Alle Macht dem Volk. So die Idee des Slogans „Power to the People“. Von Bürgerrechtsbewegungen weltweit verwendet, hallt er noch immer nach.

Bei John Lennon und der Plastic Ono Band klang es 1970 in ihrem eingängigen Song „Power to the People“ alles noch ganz einfach. Aber war es das auch wirklich? Schauen wir zunächst auf das 20. Jahrhundert: Welche Ereignisse hat es seit den 1960er Jahren gegeben, in denen das Volk seine Macht, seine Rechte und seine Freiheit einforderte? Und wo war insbesondere der politische Slogan „Power to the People“ ein wichtiger Teil dieser Forderung? Im ersten Teil der Serie blickt das SCHIRN MAG auf fünf Bürgerrechtsbewegungen des letzten Jahrhunderts, die den Slogan zu ihrem Leitspruch gewählt haben.

1. The Civil Rights Movement

In den späten 1950er und 1960er Jahren hatte die amerikanische Bürgerrechtsbewegung – the Civil Rights Movement – ihre Hochphase. Es ging um die Durchsetzung der Bürgerrechte für Afroamerikaner. In den Südstaaten hatten diese noch immer unter gesetzlich festgeschriebener „Rassentrennung“ zu leiden, in den Nordstaaten war diese zwar auf dem Papier aufgehoben, doch im täglichen Leben war der Rassismus noch immer präsent. Eine der prominentesten Figuren der Bewegung war Martin Luther King, der zusammen mit seinen Anhängern den zivilen Ungehorsam als Mittel des gewaltlosen Widerstands wählte. 

Einer der Höhepunkte war der Marsch auf Washington, zu dem am 28. August 1963 mehr als 250.000 Menschen in die US-Hauptstadt kamen und Martin Luther King seine legendäre Rede „I have a dream...“ hielt. Die Bürgerrechtsbewegung hat maßgeblich zu Reformen zur Gleichberechtigung und Gleichstellung von Afroamerikanern beigetragen, u.a. mit dem Civil Rights Act von 1964, der die Diskriminierung auf Grund von Ethnie, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder nationaler Herkunft verbietet.

Crowds surrounding the Reflecting Pool, during the 1963 March on Washington, Image via Wikicommons
2. The Black Panthers und the Black Power Movement

Das Black Power Movement bildete sich aus dem Civil Rights Movement heraus. Die US-amerikanischen Bürgerrechtler Robert F. Williams und Malcolm X wollten radikaler agieren. Sie wendeten sich vom reformerischen und gewaltlosen Ansatz Martin Luther Kings ab. Radikaler waren ab 1966 dann auch die Black Panthers (ursprünglich die „Black Panther Party for Self-Defence“), gegründet von Bobby Seale und Huey P. Newton in Oakland, California. Nach der Ermordung Malcolm X 1965 kam es in den USA zu schweren Unruhen, in denen 300 Schwarze von Polizei und Militär getötet wurden.

Die Black Panthers machten es sich zur Aufgabe, die Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern zu überwachen, indem sie sich als bewaffnete Bürgermiliz in den Städten aufstellte und sich dem Schutz der Afroamerikaner widmete. Sie setzten einen 10-Punkte-Plan auf, der ihre Ideale und Ziele ausdrückte, darunter Freiheit und Selbstbestimmung, ein Ende der willkürlichen Polizeigewalt, faire Gerichtsprozesse vor schwarzen Geschworenen und durch schwarze Ankläger, Beschäftigung, ein Ende der Ausbeutung und ein reformiertes Bildungssystem. Power to the People war auch der Slogan der Black Panthers.

Die ersten sechs Mitglieder der Black Panther Party, 1966, Image via: wikimedia.org

The Black Panthers in London, 1967-1972, Image via: libcom.org

3. Peoples Power Revolution auf den Philippinen

Die Peoples Power Revolution führte im Februar 1986 zum Sturz des Philippinischen Diktators Ferdinand Marcos. Sie wird auch EDSA-Revolution genannt, nach der Epifanio de los Santos Avenue in Manila, auf der die größten Demonstrationen stattfanden. Nach der Ermordung von Benigno Aquino, Ehemann der ehemaligen Präsidentin Corazon Aquino, 1983 und einer offensichtlich gefälschten Wahl 1986 bildeten sich oppositionelle Gruppen im Militär. Diese nahmen zentrale Stellen in der Hauptstadt Manila ein, wie den Flughafen, Radiostationen und Militärbasen. Die Bevölkerung wurde vom Erzbischof Manilas aufgefordert, die meuternden Militärs auf friedliche Art und Weise zu schützen.

