Auch René Magritte musste seinen Lebensunterhalt verdienen: Trotz seiner Abneigung gegenüber Werbung, schuf er schon in seinen frühen Jahren erfolgreich Auftragsarbeiten.
1946 lanciert René Magritte unter den Künstlern des Surrealismus eine Umfrage nach Art des berühmten Proustschen Fragebogens. Er fragt nach den Dingen, die der Befragte am meisten hasst, am meisten liebt, am meisten wünscht und am meisten fürchtet.
Seine eigene Antwort auf die erste Frage lautet: „Ich verachte meine Vergangenheit und die der anderen. Ich verachte die Resignation, die Geduld, das professionelle Heldentum und alle schönen pflichtgemäßen Gefühle. Ich verachte auch die dekorativen Künste, die Folklore, die Werbung…“
Künstler als Werbegrafiker
Magritte äußert hier seine scharfe Abneigung gegenüber der Werbung. Und dennoch hat er selbst lange Zeit Werbung gemacht, zuletzt 1965 mit einer für Werbezwecke benutzten Auftragsarbeit für die damalige staatliche belgische Fluggesellschaft Sabena. Und hierin findet er sich durchaus in allerbester Gesellschaft. Viele bekannte Künstler gestalteten Werbegrafiken, etwa Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) für den Moulin Rouge, Wassily Kandinsky (1866-1944) für Chocolats Extra, César Klein (1876-1954) für Pelikan Tinte, Karl Hofer (1878-1955) für Kaffee-Messmer, Willi Baumeister (1889-1955) für Odol, Max Pechstein (1881-1955) für Landhaus und Garten bei Friedemann und Weber. Victor Vasarely (1908-1997) und Andy Warhol (1928-1987) starteten ihre Karriere gar als Werbegrafiker. Erinnert sei auch an die Pop-Art-Künstler(innen), welche die Werbung in die Sphäre der Kunst überführten.
Eine seiner ersten Werbegrafiken macht Magritte 1918 als Zwanzigjähriger für den „Pot au feu Derbaix“, als er noch an der Akademie der Schönen Künste beim Maler und Gebrauchsgrafiker Gisbert Combaz (1869-1941) studiert. Mit dem durchaus noch konventionellen Plakat, das den Spruch, „Um ein starker Soldat zu werden trinke ich Derbaix-Suppe“, trägt, verdient er etwas Geld.
Kunst tötet Kunst
1921 tritt Magritte eine Tätigkeit als Entwurfszeichner in einer Tapetenfabrik in Haren an. Dort lernt er den Maler Victor Servranckx kennen, mit dem er 1922 den Text „L’Art pur. Défense de l’esthétique“ schreibt: „Die angewandte Kunst tötet die reine Kunst… um zu leben, verschwenden viele Künstler ihre beste Zeit, verausgaben sich bei der Herstellung von Kunstgewerbeobjekten, die im großen Maßstab verkäuflich sind. Diese mittelmäßigen Werke befriedigen auf mittelmäßige Art und Weise das ästhetische Bedürfnis der Menschen, die aufgrund dieser Tatsache keinerlei Interesse für die reinen Kunstprodukte dieser Künstler aufbringt, und zwar in einem Ausmaß, daß diese schlicht unverkäuflich sind. Der Künstler soll vom Produkt seiner Arbeit leben.“
1924 wird Magritte schließlich der Tapetenfabrik kündigen, und beginnt mit Auftragsarbeiten für das Modehaus Norine, die an den Stil von Sonja und Robert Delaunay erinnert. Dann wird er noch eine Reihe von Titelseiten für Musikeditionen gestalten und entschließt sich 1925, „Objekte nur noch mit all ihren sichtbaren Details zu malen“. Diese Änderung seines künstlerischen Stils findet sich auch in Magrittes Werbegrafiken, etwa dem 1926 gestalteten Plakat für die belgische Sängerin Primevère. Keck tritt uns dort die Sängerin mit ihrem ultramodernen Bubi-Haarschnitt und aufregend grünem Ballkleid entgegen. Sie steht am äußersten Rand der kahlen Bühne, neben einem roten Vorhang, und verweist mit ihrer Rechten auf den Schriftzug ihres Namens im linken oberen Bildbereich.
Einfache Botschaften
Von 1927 bis 1930 verbringt Magritte einige magere Jahre in Paris und kehrt schließlich nach Brüssel zurück. Dort wird er zusammen mit seinem Bruder Paul das Werbestudio Dongo gründen, benannt nach Fabrice del Dongo, dem (Anti)helden in Stendhals Roman „Die Kartause von Parma“. Das Werbestudio ist in einer kleinen Werkstatt in der Nähe von Georgettes und Renés Wohnung beheimatet. Die Arbeiten, die dort entstehen, haben einen viel klareren Stil, der mit einer einfachen Botschaft das zu bewerbende Objekt anpreist.
Ein Beispiel aus dieser Zeit ist die Werbegrafik für Toffée Antoine Tonny’s von 1931. Hier streiten sich Katz und Hund um ein Karamellbonbon, so dass einem heute noch das Wasser im Munde steht. Das Studio Dongo folgt hier einer der Forderung nach Neutralität und Objektivität der Werbebotschaft, wie sie vom französischen Werbefachmann A. Mouron, der Cassandre genannt wurde und viel für die Entwicklung des Plakats in den 1930er Jahren beigetragen hat, vertreten wurde. So schrieb Cassandre: „Der Werbegrafiker hat keine Botschaften, er vermittelt diese, man fragt ihn nicht nach seiner Ansicht, man bittet ihn einfach nur um eine deutliche, klare, präzise Kommunikation.“ Später macht Magritte auch Werbeentwürfe im Stil des Sozialistischen Realismus, aber auch für Parfum oder Prestigeereignisse wie den internationalen Filmfestivals in Brüssel 1947 und Knokke 1949.
Magrittes Bildwelten für Werbezwecke
Bis in die aktuelle Gegenwart, werden Magrittes Bildwelten für Werbezwecke benutz, um Versicherungen, Platten, Kreditkarten, Automobile und ähnliches mehr zu verkaufen. Es handelt sich dabei jedoch um Zitate von Magrittes künstlerischem Werk. Ob Magritte dies gefallen hätte, darf bezweifelt werden. Er trennt scharf zwischen seinen Verkaufsgrafiken und seiner Kunst. In einem Entwurf seiner Autobiographie schrieb der belgische Künstler: „René Magritte erträgt die Fabrik so wenig wie die Kaserne. Nach Ablauf eines Jahres als Angestellter kündigt er, und versucht, seinen Lebensunterhalt mit stupiden Arbeiten aufzubringen: Plakate und Werbezeichnungen“.
Trotz aller geäußerten Ablehnung war Werbung für Magritte nicht nur ein Broterwerb, sondern hatte, etwa was das Verhältnis von Wort und Bild anbelangt, sicherlich eine deutliche Auswirkung auf seine Praxis als Künstler gehabt. Anders als Kunst hat Werbung aber eine Botschaft, die sich sofort erschließt oder zumindest sofort erschließen sollte. Sie bildet das diametral Entgegengesetzte von Kunst. In Magrittes Kunst gibt es immer Momente, die unerklärbar bleiben, trotz aller Interpretationsversuche. Es bleibt stets ein Rest Poesie.