Am 5. und 6. Juli lädt das Offenbacher Atelier Wäscherei zum Bubble Festival ein, das seinen Namen einem nagelneuen Wandgemälde verdankt. Das Programm vereint Kunst und Musik. Die Gruppenausstellung „((Platzen))“ gibt Einblick in das Atelier als kreative Keimzelle.

Blasen stehen oft als Sinnbild für soziale Vereinzelung. Da ist zum Beispiel von der eigenen Bubble die Rede, in der jemand gefangen ist: Sie gilt es zu überwinden. Die „Love Bubbles“ von Mia Sloth Møller und Fabian Vogler machen vor, wie es geht: Sie drücken sich aneinander und bilden Gruppen. Einige von ihnen verschmelzen sogar miteinander. Die seifenblasenähnlichen Gebilde – manche erinnern auch an Keimzellen, Bakterien oder Schutzhüllen rund um Planeten – prangen seit wenigen Wochen an der Fassade eines langgestreckten Gebäudes in der Offenbacher Birkenlohrstraße. Das farbenfrohe Wandgemälde ist ein weithin sichtbares Statement für mehr Gemeinschaftssinn. Aber auch eine Reminiszenz an die Vergangenheit des Gebäudes. Tatsächlich war drinnen früher mal eine Wäscherei untergebracht. Seit 2019 ist hier eine zehnköpfige Ateliergemeinschaft zu Hause.

Foto: Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler

„Erst heute kam wieder ein Mann vorbei und wollte wissen, ob er hier sein Hemd waschen lassen kann“, erzählt Nikolas Schmid-Pfähler vom Atelier Wäscherei. „Er hat sich kurz umgeschaut und dann zögernd festgestellt: Wohl eher nicht.“ Obwohl das Schild mit der Aufschrift „Reinigungsannahme“ inzwischen nicht mehr neben dem Eingang hängt, sondern seinen Platz drinnen über dem Küchentresen gefunden hat, kommt es hin und wieder zu solchen Missverständnissen. Beim zweitägigen Bubble Festival kann sich jede*r davon überzeugen, dass wo „Wäscherei“ draufsteht, in Wirklichkeit Kunst drin ist. Für ihre Gruppenausstellung „((Platzen))“ haben sich einige Künstler*innen der Ateliergemeinschaft mit externen Gästen zusammengetan. Frei nach dem Motto: Raus aus der eigenen Blase – die als Schutzraum ja durchaus nötig ist, damit kreative Prozesse entstehen können.

Von Glasobjekten zur Airbrush-City

Zwischen den einzelnen Räumen des Atelierhauses gibt es fließende Übergänge. Diese Offenheit war den Künstler*innen, die hier arbeiten, von Anfang an wichtig. Das Schaufenster gleich neben dem Eingang wird während des Festivals (und darüber hinaus) von der Bildhauerin Ulrike Markus bespielt. Ihre transparenten Objekte aus Glas erinnern ebenfalls ein bisschen an Blasen. Eingeschnürt in Kletterseile aus Nylon, hängen sie von der Decke. Im Raum nebenan zeigt die Malerin Charlotte Rahn Gemälde und Skulpturen aus Epoxidharz, die mit Hilfe von Airbrush-Technik entstanden sind. „Meinen Bereich hier nenne ich spaßeshalber Airbrush-City“, erzählt sie bei unserem Besuch rund eine Woche vor Ausstellungsbeginn. Als Gast hat sie den Maler Jonas Wohler in ihr Atelier eingeladen, der ebenfalls mit Farbsprühgeräten arbeitet. Außerdem ihre Mutter Anita Rahn, eine Fotografin.

Foto: Daniela Kaiser
Ausstellungsansicht mit Werken von Anita Rahn, Foto: Daniela Kaiser
Ausstellungsansicht, Wäscherei, 2024, Foto: Daniela Kaiser
Detailansicht, Charlotte Rahn, Foto: Daniela Kaiser
Detailansicht, Jonas Wohler, Foto: Daniela Kaiser

Im Mittelteil des Gebäudes geben Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler Einblick in ihr neuestes Projekt. Während eines Aufenthaltes in Irland hat das Duo mit biologisch abbaubarer Verpackungsfolie experimentiert. Einzelne Schnipsel wurden in unterschiedlichen Komposthaufen (bestehend etwa aus reinem Gras- oder Holzschnitt) vergraben und anschließend wieder ausgebuddelt. „Uns interessiert die Verschmelzung aus natürlichem und künstlichem Material – und die ganzen Zwischenstadien, die dabei entstehen“, erzählt Liebl, während wir unsere Köpfe über kleine, runde, durchsichtige Dosen beugen. Der Inhalt: PLA-Folien, zusammen mit Erde, in unterschiedlichen Stadien der Zersetzung. Mit Hilfe von Mikroskop und Computer fertigen sie in ihrer Werkstatt nun detaillierte Fotos der Materialproben an. Ein 3x3 Meter großes Exemplar soll zum Beginn der Ausstellung fertig sein. Als Gast haben Liebl und Schmid-Pfähler die Künstlerin Thao Eder eingeladen, die ein Stop-Motion-Video zeigt, das inspiriert ist von städtischen Klängen und Formen.

