In seinen Videoarbeiten lässt Josh Kline tote Popstars mit digitaler Technik wiederauferstehen. Damit spekuliert er nicht nur darüber, wie Whitney Houston heute über ihren Tod denken würde. Er nimmt auch Bezug auf eine von Selbstoptimierung und Vergänglichkeit besessene Gesellschaft.
Fast schon gespenstisch ist derzeit die doppelte Präsenz von Whitney Houston in der SCHIRN. Zwischen den Fotos von anderen verstorbenen Stars findet man ein Foto von ihrer aufgebahrten Leiche in der Ausstellung "Paparazzi!". In der Ausstellung "Unendlicher Spaß", ein paar Räume weiter, spielt Whitney die Hauptrolle in einem Video. In seiner Arbeit "Forever 48" hat der New Yorker Künstler Josh Kline mit digitaler Technik das Gesicht der 2012 verstorbenen Sängerin auf den Körper einer Schauspielerin verpflanzt. Als digitaler Zombie wiedergeboren, wird der Popstar in einer gestellten daytime-talk show befragt. Sie sitzt vor einer weißen Wand auf einem weißen Sessel und trägt ein weißes T-Shirt, auf dem in Großbuchstaben "swag" steht. Am Ende darf sie noch ein Lied ihrer Wahl singen und entscheidet sich für "After Hours" von Velvet Underground.
Natürlich kann man sich zu keinem Zeitpunkt der Illusion hingeben, die echte Whitney hätte ihren Tod Anfang 2012 überlebt: Die Mimik bewegt sich ruckartig, die Gesichtszüge sind verpixelt und gelegentlich setzt die Computeranimation ganz aus, sodass nur das Gesicht der Schauspielerin zu sehen ist. Ein real-time face substitution Programm ermöglicht den unheimlichen Totentanz, bei dem eine Schauspielerin dem Popstar ihren Körper leiht. Überhaupt drehen sich die hölzern vorgetragenen Fragen der Interviewerin oft um Whitneys Körper: Was ist dran an den Gerüchten um ihre Essstörung, und fordern die Drogen und endlosen Partys nicht ihr Tribut? Und wie steht es um ihr Liebesleben?
Und der Spaß endet nie
Es scheint absurd, solche Fragen einer mit Algorithmen zum Leben erweckten Toten zu stellen, bei genauerer Betrachtung aber vielleicht doch nicht so sehr: Bei Popstars spielt schließlich die Person hinter der Maske selten eine Rolle, so sehr sich Fans und Presse auch bemühen, den celebrities zu Leibe zu rücken. "What is it really like to be Whitney Houston?", versucht die Moderatorin herauszufinden -- aber Whitney will darauf nicht so recht antworten. Schließlich behauptet sie selbstbewusst: "I will always be a young person!" Und der Spaß endet nie.
Der 1979 geborene New Yorker Künstler Josh Kline befasst sich mit den Widersprüchen einer Gesellschaft, die gleichermaßen von ewig jungen Popstars und dem eigenen Tod besessen ist. Es gibt von ihm auch noch ein Gegenstück zum Interview mit Whitney. Für seine Ausstellung "Quality of Life" ließ Kline den digital wiederauferstandenen Kurt Cobain über seinen eigenen Tod in einer Talkshow sprechen. Die glatten Oberflächen digitaler Animation gehören zum Material des Künstlers. Damit gehört er zu einer Gruppe, deren Arbeiten vor ein paar Jahren unter dem Begriff "post-internet" zusammengefasst wurden. Der Begriff bezeichnet Künstler, die mit Sujets und Methoden ihres digitalen Alltags arbeiten.
Der Schritt vom Markennamen zum berühmten Gesicht ist nicht so groß
Popstars, Markennamen und gelegentlich ein kritischer Blick auf die Kreativindustrie sind die Themen von Josh Kline. Er parodierte 2012 den Selbstoptimierungsdrang der reichen bürgerlichen Bohème in seiner Installation "Café Gratitude", wo es ungenießbare Smoothies aus Flip-Flops und Patschuliöl zu sehen gab. Außerdem benutzt Kline wie selbstverständlich Markenturnschuhe und Stoffe von teuren Outdoorbekleidungsherstellern als Material für seine Installationen. Der Schritt vom Markennamen zum berühmten Gesicht ist für Kline nicht so groß wie er scheint, denn beides dient der Identifikation, gewollt oder ungewollt. Und mit beidem verbindet man etwas scheinbar Persönliches. Das Gesicht der celebrities ist ebenso schnell wiedererkennbar wie das Nike-Logo. Und Retro-Turnschuhe verkaufen sich ebenso gut wie die Popstars der Vergangenheit.