Unter dem Titel „SUPER!“ zeigt die Kunsthalle Darmstadt Arbeiten fünf junger Malerinnen. Sie eint nicht nur ihr Medium, sondern in erster Linie ihre Freundschaft.
Man weiß beim Lachen bis heute nicht genau, warum es überhaupt da ist. Wenige Säugetiere lachen so wie der Mensch: Nur von höher entwickelte Affen und Ratten weiß man es bis jetzt. Evolutionär betrachtet werde Lachen eher als Überlebensstrategie betrachtet, denn als reines Amüsement, so das populärwissenschaftliche Magazin „The Conversation“.
Doch wie gesagt, so genau kann man es nicht wissen – und stattdessen annehmen, dass sich im Lachen gleich mehrere Funktionen zugleich Bahn brechen: Überraschung, Ungläubigkeit, ernsthafte Freude, Übersprungshandlung. Aber eben auch so etwas wie Entsetzen, dann schwingt lachend die Hysterie noch mit.
Es wird trotz potentiell verstörender Momente viel gekichert
Mit dieser Gemengelange wäre die Spannbreite möglicher Reaktionen auf den Rundgang durch Ausstellung „SUPER!“ in der Kunsthalle Darmstadt vielleicht auch schon ganz gut abgedeckt. Es wird, trotz der potentiell verstörenden Momente, viel gekichert: Wenn um die Ecke plötzlich eine gelbe nackte Dame aus der Badewanne herauslachend den Shining-Moment im Ausstellungshaus beschwört. Ein paar Ecken weiter ein schön drapierter Haufen einer unbestimmten, wurstfarbenen, offenbar cremeartigen Konsistenz auf einem Teller mit Traditions-Dekor drapiert liegt. Endlich bringt einmal jemand die merkwürdige Beliebtheit stilisierter Cremekringel auf den Punkt und ins Bild! Cupcakes beispielsweise werden ja auch immer gern mit schön aufeinanderliegenden Cremehaufen illustriert, in denen Appetit und Ekel vexierbildartig nicht voneinander zu trennen sind.
Unter dem Titel „SUPER!“ zeigt die Kunsthalle Darmstadt nun Arbeiten fünf junger Malerinnen: Ellen Akimoto, Stefanie Pojar, Mona Broschár, Ivana de Vivanco und Franca Franz haben sich in der Klasse von Annette Schröter kennengelernt; vier von ihnen teilen sich heute ein gemeinsames Atelier. Die Künstlerinnen seien an ihn direkt herangetreten, betont Kunsthallen-Direktor León Krempel, der die Ausstellung gemeinsam mit Louis Baca kuratiert hat. Nicht als programmatische Künstlerinnengruppe, die Dogmen oder Stile teilt, eher als Kreis von Freundinnen. Gekommen ist letztlich vieles anders als geplant, einige Bilder sind noch ganz frisch aus dem Atelier dazu gestoßen.
Die Künstlerinnen bleiben stets unfraglich bei sich selbst
Schon der Auftakt kann insofern als eine malerische Programmatik gelesen werden: Fünf gleichformatige Bilder sind es, speziell für diese Ausstellung angefertigt, je Künstlerin eines. Sie stehen stellvertretend für die mit Ende 20, Anfang 30 sehr eigenständigen Positionen, die sich hier und da Vorlieben und Elemente von der anderen ausleihen, aber stets unfraglich bei sich selbst bleiben. Malerei bildet den Schwerpunkt, außerdem sind Zeichnungen und einige dreidimensionale Arbeiten zu sehen.
Ellen Akimoto, die Malerin mit der gelbstichigen Dame in der Badewanne, inszeniert junge Frauen in entrückten Alltagssituationen, in die urplötzlich ein „uncanny valley“-Effekt einschlagen kann, wie man ihn sonst nur aus AI und Videokunst kennt: Momente, die ein unüberwindbares Unbehagen in den Zuschauerinnen und Zuschauer wachrufen – weil zum Beispiel aus den rigoros zweidimensional gemalten Kleidungsstücken und Interieurs plötzlich ein stechender Blick oder ein hyperreales Lächeln herausspringen. Auch bei Franca Franz, die sich auf das Malen eigener Albträume spezialisiert hat, stimmt vieles nicht: Oft sind es Alltagssituationen wie ein gemeinsames Bad in der Wanne oder ein Besuch auf der Kirmes, in denen die verschiedenen Perspektiven auseinanderbrechen oder vielmehr aufeinander stürzen.
Franca Franz hat sich auf das Malen eigener Albträume spezialisiert
Am schwierigsten fügt sich jedoch Stefanie Pojar ein: Die Figuration ist wohl ein zu offenkundiges Merkmal, das alle anderen Malerinnen eint. Doch denkt man sich ein Bild als ein Bild und weniger von seinem Motiv her, dann sind auch Pojars Farbverläufe, die sie als Sternennebel auf die Leinwand oder wie als Gestaltungselement auf Tischplatten setzt, eindeutig der malerischen Sphäre der (präzise gemachten und natürlich so gewollten) Uneindeutigkeit entsprungen.
Für die besonders kecken Momente sind Mona Boschár und Ivana de Vivanco zuständig: Letztere bespielt ausgesprochen virtuos ebenso Skulpturen wie Gemälde; eine quasi genderfreie und umgekehrt eine mit allen erdenklichen Geschlechtsmerkmalen vollbepackte Figur hat sie in den großen Ausstellungssaal gestellt. Und auch die großformatigen, aus mehreren Leinwänden zusammengesetzten Tableaux, entfernt an die großen Werke des sozialistischen Realismus erinnernd, in denen zuverlässig die Augen getäuscht und Affekte des Ekel aktiviert werden können, stammen aus dem Atelier der gebürtigen Chilenin. Boschár schließlich zeichnet für die ultra-malerischen, ultra-artifiziellen Cremehaufen-Arrangements mit allerlei romantischen Porzellandekors und Tapeten verantwortlich.
Ultra-artifizielle Cremehaufen-Arrangements mit romantischen Tapeten
„SUPER!“ – der Titel, im Katalogtext im Sinne einer post-ironischen, also durchaus ernst gemeinten Geste definiert, will sich verstanden wissen als Plädoyer für Malerei als letzter Anker vor der digitalen Bilderflut, vielleicht vor allem als Qualitätsurteil auch über die eigenen Arbeiten, weniger sicherlich über den Status quo, in dem man sich so ganz allgemein befindet. Oder?
Tagespolitik, Genderfragen halten Einzug, ebenso wie persönlicher Albtraum und Furcht. Man kann das für ein etwas loses Konzept halten, inhaltlich, aber die volle Malerinnen-Superpower, diese angriffslustige Haltung, alles, was einem über den Weg läuft, in oft komplexe, vielschichtige und sich dann wieder voneinander abgrenzend höchst eigenständige Malerei zu verwandeln, die wirkt schon zuverlässig. Sehr gut ausgefüllt haben Akimoto, Broschár, de Vivanco, Pojar und Franz die Kunsthalle Darmstadt, und sie hätten noch viel mehr in petto gehabt. Die meisten Bilder, die die Malerinnen mitgebracht hatten, mussten wieder zurück ins Atelier gehen.