Die Kunsthalle Darmstadt läutet das neue Jahr mit gleich drei Ausstellungen ein. Ein Besuch des historischen Ausstellungshauses lohnt sich aber noch aus einem anderen Grund.
Wenn Renovierungsarbeiten anstehen, schließen viele Ausstellungshäuser ihre Pforten – und die Wartezeit beginnt. Mitunter können so mehrere Jahre ins Land ziehen, bis mit der Wiedereröffnung endlich wieder ausgestellt werden kann. Die Kunsthalle Darmstadt geht hier etwas andere Wege: Zwar musste man auch hier eine Weile schließen, weil wichtige Umbauarbeiten wie die Fassadensanierung sonst nicht möglich gewesen wären. Die übrigen Sanierungsschritte aber werden nach und nach, also während des laufenden Ausstellungsbetriebs durchgeführt. So soll der historische Theo-Pabst-Bau auch technisch und qua Raumaufteilung auf den neuesten Stand gebracht werden, ohne den ursprünglichen Charakter des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes zu verändern.
Totalverglasung als Fenster in die Stadt
Die Darmstädter Kunsthalle in ihrer heutigen Form wurde 1957 nach Plänen von Theodor Pabst realisiert. Mit seinen klaren, schnörkellosen Linien und den lichtdurchfluteten Räumen repräsentiert das Bauwerk die Architektur der Moderne, die durch den Eingangsbogen kontrastiert wird: Der Portikus, heute als Markenzeichen der Kunsthalle von weither sichtbar, wurde aus dem Vorgängerbauwerk und wiederum davor aus dem historischen Rheintor übernommen. Er funktioniert heute als Eingangspforte und begrenzt zugleich das Außengelände der Kunsthalle, die ebenfalls als Ausstellungsfläche bespielt werden kann.
Genau dabei scheint es bei den aktuellen Renovierungsarbeiten zu gehen: Der besonderen Funktion der Kunsthalle, die von Beginn an als solche konzipiert wurde, Rechnung zu tragen. Dazu gehört neben der Modernisierung der Haustechnik eine Wiederherstellung der ursprünglichen Form: Die Fassade sollte (wieder) totalverglast sein, dem Flaneur einen Blick nach Innen und dem Ausstellungsbesucher die unverstellte Sicht nach Außen ermöglichen. Ein Fenster in die Stadt und aus der Stadt hinein. Auch die Sanierung der Originalfliesen aus dem Jahr 1957 und die Ausstattung der großen Halle mit Tageslicht fallen in diese Kategorie der (wieder-) herstellenden Arbeiten.
Süßmayr, Tupitsyn, Stubenvoll: Neubespielung der Kunsthalle
Exakt am selben Tage eröffnet die Kunsthalle Darmstadt drei neue Ausstellungen, die zusammen betrachtet das Potential der nach und nach sanierten Gebäudeflächen zu nutzen wissen: Der Charlotte-Prinz-Stipendiat Daniel Stubenvoll nutzt das oben beschriebene historische Rheintor für eine künstlerische Intervention, die New Yorker Künstlerin Masha Tupitsyn entwickelte eine 24-stündige Klanginstallation für das Studio der Kunsthalle, während der Hauptsaal mit neuen und älteren Arbeiten des Münchener Malers Florian Süßmayr bespielt werden wird (zu dessen Vernissage, wie der Pressetext nicht ganz ohne Stolz verkündet, unter anderem auch Daniel Richter erwartet wird).
Dabei hat der künstlerische Leiter Léon Krempel nicht nur drei Künstler mit jeweils sehr unterschiedlichen Positionen eingeladen, sondern ihnen zugleich die Gelegenheit einer Interaktion gegeben. Am deutlichsten wird dies vielleicht an den Installationen und Rauminterventionen von Daniel Stubenvoll, dessen künstlerische Praxis die Kollaboration mit anderen ist – hier mit dem Kasseler Comic-Künstler René Rogge, dessen Arbeiten er als Ausgangsmedium nimmt. Krempel wünschte sich ein ortsbezogenes Werk, aus dieser Anforderung heraus wurde die Arbeit „Pyramids“ dann schließlich zur Intervention am Rheintor fortgeführt.
Eine Erweiterung der Ausstellungsfläche
Florian Süßmayr, dessen atmosphärisch stark aufgeladene Bilder oftmals eine nicht unsentimentale Weise vergangener Realitäten in der BRD, von Punkrock und Bierkaschemmen erzählen, entwickelte die Ausstellung „Bilder für deutsche Museen (2)“ ebenfalls in enger Abstimmung mit der Kunsthalle – einige Malereien sind hier zum ersten Mal zu sehen.
„LoveSounds“ von Masha Tupitsyn schließlich bietet mit einer Spieldauer von einem vollen Tag eine seltene zeitliche Qualität: Um die Arbeit, bestehend aus insgesamt rund 1.500 Liebesszenen-Fragmenten englischsprachiger Filme ganz zu hören, müsste man schon mehrmals herkommen. Nochmals gewissermaßen eine Erweiterung erfährt die hauseigene Ausstellungsfläche durch ein Rahmenprogramm aus Künstlergesprächen und von diesen ausgewählten – Filmen, die unter anderem auch im Frankfurter Mal Seh’n Kino gezeigt werden.