Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde René Magritte Mitglied der Kommunistischen Partei Belgiens und träumte vom Weltfrieden. Sein Verhältnis zur Politik wirkt aus heutiger Sicht reichlich naiv.
Es mag überraschen, dass der nach Außen hin so angepasst und bürgerlich auftretende, stets Anzug und Krawatte tragende René Magritte, Mitglied der Kommunistischen Partei war. Dass ein Mensch, der die Realität ablehnte – Magritte war schließlich Surrealist –, Kommunist war, wie konnte das mit dem Marxistischen Materialismus einhergehen?
Ein typisches Beispiel für die Missverständnisse zwischen Magritte und seinen Parteigenossen entbrannte beispielsweise an seinem Gemälde ›Le modèle rouge‹ (›Das rote Modell‹). Das Bild, das einen Stiefelschaft zeigt, der sich in einen nackten Fuß verwandelt, wurde 1935 in der Zeitschrift "Document" abgebildet, was zu einer heftigen Attacke in der "Action Révolutionnaire Culturelle" (A.R.C.) gegen Magritte führte. Ihm wurde vorgeworfen mit dem Bild und dem ihm gegebenen Titel darauf anspielen zu wollen, dass alle Kommunisten nur Füße seien. Die Titel der Gemälde wörtlich zu nehmen, ist wohl ähnlich irreführend, wie die Deutung zweier Psychoanalytiker, die Magritte in London – wie dieser in einem Brief vom 12. März 1937 an seinen Freund Louis Scutenaire schreibt –, auf das Gemälde ansprachen: „So denken sie, daß mein Bild ›Das rote Modell‹ ein Fall von Kastration sei.“
Für die Freiheit und gegen die Propaganda
René Magritte trat 1945 in die Kommunistische Partei Belgiens ein, soviel ist sicher. Vermutlich war er bereits 1932 und 1936 dort eingeschrieben, wie der Künstler Willem Pauwels behauptete, der ferner angab, er sei dabei stets der Mittelsmann gewesen, doch lässt sich dies weder belegen noch dementieren. In einem Interview im Belgischen Fernsehen 1966 sagte Magritte, der Surrealismus tendiere zur Freiheit, und was in der Politik die Freiheit repräsentiere, sei eben die Linke. Er glaubte die Kommunisten dazu bringen zu können, anzuerkennen, dass Kunst keine Propagandakunst sein dürfe, scheiterte hierin aber wie auch die französischen Surrealisten.
Den Gedanken, dass sich Kunst „nicht einzig auf den Ausdruck politischer Ideen […] oder auf die erbauliche Darstellung bekannter Szenen aus dem Leben der Arbeiter“ beschränken solle, entwickelte Magritte in einer Notiz für die Kommunistische Partei.
Luxus für die Arbeiterklasse
Zwar bestätigte er zunächst, dass „die bildhafte Umsetzung politischer Ideen“ nützlich für das Klassenbewusstsein sei, wahre Kunst aber sei ein Luxus des Denkens und Luxus sei keineswegs schädlich für die Arbeiter: „Das Klassenbewußtsein ist notwendig wie das Brot; aber das will nicht heißen, daß die Arbeiter zu Wasser und zu Brot verurteilt sein müssen und daß es für sie schädlich wäre, Hähnchen und Champagner zu wünschen. Denn wenn sie Kommunisten sind, so eben deshalb, damit sie ein besseres, menschenwürdiges Leben erreichen können. Die Rechtfertigung der künstlerischen Tätigkeit liegt für den kommunistischen Maler darin, Bilder zu realisieren, die ein Luxus des Denkens sind, ein Luxus für eine kommunistische Gesellschaft, der – das versteht sich von selbst – verschieden ist vom unnützen, ostentativen und geschmacklosen Luxus der heutigen Ausbeuterklassen.
Diesen Luxus aus der sozialistischen Welt systematisch ausschließen zu wollen hieße, in eine schuldhafte und schmutzige Organisation der Mittelmäßigkeit einwilligen, auf der Ebene des Denkens zumindest. Ein besseres Leben läßt sich ohne einen wahrhaften Luxus nicht vorstellen.“
Sozialistisch im Inhalt, Realistisch in der Form
In einem vermutlich im Sommer 1946 geschriebenen, vertraulichen Text an die kommunistischen Intellektuellen, hinterfragte Magritte die Vorgaben der Kommunistischen Partei, die eine leicht zugängliche Kunst forderte, welche „die marxistischen Siege und Ihre Ideen zu rühmen oder zu verbreiten“ habe. Dies führe zu Stillstand und verhindere die Befreiung des Menschen: „Dieses Kunstverständnis gleicht in jedem Punkte dem, welches bei den Nazis in Ehren stand. […] Es ist also überraschend, bei den marxistischen Theoretikern das gleiche Mißtrauen Kunstformen gegenüber zu finden, deren Erscheinen zusätzliche Chancen für die wachsende Befreiung des Menschen eröffnet. Das ist eine Gefahr, die anzuzeigen unerläßlich ist.“
Zunächst gestaltete Magritte selbst Propagandakunst, wovon zwei Entwürfe für die Zentrale der belgischen Textilarbeiter künden. Sie sind im Stile des Sozialistischen Realismus gehalten, der sich selbst beschrieb als „Realistisch in der Form, Sozialistisch im Inhalt“, und in der Regel uninspirierende Funktionskunst war.
Die Entfremdung
Die Entwürfe wurden abgelehnt, wie auch Magrittes Vorschläge für eine wahrhaft revolutionäre Kunst auf taube Ohren stießen: „Wir hatten es mit Schwerhörigen zu tun. Man bat mich um zwei oder drei Plakatentwürfe. Alle wurden abgelehnt. Der Konformismus war in diesem Milieu genauso offenkundig wie in den borniertesten Kreisen der Bourgeoisie. Nach einigen Monaten unterbrach ich meine Besuche, und seitdem hatte ich keine Beziehung mehr zur Partei. Es gab weder Ausschluß noch Bruch, aber, von meiner Seite, völlige Entfremdung, endgültige Entfernung.“
Auf die Frage, ob der Beitritt ihres Mannes in die Kommunistische Partei mit seiner philosophischen Lektüre in Verbindung stehe, sollte Magrittes Gattin Georgette später antworten: „O nein, das war nach dem Krieg, als eine allgemeine Stimmung der Dankbarkeit den Russen gegenüber herrschte. Einige seiner Freunde waren ebenfalls Mitglied, aber nach sehr kurzer Zeit interessierte es ihn nicht mehr.“
Für den Weltfrieden
Doch auch außerhalb der KP blieb Magritte sein Leben lang ein Idealist, der vom Weltfrieden träumte. „Ich fühle mich weder von der Kompetenz noch der Energie her für den politischen Kampf gerüstet. Aber ich lege Wert darauf, daß Du sagst, daß ich für ›den Sozialismus‹ bin und bleibe … das heißt für ein System, das die Ungleichheiten des Vermögens, die Zwänge, die Kriege abschaffen würde. In welcher Form? Mit welchen Mitteln? Ich weiß es nicht, aber auf dieser Seite stehe ich, trotz der Fehlschläge und Enttäuschungen.“