Im Museum EYE in Amsterdam sind aktuell mehrere Arbeiten der Künstlerin Rosa Barba zu sehen, die mit einer umfangreichen Installation gerade die SCHIRN Rotunde bespielt. Ein Besuch
Wer in den nächsten Monaten einen City-Trip nach Amsterdam unternimmt, dem sei unbedingt empfohlen einen Besuch im EYE einzuplanen, dem nationalen Filminstitut der Niederlande. Der Besuch lohnt bereits allein wegen der kostenlosen Fährüberfahrt zum Museum und wegen der bemerkenswerten Architektur, entworfen vom Wiener Architekturbüro Delugan Meissl. Was von außen ein wenig aussieht wie ein gelandetes UFO, präsentiert sich von innen überraschend weitläufig und offen. Die riesige Glasfassade zum Wasser hin lässt die Grenze zwischen innen und außen nahezu verschwimmen. Eine großzügige Stufenarchitektur und das beliebte Museumscafé mit spektakulärer Aussicht laden zum Verweilen ein. Zusätzliches Licht und edles Flair verströmen zahlreiche Deckenleuchter von Olafur Eliasson.
Warum sich aber derzeit ein Besuch des EYE besonders lohnt, ist die aktuelle Sonderausstellung „Celluloid“. Die Ausstellung bietet denjenigen die bereits die Gelegenheit hatten die beeindruckende Rotunden-Installation von Rosa Barba in der SCHIRN zu sehen die Möglichkeit, die in Frankfurt gewonnenen Eindrücke auf erhellende Art zu ergänzen. Rosa Barba ist nämlich mit gleich drei Arbeiten als eine von sechs künstlerischen Positionen in dieser Ausstellung vertreten, in der sowohl Filmfreaks als auch ästhetische Genießer auf ihre Kosten kommen dürften.
Schatten an der Wand
Dass es in „Celluloid“ um analogen Film geht, wird gleich beim Betreten der Ausstellung klar. Während sich die Augen noch an die abgedunkelten Räume gewöhnen, ist bereits das Summen und Rattern der Projektoren zu hören. Mitten im Weg steht ein Projektor auf einem Sockel, aus dem meterweise Film hervorquillt. Das titelgebende Zelluloid schlängelt sich um das Podest und bildet einen ansehnlichen Haufen. Es ist die Arbeit „Light Spill“ (2005) vom Künstlerduo Sandra Gibson und Luis Recoder. Vermutlich um den Durchgang nicht gänzlich zu versperren, ist der Projektor jedoch inzwischen abgeschaltet.
Dafür bewegt sich etwas in der hintere Ecke des Raumes: Rosa Barbas Arbeit „Western Round Table“ (2007). Durch zwei aufeinander gerichtete Projektoren läuft transparenter Film, der mit unterschiedlichen Tonfragmenten aus Fellini Filmen unterlegt ist. Anstatt Bilder zu projizieren, werfen die Projektoren die Schatten des jeweils anderen an die gegenüberliegende Wand. Dieser etwas gespenstisch wirkende Dialog erinnert dem Titel nach an eine historische Zusammenkunft von Künstlern nach dem zweiten Weltkrieg, die mangels Dokumentation zu einem geheimnisumwobenen Ereignis der Kunstgeschichte geworden ist.
Wunderbar abstrakte Farbeffekte
Die sich nun anschließenden, Räume sind angenehm großzügig bespielt, oft ist nur eine Arbeit pro Raum installiert. So zum Beispiel der Beitrag von Tacita Dean mit dem programmatischen Titel „FILM“, eine Arbeit die 2011 für die monumentale Turbinenhalle der Tate Modern in London entstanden ist. Der vertikal projizierte Filmstreifen ist eine poetische Filmcollage, die als Hommage an analoge Filmtechniken zu verstehen ist. Dean verwendete ausschließlich analoge Verfahren, zum Beispiel zum Einfärben der Bilder farbiges Glas, nicht ganz unähnlich kommt es auch in Rosa Barbas Installation in der SCHIRN zum Einsatz.
Als nächstes betritt man eine Rauminstallation mit drei Projektoren von Gibson und Recoder. Das Künstlerduo hat Filmrollen im aufgerollten Zustand unterschiedlich lange belichtet. So entstehen wunderbar abstrakte Farbeffekte, die dem heutigen an digitale Farbpixel gewöhnten Auge weichgezeichnet und irgendwie nostalgisch erscheinen. SCHIRN-Kenner dürften sich spätestens an dieser Stelle an die Namensverwandte Ausstellung „Zelluloid – Film ohne Kamera“ aus dem Jahr 2010 erinnern, in der ebenfalls einer dieser Filme („Yellow Red“ von 1999) zu sehen war.
