Kann Kunst Revolution? In der Villa 102 schlägt Hamlet Lavastida den Bilderstrom der staatlichen Propaganda in Kuba mit seinen eigenen Waffen und legt die Konstruktion von Mythos und Erinnerungskultur offen.

Der Ausstellungstitel nimmt den Ausgang bereits vorweg: „Revolución sin la Revolución”. Eine gescheiterte Revolution, oder zumindest eine, die nicht hält, was sie verspricht, steht im Zentrum von Hamlet Lavastidas Ausstellung, die bis Februar in der Villa 102 in Frankfurt besucht werden kann. Der in Berlin lebende, kubanische Künstler wächst in einem politischen System auf, das die Revolution der 1960er-Jahre als einen historischen Wendepunkt inszeniert und bis heute mit allen Mitteln verteidigt.

Seit dem Sieg von Fidel Castro und seinen Verbündeten im Jahr 1959 hat sich Kuba als sozialistischer Einparteienstaat etabliert, der auf radikale Weise versucht, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu kontrollieren. Symbole, Slogans und Bilder sind dabei zentrale Werkzeuge, um die Macht des Regimes zu zementieren und eine Erzählung von Fortschritt, Einheit und Wohlstand zu konstruieren, die mehr Mythos als Realität ist.

Das Einmaleins der Propaganda

Bilder besitzen eine enorme Macht – eine Tatsache, die in der heutigen Bilderflut häufig aus dem Blick gerät. Sie halten Erinnerungen fest, stiften Identität, lösen Emotionen aus und können so Realitäten manipulieren. Durch die ständige Wiederholung von Symbolen wird eine scheinbare Wahrheit geschaffen, die sich tief in das Bewusstsein einer Gesellschaft einschreiben kann. Denn die Geschichte wird nicht etwa neutral dokumentiert, sondern selektiv präsentiert. Sie verrät uns vielmehr, wer die Macht hat, das Narrativ über die Ereignisse und ihre Deutung zu kontrollieren. Lavastida weiß um diese Mittel und fordert die Betrachter*innen dazu auf, die Mechanismen kritisch zu hinterfragen.

Installationsansicht „Hamlet Lavastida. Revolución sin la Revolución” in der KfW Stiftung, Villa 102, 2024; © KfW Stiftung, Foto: Jens Gerber

In der Ausstellung in der Villa 102 der KfW Stiftung wird die visuelle Gewalt staatlicher Propaganda erfahrbar. Ganze Wände hat der Künstler mit filigranen Papierarbeiten und grafischen Tapeten aus sich stetig wiederholenden Symbolen und Akronymen gefüllt. Im Zusammenspiel mit der historischen Architektur der denkmalgeschützten Villa wirken diese beinahe ornamental. Und dennoch entwickelt sich durch die Überfrachtung der visuellen Elemente eine Art erdrückende Präsenz: Die pure Flut der Bilder ist überwältigend und erschwert eine eingehende Auseinandersetzung. Dieser Ansatz ist künstlerische Strategie: Lavastida zeigt, dass die Macht der Propaganda nicht nur in ihrer Botschaft liegt, sondern auch in ihrer ästhetischen Präsenz.

Eine ideologische Überfrachtung

Lavastidas Vorgehensweise ist die eines Archivars: Er sammelt Symbole, ideologisch geprägte Parolen und Bilder, die tief in der visuellen Kultur der kubanischen Revolution verankert sind. Auch Motive staatlicher Überwachung und Gewalt finden Eingang in sein Bilderrepertoire, wie etwa architektonische Blaupausen politischer Gefängnisse oder Arbeitslager, die er zu grafischen Elementen stilisiert. Indem er die Motive neu arrangiert, ergänzt oder ornamental verarbeitet, hinterfragt er nicht bloß die Aussagekraft einzelner Bilder, sondern offenbart zusätzlich die ästhetische Struktur staatlicher Propaganda.

Installationsansicht „Hamlet Lavastida. Revolución sin la Revolución” in der KfW Stiftung, Villa 102, 2024; © KfW Stiftung, Foto: Jens Gerber
Installationsansicht „Hamlet Lavastida. Revolución sin la Revolución” in der KfW Stiftung, Villa 102, 2024; © KfW Stiftung, Foto: Jens Gerber

Seine Arbeiten oszillieren zwischen der Auseinandersetzung mit historischen Fakten, deren propagandistischer Umdeutung und kritischen Infragestellung von Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung. Denn Kuba selbst entzieht sich einer empirischen Geschichtsschreibung: Archive werden staatlich kontrolliert, sind unzugänglich oder lückenhaft. An diese staatlich reglementierte Geschichtsschreibung knüpft der Künstler an und setzt ihr Bilder entgegen, die ihre propagandistischen Mechanismen entlarven und dekonstruieren. La Revolución sin la Revolución” versucht nicht, die Geschichte Kubas neu zu schreiben. Vielmehr ist die Ausstellung eine Einladung, die bereits bestehenden Bilder und Geschichten zu hinterfragen, die uns als Gesellschaft geprägt haben.

Hamlet Lavastida in der KfW Stiftung, Villa 102, 2024; © KfW Stiftung, Foto: Jens Gerber
Installationsansicht „Hamlet Lavastida. Revolución sin la Revolución” in der KfW Stiftung, Villa 102, 2024; © KfW Stiftung, Foto: Jens Gerber
KfW Stiftung, Villa 102

Hamlet Lavastida: La Revolución sin la Revolución

9.Dezember 2024 – 2. Februar 2025

Mehr Erfahren