New York/New Wave: Die legendäre Ausstellung im P.S.1 öffnet dem jungen Jean-Michel Basquiat 1981 die Türen zur Kunstwelt. Die SCHIRN hat die Hängung seiner Werke originalgetreu rekonstruiert.
Jean-Michel Basquiat und der Kurator Diego Cortez begegnen sich 1979 zum ersten Mal im Mudd Club in Downtown Manhattan. Zwei Jahre später kuratiert Cortez die Gruppenausstellung New York/New Wave im New Yorker P.S.1. In der Nacht der Eröffnung wird Kunstgeschichte geschrieben: Die Ausstellung wird ein Blockbuster Erfolg und öffnet dem damals 20 Jährigen Basquiat die Türen zur Kunstszene New Yorks. Die SCHIRN hat in der Ausstellung "Basquiat. Boom for Real" die damalige Werkanordnung originalgetreu rekonstruiert.
Long Island City, Queens 1981. Am 15. Februar eröffnet im P.S.1, Institute for Art and Urban Resources, Inc. – das heute von Klaus Biesenbach geleitete MoMA PS1 – die Gruppenausstellung New York/New Wave, kuratiert von Diego Cortez. Die großflächigen Räume sind voller Menschen, der Besucherandrang enorm: über zwei Blocks zieht sich die Warteschlange, um Cortez´ Portrait der Underground Kunst- und Post-Punkszene von New York City zu sehen. Die Ausstellung zeigt über 100 etablierte und weniger arrivierte Künstler, Musiker, Schriftsteller und Filmemacher aus der No Wave Szene, wie etwa Andy Warhol, Keith Haring und Nan Goldin, heute bekannte Größen der Kunstwelt. Unter ihnen der damals 20-jährige Jean-Michel Basquiat.
Ein Porträt der Post-Punk Szene New Yorks
Die Wände sind vom Boden bis zur Decke mit Werken behangen. Unterschiedliche Medien und Stile hängen Seite an Seite; Fotografie neben Graffiti, neben Zeichnungen, neben Objekten. Jean-Michel Basquiat ist der einzige Künstler, der prominent mit seiner Malerei präsentiert wird. Seine Arbeiten schmücken den letzten Ausstellungsraum und ziehen durch ihre neue visuelle Sprache das New Yorker Publikum magisch an.
Die New Wave, die experimentelle Downtown Kultur Manhattans, eine Symbiose aus Musik, Film, Performance und Kunst spiegelt den Puls der Zeit wieder und entlädt ihre ganze Energie in Cortez‘ Ausstellung. Die Avantgarde Bewegung gilt als Gruppe kreativer, rebellischer Autodidakten – Eigenschaften, mit denen auch Basquiat selbst sich gerne beschreibt. Das Interesse an dieser frenetischen und sozial kritischen Kunst Ende der 70er- und zu Beginn der 80er-Jahre überträgt sich von der Straße in die Galerien New Yorks.
Cortez' und Basquiats erste Begegnung: Auf der Tanzfläche im Mudd Club
Es ist eine Zeit der Rebellion, der Experimente und der künstlerischen Freizügigkeit. Zwar ist New York kurz vor dem Bankrott, doch lässt sich die Underground Szene die Laune nicht verderben. Im Gegenteil: Sie schöpft aus diesem Mangel eine kreative Energie, die auch Diego Cortez anzieht. Der junge Kurator verbringt damals viel Zeit in den Kreisen der No Wave Filmemacher und Musiker, wie John Lurie, Scott und Beth B oder Lydia Lunch. Als Mitbegründer des ursprünglich als Punk-Club konzipierten Mudd Club in SoHo, dessen Räume später auch Künstlern wie Basquiat und Keith Haring als Ausstellungsfläche und Galerieraum dienen, lernt Cortez Jean-Michel Basquiat 1979 auf der Tanzfläche kennen.
Fasziniert von seinen SAMO©-Arbeiten und überzeugt von seinem Talent, ermutigt er den mittellosen, in der Szene bereits beliebten jungen Mann zum Malen und Zeichnen, zum Schaffen von Kunstwerken, um diese zu verkaufen. Er gibt ihm Geld, sodass dieser sich die notwendigen Materialien leisten kann. Cortez‘ Idee für seine populäre Gruppenausstellung geht auf die Ausstellung The Times Square Show im Juni 1980 zurück, die auf dem Titelblatt der Village Voice als „erste radikale Kunstshow der 80er“ überschwängliche Kritik erntet. Vom Erfolg der Punk Portrait Show begeistert, an welcher Basquiat u.a. gemeinsam mit Keith Haring teilnahm, beschließt der junge Kurator seine eigene Ausstellung mit dem Titel New York/New Wave zu organisieren.
Immer nur weiße Wände und weißer Wein
In der Dokumentation "The Radiant Child" von Basquiats damaliger Freundin Tamra Davis 2010 formuliert Cortez sein Interesse an der Show dergestalt, dass er müde gewesen sei, weiße Wände mit weißen Menschen, die weißen Wein trinken zu sehen. Begeistert von der Idee und auf das Geld angewiesen fertigt Basquiat für New York/New Wave in kürzester Zeit über zwanzig Zeichnungen und Gemälde auf verschiedensten Bildträgern an: Metall, Gummi, Papier, Leinwand und Holz. Er macht sich den gesamten Ausstellungsraum zu eigen, nutzt die volle Höhe und Breite der Ausstellungswände und platziert seine 23 Arbeiten in synkopischem Rhythmus, um die Sehgewohnheiten der Betrachter herauszufordern und den Blick für das Neue zu schärfen.
Im selben Atemzug fertigt Basquiat die Werbeschilder für die Ausstellung an. Darunter das prominente Jimmy Best und das auf eine Metallplatte gesprühte Graffiti mit dem Schriftzug "NEW YORK NEWAVE", welches im Korridor nahe dem Eingang der Ausstellung hängt. Es ersetzt nicht nur die Plakatwerbung, sondern avanciert schließlich zum Statement und Markenzeichen der Veranstaltung.
Ein explosiver Erfolg mit Nachhall
Noch während der Ausstellungslaufzeit werden Galeristen und Sammler wie Annina Nosei, Emilio Mazzoli und Bruno Bischofberger gleich einem Lauffeuer nacheinander auf den jungen Jean-Michel Basquiat aufmerksam. Die Galeristin Nosei ist zu der Zeit bekannt, internationale zeitgenössische Künstler wie Francesco Clemente, David Salle und Sandro Chia zu vertreten. Sie nimmt Basquiat unter Vertrag, spendiert nicht nur Farbe und Leinwand, sondern stellt dem Künstler zusätzlich den Keller ihrer Galerie in der 100 Prince Street in SoHo als Atelier zur Verfügung.
1982, in seiner ersten US Soloausstellung in der Annina Nosei Gallery, werden Basquiats Werke in nur einer Nacht ausverkauft. Kurz darauf folgt die erfolgreiche Einzelausstellung in der Gagosian Gallery in Los Angeles, West Hollywood sowie die ARTFORUM Cover Story The Radiant Child des Schriftstellers und Kunstkritikers Rene Ricard. Basquiats Karriere geht von da ab steil bergauf. Als jüngster teilnehmender Künstler der Documenta 7 geht der Maler ein Jahr später in die Kunstgeschichte ein und wird noch im Laufe seines kurzen Lebens zur Kultfigur.
DIGITORIAL ZUR AUSSTELLUNG
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