Exotisch und faszinierend
Dass die Ausstellung bisher weitestgehend ohne klassisches Bewegtbild auskam wird schlagartig deutlich, wenn man den nächsten Raum von João Gusmão und Pedro Paiva betritt. In einer Materialschlacht aus nicht weniger als 21 Projektoren und Projektionen die auf unterschiedlichen Höhen in eine komplexe Sperrholz-Architektur eingefügt sind, werden kurze Filmloops gezeigt. Flatternde Vögel, eine Waschmaschine die Leopardenprintwäsche schleudert, zwei Menschen die einen großen Stein ins Wasser werfen, flackernde Leuchtkörper oder ein sich um die eigene Achse drehendes Straußenei. Diese eigentlich banalen und zeitgenössischen Szenen erscheinen durch ihre Präsentation, die Wiederholung und die ahistorisch wirkende Technik so merkwürdig exotisch und faszinierend wie eine ethnographische Sammlung aus längst vergangener Zeit.
Den Abschluss der Ausstellung bildet ein Raum mit zwei Arbeiten von Rosa Barba. Die größere der beiden heißt „Bending to Earth“ und war bereits 2015 in Okwui Enwezors Ausstellung „All the World‘s Futures“ auf der Venedig Biennale zu sehen. Auf der Bildebene zeigt die Arbeit radioaktive Felder, zumeist Endlager für Atommüll in den USA, die Barba in langsamen Kreisbewegungen aus der Luft gefilmt hat, natürlich analog. Die Bilder werden ergänzt durch eine Text- und Soundcollage aus Funkaufzeichnungen. Außerdem gehört ein beeindruckender Projektor zu diesem Werk. Die fast schon monströse Maschine mit einer riesigen, horizontal montierten Spule, ist eine italienische Erfindung der 1950er-Jahre. Sie ist in der Lage ganze Spielfilme im Loop abzuspielen, ganz ohne menschlichen Filmvorführer.
Geradezu hypnotisch
Diese anonymisierte Filmtechnologie hat sich jedoch nicht durchgesetzt, was Barbas Exemplar wie den Vertreter einer ausgestorbenen Spezies wirken lässt. In einer Ecke des Raumes, ganz klein und filigran, ist „Invisible Act“ von 2010 installiert. Ein direkt vor einer Wand platzierter Projektor wirft ein kleines Lichtrechteck an die Wand. Leere „Frames“ laufen durch den Projektor und werden auf die Wand geworfen. Zugleich wird das Licht von der Wand wieder auf den Projektor zurückreflektiert. Auf einer Transportschiene, in welcher der Film geführt wird, rollt eine Kugel. Dieser eigentlich simple Versuchsaufbau entwickelt durch die unaufhörlichen, monotonen Bewegungen von Projektor, Film, Kugel und flackerndem Lichtbild eine geradezu hypnotische Wirkung.
Rosa Barbas Arbeiten im Kontext dieser Ausstellung und im direkten Vergleich mit Arbeiten von anderen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die ebenfalls mit analogem Film als Medium arbeiten, ist eine spannende Ergänzung zur Installation in der SCHIRN. Sofort als Barbas Handschrift wiederzuerkennen ist der klare und konzeptuelle Charakter ihrer Arbeiten, kombiniert mit einem feinen Sinn für Ästhetik. Anders als Tacita Dean oder Gusmão und Paiva beinhalten ihre Arbeiten zwar Projektionen, aber oft keine eigentlichen Bilder. Hierüber dürften sich manche Besucher der Installation in der Rotunde gewundert haben. Doch darüber ob leere oder einfarbige Frames nun tatsächlich „Nichts“ zeigen, ließe sich lange diskutieren.
Hinter der Illusion Film
In Barbas Fall verweisen sie manchmal ganz direkt auf eine fast schon erzählerische Idee der Leere oder Abwesenheit, wie im Fall von „Invisible Act“ oder „Western Round Table“. Gleichzeitig lenken diese „leeren Bilder“ unsere Aufmerksamkeit zurück auf das Material selbst, die ratternden Projektoren und ihre Mechanik, den unendlich rotierenden Filmstreifen, das Licht usw. Wenn Rosa Barba das Medium Film selbst zum ästhetischen Objekt und zum Kunstwerk macht, wirft sie im wahrsten Sinne des Wortes Licht auf die sonst verborgenen Bedingungen, die hinter der Illusion Film stehen.