Dan Bodan gibt gemeinsam mit der Künstlerin Britta Thie an der Nacht der Museen am 25. April eine Konzertperfomance in der Schirn. Ein Gespräch mit dem kanadischen Musiker in Berlin
"Ich denke, dass mein Song ein wenig zu sehr nach den Achtzigern klingt, und auf sowas reagiere ich enorm empfindlich. Wenn etwas zu sehr nach etwas anderem klingt, möchte ich nichts damit zu tun haben." Der kanadische Musiker Dan Bodan spricht am Ende eines Mittagessens in Berlin – das seit acht Jahren seine Heimat ist – lebhaft über seinen Song "Under A Cancer Sky". Doch unterschwellig enthält das, was er sagt, eine prägnante Definition dessen, was es bedeutet, Künstler zu sein: Die Notwendigkeit, etwas zu schaffen, das anders ist und einzigartig, selbst in einem Medium, das so eingehend bearbeitet worden ist wie seins – der Pop-Musik.
"Under A Cancer Sky" ist Teil seines ersten offiziellen Albums, "Nudity & Atrocity" aus dem Jahr 2011 – Bodan hat sich von den vorangegangenen Releases abgewendet – und ein klangvolles Pop-Stück, das aus der Lo-Fi Düsternis, den Klangskizzen und der Verrauchtheit dieses Albums mit Ohrwurmqualitäten heraussticht. Doch es ist nicht das einzige Stück auf dem Album, in dem sich seine kontrollierte Art der Liedkomposition zeigt. Und während Bodans Stil eindeutig in einer Tradition wurzelt, die auf die Gesangsstücke des Jazz und Pop der 1950er-Jahre und auf das noch frühere Musical zurückgeht, stehen seine charmant-klapprigen selbstgemachten Produktionen und die geschmeidigeren Kooperationen des Nachfolge-Albums "Soft" in deutlichem Kontrast dazu.
Ich habe versucht, moderne Songs über unglückliche Liebe zu schreiben
"Under A Cancer Sky" ist Teil seines ersten offiziellen Albums, "Nudity & Atrocity" aus dem Jahr 2011 – Bodan hat sich von den vorangegangenen Releases abgewendet – und ein klangvolles Pop-Stück, das aus der Lo-Fi Düsternis, den Klangskizzen und der Verrauchtheit dieses Albums mit Ohrwurmqualitäten heraussticht. Doch es ist nicht das einzige Stück auf dem Album, in dem sich seine kontrollierte Art der Liedkomposition zeigt. Und während Bodans Stil eindeutig in einer Tradition wurzelt, die auf die Gesangsstücke des Jazz und Pop der 1950er-Jahre und auf das noch frühere Musical zurückgeht, stehen seine charmant-klapprigen selbstgemachten Produktionen und die geschmeidigeren Kooperationen des Nachfolge-Albums "Soft" in deutlichem Kontrast dazu.
"Soft", das im letzten Jahr von DFA Records herausgebracht wurde, verrät viel über den Künstler, und zwar anhand der Liste seiner Produktionspartner, die hauptsächlich aus seinen Berliner Freundeskreis bestehen – darunter die experimentellen Electro-Dance Produzenten Physical Therapy, Ville Haimala von Renaissance Man, und M.E.S.H. "Das ist die Musik, die ich höre", erklärt Bodan. Doch trotz seiner Liebe zu dieser Musik war erst ein Remix von Lars TCF Holdhus – unter seinem Pseudonym Cracksmurf – nötig, um die Zusammenhänge klar werden zu lassen. "Ich habe mich selbst nie in dieser Richtung gesehen", erklärt Bodan weiter, "oder daran gedacht, dass meine Musik ein Teil dieser Welt werden könnte." Unter diesen Einflüssen formten sich seine Melodien und wurden zur soliden, reichhaltigen, ausgefeilten Kulisse für seine Tenorstimme.
