige und aktuelle Studierende der Klasse Andrea Büttner der Kunsthochschule Mainz. Büttner ist dort seit einigen Jahren Professorin für Zeichnung. Der etwas sperrige Ausstellungstitel entstamme der Geologie, so die Pressemitteilung des NKV. Salopp interpretiert, passt der Titel gut zu dieser vielgestaltigen Schau, die Zeichnung und Malerei, Bildhauerei, Fotografie, Video und Performance bietet – also Hängendes genauso wie Liegendes.
Intime Begegnungen der Körper
Es sei „keine thematische Gruppenausstellung“, sagt Elke Gruhn, Vorsitzende und künstlerische Leiterin des Nassauischen Kunstvereins. Vielmehr eine Klassenausstellung, und so treffen denkbar unterschiedliche künstlerische Temperamente auf relativ engem Raum aufeinander. Eher leise und zurückgenommen ist der Prägedruck auf Büttenpapier von Carmen Schaich. Die konstruktivistisch wirkende Form leitet sich vom Grundriss ihres Ateliers ab. Ebenfalls filigran, schon fast flüchtig, muten die Leinwandbilder von Simon Mielke an. Deren Motive speisen sich aus den Zeichenheften, die Mielke beständig füllt. Die Gemälde entstehen in einem langsamen Arbeitsprozess mit teils stark verdünnter Acrylfarbe.
Buchstäblich laut wird es im Kabinett mit der Videoinstallation „Toys in Spaces“ von Bibiana Desteny. Dort kann man es sich auf einer Matratze bequem machen. Drei Filme werden auf die Wände, einander überlappend, projiziert. Dazu läuft ein Elektro-Beat. Desteny lud vier Personen beider Geschlechter und unterschiedlicher sexueller Orientierung ein, Sexspielzeug auszuprobieren und sich näher zu kommen. Die Filme dokumentieren die intimen Begegnungen. Es gehe ihr dabei um den Körper, um Lust und Spiel, nicht um Voyeurismus oder Pornografie, betont die Künstlerin.
Ein starker visueller Sog
Ebenfalls laut, im übertragenen Sinne, ist die großformatige (3x3 Meter!) Kohlezeichnung „Korb“ von Ivana Matic. Die auf Leinenstoff ausgeführte Zeichnung wirkt energiegeladen. Die kräftigen Linien erzeugen einen starken visuellen Sog. Matics Zeichnung teilt sich den Raum mit den feingliedrigen Blättern von Charlotte Klein, die rheinhessische Weinreben gezeichnet hat. Zu den Entdeckungen dieser Schau zählt ein Video von Uta Pfrengle. Es wirkt wie eine bewegte Zeichnung, ein Spiel von Licht und Schatten. Man blickt auf ein Fenstergitter, hinter dem sich wogende Blätter abzeichnen. Eine schlichte, eindrückliche und poetische Arbeit.
Überdies präsentiert Pfrengle schwarz angemalte Keramikobjekte in Form von Gemüse – Kartoffeln, Karotten und Kohlrabi. Sie arbeite manchmal auf den Wochenmarkt, berichtet die Künstlerin, und dabei falle ihr auf, wie sehr die Käufer beim Gemüse auf das Äußere achteten. Keramiken zeigt auch Susanne Schmitt. Ihre Arbeiten sind auf dem Boden an mehreren Stellen im Raum verteilt. Sie changieren zwischen Körper- und Landschaftsformen. Aus den Keramiken treten weitere Formen heraus. Man denkt erst an eine Flüssigkeit und stellt fest, dass es zugeschnittene Teppichfragmente sind.
Stille, passive Bilder
Viel Körper ist in dieser Ausstellung zu sehen, so auch in der Fotoserie von Florian Glaubitz. Dafür unternahm er eine Reise an mehrere Orte, unter anderem zu Keramikwerkstätten in Brandenburg. Das Material Ton in seinen unterschiedlichen Zuständen und die Werkstätten stehen im Mittelpunkt der Fotografien. Zudem ließ er ein unbekleidetes männliches Modell mit einem großen Stück Ton agieren und fotografierte dabei. „Ich habe die stillen, passiven Bilder ausgewählt“, erzählt Glaubitz.