Der Street-Art-Künstler Guido Zimmermann hat ein Crowdfunding-Projekt gestartet, mit dem er Wandgemälde in Frankfurt realisieren will.
Der Street-Art-Künstler Guido Zimmermann erzählt von seinem allerersten bezahlten Auftrag, der ihm heute ein kleines bisschen peinlich ist: „Ich wuchs in Bad Vilbel auf und war in meiner Jugend Teil der Frankfurter Graffiti-Szene. Irgendwann kam ich auf die Idee, Aufträge anzunehmen, um mir die teuren Farbdosen zu finanzieren. Im Bad Vilbeler Anzeiger schaltete ich eine kostenlose Anzeige. Der Text war ziemlich plump und lautete: Male Graffiti, billig und gut. Mein erster Kunde wollte unbedingt eine Diddl-Maus auf seiner Garage haben“. Das geschmacklose Motiv hat Zimmerman inzwischen unter der Kategorie Jugendsünden verbucht. „Ich war damals 16“, entschuldigt er sich mit einem Lächeln.
Die Lust an großflächigen Tiermotiven ist Zimmermann, der Anfang der Nullerjahre an der Academy of Visual Arts im Frankfurter Ostend studierte, zum Glück nicht vergangen. Zur Freiluftgalerie am Bauzaun der EZB steuerte er vergangenes Jahr ein Gemälde bei, auf der eine Gruppe singender Brüllaffen mit menschlichem Antlitz zu sehen waren. Der Titel lautete „Dresdner Kreuzchor“. „Ein Vertreter des Chors hat daraufhin bei mir angerufen und sich beschwert. Dabei war der Titel bestenfalls ironisch, aber keineswegs böse gemeint“, erzählt Zimmermann. „Ich habe ihn daraufhin geändert. Das Bild hieß dann später nur noch Knabenchor“.
Auf der Straße kann man mit der Kunst viele Leute erreichen
Wir treffen Guido Zimmermann in der Frankfurter Innenstadt. Er klettert von einem Baugerüst, das an der Ostfassade der Liebfrauenkirche lehnt, die gerade saniert wird. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hat man einem prima Blick auf ein fast fertiges Wandgemälde, als dessen Urheber man Zimmermann dank entsprechender Farbkleckse auf seinen Klamotten sofort erkennt. Das Motiv: Vermeintlich verfeindete Tiere wie Wolf, Lamm, Falke und Taube steigen direkt unter dem Dachgiebel aus einer gemalten Wolke aus Licht. Sie alle sind durch ein stilisiertes Friedensband miteinander verbunden und streben in Richtung Eingang des Gebäudes. „Die meisten Tiere spielen auf die Lebensgeschichte des heiligen Franziskus an, der zu den Tieren predigte“, erklärt Zimmermann. „Bulle und Bär sind allerdings eine Hommage an Frankfurt“.
Seine „Murals“ (so nennt man Wandgemälde, die im Gegensatz zu Graffitis vorwiegend mit Hilfe von Pinsel und Streichrolle entstehen und in der Regel auch mehr Platz einnehmen) sind längst deutschlandweit gefragt. Seit 2012 hat Zimmermann im Atelierfrankfurt ein Atelier, in dem er nicht nur Skizzen für seine Murals vorbereitet, sondern auch mit Öl auf Leinwand malt – etwa Parodien, bei denen er von alten Meistern portraitierte Personen durch Tiere mit menschlichen Zügen ersetzt. Oder eine Serie mit außer Kontrolle geratenen Politikern, die im Parlament miteinander kämpfen.
Guido Zimmermann ist der Meinung, dass Kunst nicht unbedingt ein Dach über sich braucht. „Kunst sollte nicht ausschließlich in Galerien oder Museen stattfinden“, sagt er. „Auf der Straße kann man damit viel mehr Leute erreichen.“ Vor wenigen Wochen hat Zimmermann unter dem Titel „Museum on the Street“ ein Crowdfunding-Projekt gestartet, mit dem er mindestens drei großflächige Murals finanzieren will, die 2016 in Frankfurt realisiert werden sollen. Rund 18000 Euro würde er gerne zusammenbekommen, um Gerätschaften wie Steiger (ein Auto mit Hebebühne), Farbvorräte und nicht zuletzt auch das Honorar für sich und weitere Künstler zu bezahlen, mit denen Zimmermann zusammenarbeiten möchte. Mit gestaffelten Beiträgen ab fünf Euro kann man Zimmermanns Projekt unterstützen. Als Gegenleistung bekommt man von ihm gestaltete Postkarten, Kataloge, Leinwände oder – für einen entsprechend hohen Geldbetrag – sogar ein Wandgemälde. Seine Crowdfunding-Initiative gehört zu einer Art Wettbewerb, bei dem 25 ausgesuchte Kulturprojekte (beworben haben sich ursprünglich 60) um Fördergelder konkurrieren. Wer die meisten Unterstützer mobilisiert, wird von der Aventis Foundation mit einem vergleichsweise hohen Zuschuss belohnt. Der Finanzierungszeitraum endet am 10. November.
Für mich ist jede Hausfassade eine potentielle Leinwand
„Für mich ist jede Hausfassade eine potentielle Leinwand“, sagt Zimmermann, der gute Kontakte zum Kulturamt der Stadt hat, das ihm bei der Suche nach geeigneten Wandflächen hilft. Während Mural-Graffitis in anderen Städten längst Touristenattraktionen sind, hat Frankfurt den Trend noch nicht erkannt, glaubt er. Ausnahmen: Die Graffitis des Künstlerduos Herakut zum Beispiel. Oder jene Wandgemälde, die brasilianische Street-Art-Künstler 2013 anlässlich der „Street-Art Brazil“-Ausstellung in der Schirn schufen. „Leider sind einige von ihnen schon wieder aus dem Stadtbild verschwunden“, sagt Zimmermann und erzählt von der für Mural-Art bekannten Brick Lane in London, wo er auch schon gemalt hat. „Im Fünf-Minuten-Takt kommen dort geführte Touren mit 20 bis 30 Leuten vorbei. Eine solche Aufmerksamkeit würde ich mir auch in Frankfurt wünschen.“