Das Filmkollektiv Frankfurt zeigt in Kooperation mit dem Deutschen Filmmuseum eine Werkschau des Experimentalfilmers Stephen Dwoskin, Mitbegründer der London Filmmaker’s Co-op.
Während in Hollywood im Rahmen der Oscar-Verleihung die sogenannte Kultur-Industrie ihre Erzeugnisse, sich selbst und ihren Erfolg zum 88. Mal zur Schau stellte, ist damit natürlich noch lange nichts über das Kino geschweige denn dessen Geschichte erzählt.
Dass jenes, was dort manchmal von übereifrigen TV-Moderatoren als mutiger Außenseiter- oder gar Independent-Film mit künstlerischem Anspruch hochgehalten wird, vielleicht doch nicht vollends eben diesem entspricht, wurde und wird immer wieder kritisiert. Allein – der Anspruch ist natürlich auch ein anderer.
Moralisch korrupt
Härter formulierten die Kritik früher schon andere, in den 1960er-Jahren so beispielsweise in den USA die Gründer der Film-Makers‘ Cooperative: “Official cinema is running out of breath" und sei "morally corrupt, aesthetically obsolete, thematically superficial, temperamentally boring“.
Die Cooperative wurde in New York von Filmemachern wie Jonas Mekas, Shirley Clarke und Stan Brakhage gegründet und fand mit der London Filmmaker‘s Co-op auch in Großbritannien sein Pendant. Gründungsmitglied hier war der amerikanisch-stämmige Experimental-Filmer Stephen Dwoskin, dem das Filmkollektiv Frankfurt am kommenden Wochenende im Deutschen Filmmuseum eine umfangreiche Werkschau widmet.
Teil der New Yorker Underground-Film Szene
Stephen Dwoskin, 1939 in Brooklyn geboren, hinterlässt nach seinem Tod 2012 ein Werk, das über 50 Filme umfasst. Dwoskin studierte in den 1950er-Jahren an der New Yorker Parsons School of Design unter Willem de Kooning und Josef Albers und arbeitete anschließend als Grafik-Designer und Art Director, bevor er 1961 seine ersten Kurzfilme, „Asleep“ und „American Dream“, drehte. In den folgenden Jahren wurde er Teil der New Yorker Underground-Film Szene, bevor er 1964 mit einem Fulbright Stipendium in der Hand nach London zog und dort 1966 bei der Gründung der London Filmmaker’s Co-op mitwirkte.
Dwoskin, der im Alter von neun Jahren an der Kinderlähmung erkrankt war und so als Kind schon zahlreiche langwierige wie schmerzhafte Behandlungen über sich ergehen lassen musste, war sein Leben lang auf Krücken oder den Rollstuhl angewiesen.
Ein starkes Gefühl von Intimität
Seine Filme sind von einer starken Körperlichkeit gezeichnet, die in früheren Arbeiten erst sein Gegenüber in langen, handkameragedrehten und ein starkes Gefühl von Intimität evozierenden Einstellungen in den Fokus setzen bevor der Filmemacher in späteren Arbeiten auch selbst vor der Kamera agierte.
Die thematische Auseinandersetzung mit Körperlichkeit in seinen freudvollen wie auch schmerzlichen Dimension und deren Auswirkungen auf das eigene Leben ist stark autobiographisch geprägt: „Behindert“ (1974) beispielsweise, der neben zehn weiteren Arbeiten des Regisseurs im Filmmuseum zu sehen sein wird, setzt so Dwoskins Partnerschaft zu der deutschen Schauspielerin Carola Regnier in den Fokus und fungiert als Rekonstruktion der intensiven Liebesbeziehung.
Körperliches Leiden und Schmerzempfindung
Der Dokumentarfilm „Pain is …“ (1997) lässt sich als filmischer Essay zum Thema Schmerz verstehen, in dem der Filmemacher in Interviews und mithilfe von Archivaufnahmen Personen porträtiert, die aufgrund von Krankheit, Unfall oder sexuelle Präferenz auf die ein oder andere Weise lebenslang mit dem Thema körperliches Leiden und Schmerzempfindung verbunden sind. In weiteren Vorstellungen gewährt das Filmkollektiv Frankfurt unter anderem auch Einblick in das Schaffen jener Regisseure, die sich im Verbund der Filmmaker’s Co-op organsierten.
Das Filmkollektiv Frankfurt gründete sich 2013 und kuratiert seitdem regelmäßig Retrospektiven zu weniger bekannten Regisseuren als auch themenbezogene Filmeabende, wie das vor kurzem zum dritten Mal stattgefundene „Erotische Kino zum Valentinstag“. Begleitend zu den Werkschauen sind diverse Publikationen erschienen, die über den Internetauftritt des Filmkollektivs zu bestellen sind. Erst Anfang Februar wurde die neuste Veröffentlichung: „Magic of Nigeria – On the Cinema of Ola Balogun“ vorgestellt, die erstmalig das Werk des gleichnamigen nigerianischen Regisseurs beleuchtet, dem letztes Jahr eine eigene Retrospektive gewidmet wurde.