Zwischen Analog und Digital, Abstraktion und Figur, Rätsel und Erzählung: Sechs junge Frankfurter Illustratoren zeigen freie Arbeiten in einer Gruppenausstellung.
In eine Rede vor frischgebackenen Hochschulabsolventen sprach der Schriftsteller David Foster Wallace 2005 von „skull-sized kingdoms“, den kleinen Königreichen in unseren Köpfen, deren Herrscher wir sind. Das eigene Königreich, die eigene verengte Perspektive zu verlassen, darum geht es sechs jungen Frankfurter Illustratoren, die im Bahnhofsviertel ihre Arbeiten zeigen. Kürzlich haben sie ihr Studium an der Hochschulen in Offenbach, Mainz und Wiesbaden abgeschlossen und stehen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn.
Jan Buchczik, Oriana Fenwick, Max Guther, Cynthia Kittler, Nadine Kolodziey und Benedikt Luft treffen sich seit eineinhalb Jahren unregelmäßig zum persönlichen und professionellen Austausch. Sie illustrieren für renommierte Medien wie zum Beispiel die Wochenzeitungen „Die Zeit“ und „Der Freitag“, für den „Guardian“ und die „New York Times“. Sie sind es gewohnt, schnell zu agieren und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Auftraggeber einzugehen. Aus den eigenen professionellen Routinen auszubrechen, freie und experimentelle Arbeiten zu präsentieren, ist das Ziel dieser Gruppenschau.
Eine Art Kopffüßler
Normalerweise zeichnet Jan Buchczik, der auch schon für das SCHIRN MAGAZIN tätig war, am Rechner. Sein Stil ist lakonisch, der Strich ist reduziert, Farbe setzt er flächig ein. In der Ausstellung zeigt er drei analoge Zeichnungen, die mit Acrylstift auf farbigem Papier entstanden sind. Sie zeigen, so Buchczik, „weirde Situationen“. Da greift beispielsweise eine Hand nach einem Wasserglas, in dem sich ein Gesicht abzeichnet sowie kreisende Linien auf der Wasseroberfläche. Eine andere Zeichnung zeigt eine Art Kopffüßler, eine Figur also, deren übergroßer Kopf fast nahtlos in Beine übergeht.
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Auf einem weiteren Kopf wachsen Blumen aus den Haaren. Mit einfachsten Mitteln und einer erstaunlichen Leichtigkeit schafft Buchczik sprachlich schwer fassbare, surreale Momente. Man könnte auch an Traumbilder denken. In seinen Zeichnungen erkennt Buchczik „gute und schlechte Stimmung zugleich“. Beim Treffen mit den Illustratoren herrscht ausgesprochen gute, gar herzliche Stimmung. Es wird viel gescherzt und gelacht. Nun zeigt Oriana Fenwick ihre Arbeiten. Es sind zwei große Drucke, die auf Zeichnungen basieren.
Im Freiluft-Einkaufszentrum
Fenwicks präziser, gegenständlicher Zeichenstil ist bei Auftraggebern gefragt. Oft geht es um die zeichnerische Übertragung eines vorgegebenen Motivs. „Da wollte ich komplett ausbrechen“, sagt Fenwick. Zunächst hat sie, ausgehend von Fotografien, mehrere Zeichnungen im A4-Format angefertigt. Die einzelnen Motive hat sie vergrößert und unter Einsatz von Überlagerungen komponiert. Da sieht man unter anderem eine Zimmertür, auf der ein großes Stück Stoff drapiert ist, immer wieder taucht zudem eine an Knetmasse erinnernde Struktur auf.
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Erzählerisch sind die digitalen Drucke von Max Guther. Die fiktiven, zusammengesetzten Szenerien sind mithilfe von Fotografien, Bildbearbeitungs- und 3D-Software entstanden. Aus einer schwebenden Beobachterperspektive sieht der Betrachter Menschen aller Generationen, die sich in einer Art Freiluft-Einkaufszentrum aufhalten. Die Künstlichkeit einer solchen Umgebung steigert Guther durch die digital erzeugte Bildästhetik. In der geballten Alltäglichkeit lassen sich kleine Störungen entdecken, wie zum Beispiel ein umgefallener Getränkebecher.
Thema Eskapismus
Cynthia Kittler lässt die Betrachter ihrer Bilder über das Geschehen im Unklaren. Es sind dort keine Figuren zu sehen, aber Schauplätze, die noch bis vor kurzem bevölkert zu sein schienen. Wurden sie fluchtartig verlassen? Hat sich dort ein Unfall oder ein Verbrechen ereignet? Als Thema ihrer Serie gibt Kittler „Eskapismus“ an. Interessant ist auch ihre Technik, eine Mischung aus analoger schwarzer Tusche und digitalen farbigen Flächen. Kittler baut grafisch-plakative Bildräume. Selbiges lässt sich auch über Benedikt Lufts digitale Zeichnungen sagen.
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Ausgangspunkt seiner Bildfindungen ist ein Raum mit vergittertem Ausblick, stets aus der gleichen Perspektive gesehen. Darin spielen sich je nach Blatt unterschiedliche Szenerien ab, die sich nicht immer eindeutig zuordnen oder deuten lassen. Da wuchern Pflanzen im Käfig, es ist dunkel darin, und eine riesige rote Sonne zeichnet sich hinter den Gitterstäben ab. Auf einem anderen Blatt findet sich eine überdimensionale Muschel inmitten des Raums. Drinnen sind zwei weiße Punkte zu sehen – die Augen eines Einsiedlers? Umgeben ist die Muschel von viel Wurst und einem mürrisch dreinschauenden Gartenzwerg. Geht es hier um Deutschland?
Um Geister geht es hingegen Nadine Kolodziey. Sie zeigt unter anderem mehrere Drucke, die auf digital bearbeiteten Plastikscherenschnitten basieren. Kolodzieys Bildwelt ist farben- und kontrastreich. In Anlehnung an die japanische Mythologie zeigt sie gute und böse Geister, die sich kaum voneinander unterscheiden lassen. Manchmal ist die Angelegenheit indes eindeutig. Auf einem Blatt ist ein Geist zu erkennen, dessen markantes Antlitz bei aller Abstrahierung an den US-Präsidenten Donald Trump denken lässt.
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