Am 24. Februar zogen rund eine Million Menschen auf die Straßen Manilas, um die Marcos-treuen Truppen zu blockieren. Ein Feuerbefehl gegen die friedlichen Demonstranten wurde von Offizieren und Soldaten ignoriert. Diese liefen einen Tag später dann zu den Aufständischen über, die unter dem philippinischen General Fidel Ramos eine neue Regierung und Streitmacht ankündigten. Noch am selben Tag, dem 25. Februar 1986, wurden Corazon Aquino und Ferdinand Marcos an unterschiedlichen Orten als Präsidenten vereidigt, wenn auch Marcos kurz danach Richtung Hawaii floh. Die Peoples Power Revolution war eine durch und durch friedliche Bürgerprotestbewegung gewesen. Sie hatte keine Toten gefordert, kein Schuss war gefallen, eine 20-jährige Diktatur war beendet.

EDSA Revolution, Image via: inquirer.net

Corazon Aquino, spätere Präsidentin der Philippinen, Image via wordpress.com

4. Amandla! - Ngawethu! Gegen die Apartheid in Südafrika

„Amandla“ ist eine politische Grußformel aus der Zeit der Anti-Apartheid Bewegung in Südafrika. Bei Versammlungen war es ein Ritual, dass der Sprecher oder Vorsitzende die Anwesenden mit „Amandla“ begrüßte und diese mit „Ngawethu“ oder „Awethu“ antworteten. All dies mit erhobenen Fäusten. Die Wörter bedeuten in etwa „Die Macht! - Dem Volk!“ Dieses Rufspiel ist eines von drei offiziellen Symbolen des 1912 gegründeten African National Congress (ANC), neben der schwarz-grün-gelben Flagge, die auch das Logo der Organisation ist. Der ANC sieht in den Worten „Amandla! - Ngawethu!“ die Verkörperung des Anspruchs der Freiheitscharta von 1955. Demnach soll sich jedes Volk selbst regieren. Von 1960 bis 1990 waren die Aktivitäten des ANC in Südafrika gesetzlich verboten, jedoch hatte der ANC aus dem Exil großen Einfluss auf die Geschehnisse in Südafrika und trug maßgeblich zum demokratischen Regierungswechsel 1994 bei, bei dem Nelson Mandela der erste schwarze Präsident des Landes wurde.

Nelson Mandela, Image via: bbva.com

Aktivisten protestieren gegen die Verhaftung von Helen Joseph in Johannesburg, 1962, Image via: bbc.co.uk

5. Wir sind das Volk

Auch in Deutschland, in der DDR, gab es eine friedliche Revolution, die zum Sturz der SED-Führung, zum Fall der Mauer und zur Wiedervereinigung Deutschlands führte. 1989 organisierte sich die Opposition gegen das SED-Regime neu, was zu einer wachsenden Demonstrationsbereitschaft führte. Aus den anfänglichen Chören „Wir sind keine Rowdies“, als Reaktion auf die Diffamierung der Demonstranten, wurde schnell „Wir sind das Volk“. Dies wurde noch einmal abgewandelt in „Wir sind ein Volk“, um auch die Polizisten und Sicherheitskräfte mit einzubeziehen, die die Demonstrationen begleiteten.

Die Regierung war mit den Ereignissen überfordert. Bereits mit der beginnenden Massenflucht von DDR-Bürgern (über Ostblockstaaten wie Ungarn nach Westen) war sie überlastet. Der SED-Führung wurde jedoch klar, dass sie ein neues Einreisegesetz vorlegen musste. Als am 9. November 1989 verkündet wurde, dass die Reisemöglichkeit „ohne Vorliegen von Voraussetzungen“ über Grenzübergänge ins Bundesgebiet und nach West-Berlin „sofort, unverzüglich“ gelte, machten sich prompt tausende Menschen auf den Weg zu den innerstädtischen Grenzübergängen, um dort immer lauter auf die Öffnung der Grenze zu drängen. Um 21 Uhr kam es zur ersten Grenzöffnung an der Bornholmer Straße in Berlin. Ein Jahr später wurde die Wiedervereinigung Deutschlands offiziell begangen.

Wir sind ein Volk, Image via bpb.de

Menschen am 11. November '89 auf der Mauer in Berlin, Image via: taz.de

Im zweiten Teil dieser Serie geht es um „Power to the People“ außerhalb der Bürgerrechtsbewegungen. Da darf John Lennon mit seinem gleichnamig betitelten Song natürlich nicht fehlen. Genauso wenig wie der US-amerikanische Musiker James Brown. Der nächste Artikel wirft außerdem einen Blick auf Computer Lib, die erste Computerzeitschrift, die 1974 „Computer Power to the People! Down with the Cybercrud“ proklamierte.