100 Jahre Frauenwahlrecht, 50 Jahre feministische Filmarbeit. Der richtige Zeitpunkt für ein Filmfestival, dachten sich die Macherinnen der Kinothek Asta Nielsen und riefen „Remake. Frankfurter Frauen Film Tage“ ins Leben.
Im Oktober vergangenen Jahres warf die Schauspielerin Alyssa Milano dem Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein per Twitter sexuellen Missbrauch vor. Aus ihrem Hashtag #MeToo wurde schnell eine Bewegung, die um die ganze Welt ging. Ein Jahr mit Diskussionen über alltäglichen Sexismus und Frauenrechte liegen hinter uns. Doch noch ist längst nicht alles erreicht im Feminismus. Bleiben wir beim Filmgeschäft: Frauen spielen darin kaum eine Rolle, wie eine Aktion beim diesjährigen Filmfestival in Cannes zeigte.
Cate Blanchett und 81 andere Filmfrauen protestierten auf dem roten Teppich für mehr Chancengleichheit. Denn seit Gründung des Festivals im Jahr 1946 stammen nur 82 der gezeigten Filme von Frauen – 1688 hingegen von Männern. Die Goldene Palme gewannen zwei Frauen, während 71 Männer mit dem Hauptpreis geehrt wurden.
Eine, die sich schon lange für Frauenrechte und –filme engagiert, ist Karola Gramann von der Kinothek Asta Nielsen. „Seit Anfang der 1970er Jahre hat es massive Bestrebungen gegeben, etwas gegen die Ungleichbehandlung im Filmgeschäft zu tun“, sagt sie. In dieser Tradition steht auch „Remake. Frankfurter Frauen Film Tage“, ein neues Festival der Kinothek, das einmal im Jahr in Frankfurt und Umgebung gefeiert werden soll. Kuratiert wird es von Karola Gramann und ihren Mitstreiterinnen aus der Kinothek Asta Nielsen Gaby Babić und Heide Schlüpmann. Die erste Ausgabe findet im November statt und ist dem Doppeljubiläum „100 Jahre Frauenwahlrecht“ und „50 Jahre feministische Filmarbeit“ gewidmet.
Seit Anfang der 1970er Jahre hat es massive Bestrebungen gegeben, etwas gegen die Ungleichbehandlung im Filmgeschäft zu tun.
„Das Wahlrecht für Frauen hatte Folgen – vor allem im Bereich der Rechtsentwicklung. Zum Beispiel beim Eherecht oder beim Abtreibungsparagrafen 218“, sagt Gramann. „Außerdem veränderte sich die private Lebenswirklichkeit“, ergänzt Gaby Babić, „Frauen wurden erwerbstätig, gestalteten ihre Freizeit selbst.“
Mit dem Festival zeigen sie den Wandel des Frauenbildes
Das Festivalprogramm ist historisch aufgebaut – von den Suffragetten-Filmen der 1910er–Jahre bis hin zu Filmen der Gegenwart. Sie zeigen den Wandel des Frauenbildes, auch die älteren Filme haben in Zeiten von #MeToo nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. In „Hindle Wakes“, einem britischen Stummfilm von 1927, pfeift die junge Fabrikarbeiterin Fanny Hawthorn darauf, was von Frauen ihrer Generation verlangt wird. Sie verkörpert die „Neue Frau“, die ihr Leben selbstbestimmt führt. Knapp 50 Jahre später waren Frauen allerdings noch immer fremdbestimmt, wie der Film „Das hat mich sehr verändert“ von 1976 zeigt. Er dokumentiert die Arbeit des Frauenzentrums Eckenheimer Landstraße in Frankfurt. Im Mittelpunkt des Zentrums stand der Kampf gegen den Paragrafen 218, der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe setzt. Die Frauen organisierten Busfahrten nach Holland zum Schwangerschaftsabbruch.
Ein Thema, das heute (wieder) heiß diskutiert wird. „Uns geht es aber auch um Frauen, die nicht aus einer weißen mitteleuropäischen oder US-amerikanischen Kultur kommen“, sagt Karola Gramann. „What happened, Miss Simone?“ (2015) etwa beleuchtet das Leben der schwarzen Sängerin Nina Simone, deren Stimme zu einer politischen Waffe wurde. Die Filme laufen, wenn möglich, im Originalformat. Einige wurden eigens für das Festival restauriert. Stummfilme werden live am Piano begleitet. „Es ist uns wichtig, an dieser Aufführungspraxis festzuhalten. Das Zeigen von Originalformaten hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit der Genauigkeit der Wahrnehmungsauffassung“, erklärt Gramann.
Uns geht es aber auch um Frauen, die nicht aus einer weißen mitteleuropäischen oder US-amerikanischen Kultur kommen.
Daneben rückt „Remake“ die Geschichte feministischer Filmfestivals in den Blick. In diesem Jahr das „Women’s Event“, das 1972 in Edinburgh stattfand und von der sozialistischen Kritikerin Claire Johnston, der berühmten Filmtheoretikerin Laura Mulvey (sie kommt auch zu „Remake“) und der späteren Women’s-Event-Leiterin Lynda Myles gegründet wurde. „Das Festival war eine unglaublich interessante Verbindung von Schreiben, Forschung, Filmvorführungen und Diskussion – und sehr folgenreich für die Entwicklung der feministischen Filmkritik und Filmtheorie“, erzählt Karola Gramann.
Vorgestellt werden die Filme von Filmexpertinnen und Frauenrechtlerinnen
Jede Festivalausgabe stellt zudem das Werk einer Filmemacherin aus der Region vor. Diesmal: Arbeiten von Recha Jungmann. Ihre Filme suchen das Politische im Privaten und waren zu ihrer Zeit – von den späten 1960ern bis in die 80er Jahre – sehr beachtet, reisten mit dem Goethe-Institut um die ganze Welt und wurden dann fast vergessen. Vorgestellt werden die Filme sowohl von Filmexpertinnen und Frauenrechtlerinnen, die schon in den 70er-Jahren für mehr Gleichberechtigung kämpften, als auch von jungen Feministinnen.
Es gibt einen Literatursalon mit der Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann, verschiedene Diskussionen und Vorträge. „Mal sehen, wie kontrovers es wird“, sagt Gaby Babić. Gegen hitzige Debatten hätten die Organisatorinnen nichts einzuwenden: „Ich vermisse die Auseinandersetzung. Heute ist alles so vorsichtig. Krach ist gut, aber es muss um Positionen gehen. Gerade heute, wo wir beobachten, dass vieles, das seit den 70er-Jahren erkämpft wurde, wieder zurückgenommen wird“, sagt Karola Gramann.
Ich vermisse die Auseinandersetzung. Heute ist alles so vorsichtig. Krach ist gut, aber es muss um Positionen gehen.