Das 1923 erstmals ausgestrahlte Radioprogramm sollte Deutschland zu einer alle Bevölkerungsteile umfassenden Kulturnation machen. Doch bald entdeckte man sein Potenzial als Propagandainstrument.
Mit diesen Worten nahm die Radio-Stunde AG, die spätere Funk-Stunde AG, am 29. Oktober 1923 als erster öffentlicher Hörfunksender in Deutschland den Sendebetrieb auf. Die Geburtsstunde des Unterhaltungsrundfunks war eingeläutet. Der knappen Ansage folgte ein einstündiges Eröffnungskonzert. Für die technischen Voraussetzungen für den drahtlosen Radioempfang wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg gesorgt. Nach dem Krieg initiierte das Auswärtige Amt 1922 den Wirtschaftsrundfunk als ersten regulären Sprachfunk.
Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig.
Allerdings dauerte es noch ein weiteres Jahr, bis der Hörfunk für eine breite Öffentlichkeit eingerichtet wurde. Mit Blick auf die Entwicklung in den USA und anderen europäischen Ländern fürchtete das Innenministerium die politische Wirkung, die dem Medium inbegriffen schien, vor allem den Missbrauch durch Umstürzler und die Gefährdung des fragilen nationalen Zusammenhalts durch den Einfluss der diversen politischen Parteien.
Programm der leichten Muse
Innerhalb eines Jahres gingen neben der Funk-Stunde AG acht weitere Sendegesellschaften ans Netz, wodurch bald das gesamte Reichsgebiet abgedeckt war. Das neue Medium sollte von Anbeginn als neutraler, unpolitischer und nicht kommerzieller Unterhaltungsdienst eingerichtet werden. Obwohl private Investoren maßgeblich an der Finanzierung der Regionalgesellschaften beteiligt waren, erhielt der Staat eine obligatorische Anteilsmehrheit an den jeweiligen Gesellschaften.
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Das Voxhaus in Berlin, circa 1923. Hier stand der erste reguläre Rundfunksender Deutschlands. Deutsches Rundfunkarchiv DRA, Image deutschlandfunk.de
Die „Volksgemeinschaft“ sollte in der Zielsetzung des Rundfunks durch die Integration auch der unteren Schichten als deutsche Kulturnation gefestigt werden. Wobei bei diesen Überlegungen die (kulturelle) Bildung, neben der Unterhaltung, Erbauung und Belehrung, im Zentrum stand. Ein Programm „der leichten Muse“ ermöglichte es zudem, von den bestehenden Missständen und alltäglichen Problemen des modernen Lebens abzulenken. Wie die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts ironisch anmerkte:
Aber nun haben wir den Rundfunk, bleiben hübsch zu Hause und hören die angenehmsten und schönsten Dinge.
Da der Rundfunk als Provisorium startete, gab es zunächst keine ausformulierten Regelungen und Vorgaben der Organisation. Die Programmgestaltung auf regionaler Ebene entwickelte rasch und sehr erfolgreich eine Eigendynamik: Die Programmstunden erhöhten sich im ersten Jahr im Schnitt von drei auf acht Stunden täglich. Die offiziellen Hörerzahlen, auch die der Schwarzhörer, stiegen stetig. Ende 1925 wurden über eine Millionen registriert.
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Die "Richtlinien zur Regelung des Rundfunks traten" erst 1926 in Kraft, wodurch ein mehrschichtiges Kontrollsystem eingerichtet wurde. Der staatliche Sonderdienst Deutsche Welle ging im selben Jahr als einziger reichsweiter Sender ans Netz und stellte den Sendegesellschaften u.a. Bildungssendungen zur Verfügung, übernahm aber auch ausgewählte Regionalprogramme.
Eine relative Programmfreiheit
Trotz einiger Einschränkungen und der Tatsache, das rein rechnerisch der Staat das Rundfunkmonopol besaß, gab es eine relative Programmfreiheit – allerdings innerhalb der Klammer der Unterhaltung betrachtet – die Zensur beschränkte sich auf einzelne Sendungen, es gab keine personellen oder organisatorischen Eingriffe. Es entwickelte sich ein pluralistisches, vielseitiges Hörfunkprogramm. Die ersten Programmverantwortlichen waren überwiegend Vertreter aus Kultur und Publizistik. Obwohl keiner der Programmleiter parteipolitisch gebunden war, lassen sich in unterschiedlichen Ausprägungen patriotische, nationale Grundhaltungen erkennen, was dem Staat gelegen kam.
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Kinder hören Radio, Image via: ndr.de
Der Rundfunk wurde zu einem wichtigen Arbeitgeber im Bereich der Kultur. Der Hörfunk etablierte sich immer weiter in der Kulturlandschaft, ab Mitte der 20er-Jahre zählte das Radio als Konkurrenz für das Kino. Je größer die gesellschaftliche Bedeutung des Radios als Massenmedium wurde, umso intensiver wurden die öffentlichen Programmdebatten geführt und alternative Programmideen diskutiert. Vermehrt wurde die Inklusion aktueller Themen gefordert. Ab 1928 begannen die Sender Statements wichtiger Staatsmänner und politische Zwiegespräche auszustrahlen, wobei allerdings einige Parteien, wie etwa die KPD, ausschlossen blieben. Doch blieb die Printpresse das wesentliche Medium für Informations- und Meinungsbildung.
Gleichschaltung des Hörfunks
Der sich weiter entwickelnde Pluralismus wurde von zahlreichen, vor allem antirepublikanischen Kräften, als kritisch betrachtet. Die Zensur galt als zu schwach und die Forderung nach einem zentral gelenkten Rundfunk verstärkte sich in dem nach rechts rückenden politischen Klima. 1932 wurde von der neugewählten Regierung unter Franz von Papen der Rundfunk zu 100 Prozent verstaatlicht, die Organisation vereinfacht, sprich zentralisiert, sowie durch eine zusätzliche Überwachung die Durchsetzung einheitlicher Richtlinien gewährt.
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Zeitgleich wurden zahlreiche unliebsame Hörfunkakteure entlassen. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP wurde die Instrumentalisierung und Gleichschaltung des Hörfunks für propagandistische Zwecke weiter ausgebaut. Durch die Verbreitung des preiswerten „Volksempfänger“-Gerätes wurde die Propaganda flächendeckend ausgeweitet. Während die Hörerzahl von vier Millionen Anfang 1932 auf bis zu 16 Millionen in 1943 stieg, hatte sich das während der Weimarer Republik weitestgehend pluralistische und unabhängige Hörfunkprogramm in sein Gegenteil verkehrt.
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