Der Aufstieg der Comics in den Vereinigten Staaten war auch maßgeblich von jüdischen Einwanderern geprägt. Sie erfanden Helden wie Superman, Batman oder The Spirit – und schickten sie in den Kampf gegen die Nazis.

Es ist eine so rührende wie komische Geschichte, die der amerikanische Schriftsteller Michael Chabon in seinem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“ erzählt. Sie handelt von zwei jungen, unsicheren Männern, die als jüdische Immigranten in das New York der 1930er-Jahre kommen. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, heuern die aus Osteuropa Geflohenen in der boomenden Comic-Branche an. Die kurzen Geschichten, erzählt in wenigen Bildern, gedruckt auf billigem Zeitungspapier, feierten damals ihren Siegeszug und wurden zum Massenmedium.

The Amazing Adventures of Kavalier & Clay written by Michael Chabon, Image via wikipedia.org

Einer der beiden Männer, der aus Prag stammende Josef Kavalier, erfindet eine eigene Figur: den Eskapisten, einen Superhelden mit blauem Umhang, dem es gelingt, aus jeder noch so brenzligen Situation zu entfliehen. Die Tricks, mit denen er dabei operiert, hat er sich beim legendären Entfesselungskünstler Harry Houdini abgeschaut. In den Kampf schickt Klay seine erfundenen Helden gegen einen ganz realen Feind: den immer stärker werdenden Faschismus. 

Auf Krypton trägt Superman einen hebräischen Namen 

„Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“ ist herrlich versponnene Fiktion, beruht jedoch auf einer wahren Geschichte. Es waren tatsächlich zwei jüdische Zeichner, die Einwanderersöhne Jerry Siegel und Joe Shuster aus Cleveland, die die Superman-Figur erfunden haben – und die sie als Kämpfer gegen die Nazis auftreten ließen. Ab 1938 eroberte ihr Held vom Planeten Krypton den Comic-Markt (ein eigenes Magazin, in dem Superman auftrat, hatten Siegel und Shuster ab 1933 im Selbstverlag veröffentlicht). In Nazi-Deutschland durften die Strips auf Befehl von Propagandaminister Joseph Goebbels nicht erscheinen.

Cover von Action Comics #1, Image via dc.wikia.com

1940 veröffentlichten Shuster und Siegel die Episode „How Superman Would End The War“, in der es ihrem Held gelang, den Schurken Hitler vor ein Gericht zu zerren, ihm den Prozess zu machen. Superman war Antifaschist durch und durch. Und sein Geburtsname ein hebräischer: Als Kal El (Gott ist in allem) kam er auf Krypton zur Welt. Trotzdem wurde er im Grunde nie als jüdische Erfindung wahrgenommen. Der Weltretter im blauen Kostüm und die unzähligen anderen Comic-Wesen mit übernatürlichen Kräften waren immer vor allem: amerikanische Helden. Und so erklärt sich auch, dass die jüdischen Wurzeln des Comic-Genres lange unbeachtet blieben. 

Die jüdischen Zeichner „amerikanisieren“ ihre Namen 

Denn Siegel und Shuster waren längst nicht die einzigen Zeichner jüdischen Glaubens, die in der Comic-Branche den Erfolg suchten. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, als auch die Künstler der Ausstellung Pioniere des Comic ihr Werk aufnahmen, arbeiteten überproportional viele jüdische Einwanderer aus dem Osten Europas an den Strips, die zunächst in den Tageszeitungen, ab den dreißiger Jahren aber auch in eigenen, reinen Comic-Heften erschienen sind. Comic-Zeichner wurden viele dieser Immigranten, die so gut wie mittellos in die Vereinigten Staaten gekommen waren, nicht aus Passion, sondern schlicht und einfach, weil sie sich ein Leben als Künstler nicht leisten konnten, weil sie sich mit dem Zeichnen von Comics zwar kein gutes, aber immerhin überhaupt ein Einkommen erwirtschaften konnten.

Jerry Siegel und Joe Shuster, Image via screenrant.com

Cover of Captain America Comics #1, Image via wikipedia.org

Nicht nur Superman, sondern auch Batman, Captain America, Spider-Man oder die Fantastischen Vier wurden von jüdischen Zeichnern erdacht. Häufig hatten die Comic-Künstler ihre Namen „amerikanisiert“, hatten ihre Wurzeln so unsichtbar gemacht. Bob Kane, der Zeichner von Batman, hieß eigentlich Robert Khan. Comic-Legende Jacob Kurtzberg, der für die Serie „Die Fantastischen Vier“ tätig war, trat als Jack Kirby auf, der Zeichner Slanley Lieber verkürzte seinen Namen zu Stan Lee. Einige Ausstellungen in den vergangenen Jahren, in Berlin, in Paris, aber auch im Jüdischen Museum in Frankfurt („Superman und Golem“, 2009), haben die Geschichten dieser Zeichner nun wieder ins Bewusstsein gerufen, und auch in der Wissenschaft wurden die jüdischen Wurzeln der Comics mittlerweile intensiv untersucht. 

Jüdische Zeichner prägen das Genre bis heute auf intensive Weise. Der 2005 verstorbene Will Eisner, der die Figur The Spirit (auch er kämpfte gegen Nazi-Deutschland, in einer Geschichte aus dem Jahr 1941 bekehrt er in New York Adolf Hitler) erschuf, gilt als Erfinder der Graphic Novel, des literarischen Comics. Robert Crumb, Gerry Shamray und Diane Noomin wurden zu Stars des Underground-Comics, Harvey Kurtzman erfand „Mad“. Art Spiegelman erzählte in „Maus“ eindringlich von seinem Vaters, der den Holocaust überlebte, es ist eine Geschichte, die einem den Atem raubt, die einen nicht mehr loslässt, ein Meisterstück des Genres. Eine besondere Stimme unter den zeitgenössischen Künstlern ist Rutu Modan: In ihren Graphic Novels erzählt die Künstlerin vom Leben in Israel.

Jack Kirby, Image via wikimedia.org