Detailansicht, Thao Eder, Foto: Daniela Kaiser
Detailansicht, Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler, Foto: Daniela Kaiser

Nebenan haben die Künstler Patrick D. Brockmann und Paul Pape ihre Arbeitsplätze. Zusammen mit Francisco C. Goldschmidt hat Pape eine Sound-Installation entwickelt, die hier gezeigt wird. Im größten Raum der Ateliergemeinschaft findet auch das eigentliche Festival-Programm statt. Es gibt keine Bühne. Die Künstler*innen agieren auf Augenhöhe mit dem Publikum. Dank der breiten Schaufensterfront ist der Raum zur Straße hin offen. „Wer sich nicht gleich hereintraut, kann das Geschehen auch erst einmal von draußen beobachten“, erklärt Carolin Liebl. Los geht es am Freitag (5.7.) mit einer gesangslastigen Drag-Performance von Dolorosa (21 Uhr), bevor das Publikum beim Karaoke (21.30 Uhr) dann selbst zum Mikrofon greift. Der Abend klingt mit einem DJ-Set von LUI (ab 23 Uhr) aus.

Von (Drag-)Performances und Filmen bis hin zur Lichtinstallation

Am Samstag (6.7.) liest Katharina Hantke aus ihrem Comic „Vagina Dentata“ (17.30 Uhr). Das Buch handelt – ebenso wie zuvor schon Hantkes Diplom-Arbeit an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung – vom Mythos der mit Zähnen ausgestatteten und deshalb für Männer gefährlichen Vagina, mit dem sich bereits Sigmund Freud auseinandersetzte. Es folgt der Animationsfilm „I don't eat u & u don't eat me“ von Felix Leffrank (19.30 Uhr). Die im Film vorkommenden Figuren treffen sich in einem post-apokalyptischen Ambiente auf einem nächtlichen Weihnachtsmarkt und werden allesamt live von der Schauspielerin Esther Kuhn gesprochen. Leffrank steuert – ebenfalls live – Soundeffekte bei. Ab 21 Uhr macht das Karlsruher Künstlerduo STRWÜÜ eigenwillig-schöne Musik mit Hilfe von selbstgebauten, elektronischen Instrumenten.

Dolorosa (c) Janwillem den Hollander

Bei Anbruch der Dunkelheit wird das Wohnhaus direkt gegenüber Schauplatz einer Lichtinstallation. „Wir haben uns gedacht: Warum sollen wir das einzige Gebäude in der Straße mit bunter Fassade sein?“, sagt Nikolas Schmid-Pfähler und lacht. Bei der originellen Methode handelt es sich um Video-Mapping mit wunderbar analogen Mitteln: Die Strukturen des Hauses wurden in einem Aquarium aus Knetmasse nachgebildet. Verschiedenfarbige Flüssigkeiten sorgen für Farbeffekte. Durch ein Schaufenster im Erdgeschoss kann man die Video-Artists der Gruppe „Currents“ dabei beobachten, wie sie diesen Aufbau abfilmen und die Bilder dann auf die Fassade projizieren. William Overcash, Moritz Schneidewendt und Nathan Watts begleiten die Aktion mit Live-Musik.  Drinnen legt anschließend irel.ier auf (23.30 Uhr).

Performance von Currents © the artists

Womöglich wird sich das Festival sogar zu einem richtigen Straßenfest ausweiten. Einige Nachbar*innen haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. Ein Paar aus der Nachbarschaft, das für die AWO ehrenamtlich mit Kindern und Senior*innen arbeitet, will auf der Straße ein Angelspiel anbieten. Trommler*innen einer afrikanischen Community aus den angrenzenden Wohnblocks planen eine Musikeinlage. Ein Restaurant um die Ecke stellt einen Pizza- und Pastastand auf. „Das ist typisch Offenbach“, sagt die Gastkünstlerin Ulrike Markus. „Wenn in dieser Stadt jemand eine gute Idee hat, reagieren andere darauf und ziehen mit.“

Aus Dänemark reisen die beiden Künstler*innen an, die zusammen mit der Ateliergemeinschaft das Wandgemälde geschaffen haben, dem das Bubble Festival seinen Namen verdankt. An einer etwas versteckt liegenden Seite des Hauses malen sie dann im Rahmen eines Workshops vielleicht sogar noch ein bisschen an ihren „Love Bubbles“ weiter. „Farbe haben wir noch auf Lager“, sagt Nikolas Schmid-Pfähler.

Bubble Festival

FREITAG, 5. JULI, 18 UHR und SAMSTAG, 6. JULI, 15 UHR - EINTRITT FREI

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