Wenn in der Produktionsqualität von dem älteren zum aktuellen Album ein deutlicher Sprung nach vorne zu spüren ist, entspricht das auch der Intensität von Bodans Live-Auftritten. Vorbei ist es mit der Nonchalance oder ironischen Distanz in Vortrag und Thema. Im fremdartigen, mechanistischen, elektronischen Pulsieren der Musik fühlt sich das, was bleibt, nackt, verwundbar und überaus real an – soft. "Ich habe versucht, moderne Songs über unglückliche Liebe zu schreiben", sagt er. Liebe ist auf dem Album, neben Themen wie Technologie, dem Klassenkonflikt und der stets mitschwingenden Homosexualität, überaus präsent. "Es sind keine Gay-Songs, doch gleichzeitig sind sie es doch, weil ich schwul bin", sagt er. "Einige von ihnen handeln von Dingen, die nur schwulen Männern passieren. Vor allem 'Catching Fire', das von einem klassischen Fall von Missbrauch in einer Beziehung handelt, aber einer Beziehung zwischen zwei Männern. Und das hat eine ganz andere Dynamik, eine, für die es in der Musik – soweit ich weiß – keinen Vorläufer gibt. Deswegen habe ich den Song geschrieben: Als mir das passierte, gab es in meinem Leben niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Es geht um die Verschmelzung unserer beider Persönlichkeiten und darum, eine Beziehung zu beginnen, die auf beiden Seiten von Missbrauch geprägt ist, darum, dass beide Monster und zugleich Opfer sind. Es war der Versuch, in der Diskussion über Missbrauch etwas detaillierter zu sein, als einfach zu sagen, 'Diese Person ist schrecklich,und ich war ein Opfer.' Es gibt sicherlich Fälle, in denen es so einfach ist, hier war es aber nicht so."
Heute spricht Bodan sehr sachlich darüber, doch da sich in einem guten Teil von "Soft" eine solche Art von Katharsis findet, gewinnen die lyrischen Versatzstücke eine neue schmerzliche Schärfe. Und der Refrain "hunger games" in "Catching Fire" erhält eine schaurige Doppeldeutigkeit, indem er sarkastisch mit dem Titel eines beliebten Science-Fiction-Romans und der gleichnamigen Filme spielt.
Die starke Bildlichkeit des Dramatikers Bodan unterstreicht seinen Bezug zum Musiktheater, zu dem er seine Liebe bekennt. Zum Theater selbst hält er jedoch Distanz. "Ich hasse Schauspieler", stellt er klar, "ich sehe mir nicht gerne Theaterstücke an. Ich sehe mir gerne bekannte Szenen an und ich liebe Kostüme, doch den Akt des Schauspielerns mag ich nicht. Wenn ich also sage, dass ich das Musical liebe, heißt das eigentlich, dass ich die Radiomitschnitte liebe. In meiner Jugend habe ich oft und gerne diese Aufführungsmitschnitte gehört. Das ist mein Verhältnis zum Theater – es geht nicht so sehr um die Bühne, sondern um das Erzählen und den dramatischen Aspekt."
Doch genug von seinen Vorbehalten gegen das Schauspiel. Bodan als Person ist in seiner Lebhaftigkeit – es scheint er nutzt seine Musik als emotionales Ventil – so individuell, dass die Künstlerin Britta Thie ihn für ihre demnächst ausgestrahlte Web-Serie "Translantics" besetzte, in der "ich praktisch mich selbst spiele. Oder das, was sie in mir sieht, was sogar noch komischer ist." Und obwohl er dieses Projekt nur ansatzweise beschreiben kann ("Es ist irgendwie ihre Antwort auf die Fernsehserie 'Girls'. Ich verstehe das nicht komplett, doch habe ich zu Britta volles Vertrauen."), werden die beiden die Serie am 25. April in der Schirn Kunsthalle Frankfurt gemeinsam eröffnen, mit einer Musikperformance von Bodan und Gedichten von Thie.
Bodans Beziehungen zur Kunstwelt der Hauptstadt haben ihm während seiner Berliner Zeit in mehr als nur sozialer Hinsicht weitergeholfen. Und wenn Simon Dennys künstlerische Gestaltung des Albums "Nudity & Atrocity" – eine Pizza, die von einer CD in Teile geschnitten wird – wie ein Insider-Witz anmutet, enthält Julien Ceccaldis Layout für "Soft" die für ihn typischen androgynen Comicfiguren: ein geistiges Pendant zum Album, das sie begleiten.
Die Songs von Bodan haben, wie die transsexuellen Figuren Ceccaldis, etwas Vertrautes. Häufig folgen sie bestimmten Konventionen. Doch sind sie ungewöhnlich und individuell – anders. Bodan zieht Kraft aus ihrer Ehrlichkeit. "Sie passt nicht für jeden", sagt er über seine Musik. "Doch es ist eine pragmatische Lebensart, einfach wirklich ehrlich zu sein. Wenn du über deine Gefühle niemals lügst, kommt auch der Selbstzweifel nie ins Spiel."