Ein Lebenskünstler, ein Vorläufer der Internetgeneration, letztlich: ein Zeitgenosse. Jean-Michel Basquiats Werk, sein Leben als Performance und sein humorvolles Spiel mit der klischeebehafteten Künstlerrolle sind aktueller denn je.
Hätte es in den frühen 1980er-Jahren Instagram gegeben, Jean-Michel Basquiat wäre sicher DER King gewesen: „Boom for Real“ – was für ein treffender, explosiver Slogan, um Millionen von Fans um sich zu scharen. Basquiats Profilbild könnte in etwa so aussehen: Ein Shoot im zerknitterten, farbbespritzten Armani Suit, darunter das rote Adidas T-Shirt – Klamotten, die er schon damals trug.
Im Hintergrund sähe man vielleicht sein Studio, gefüllt mit den Insignien des künstlerischen Genies: Großformatige Leinwände auf farbverschmiertem Zementboden, umgekippte Pappbecher und verklebte Pinsel würden das Bild des Kreativen vervollständigen und der Fancrowd ein paar frische Inspirationen liefern.
Ein Leben als Performance
Jean-Michel Basquiat war mehr als nur Künstler, er war ein „Lebenskünstler“. Ob auf Leinwand, Klamotten oder Kühlschrank – er bemalte nahezu alles, was ihm in die Quere kam. Neben seinen Kunstwerken, die vor mysteriösen Zeichen, Codes und energiegeladenen Farben und Figuren nur so sprudelten, designte Basquiat Postkarten und Mode, trat als DJ im legendären Mudd-Club auf und spielte die Hauptrolle – und letztlich sich selbst – im Film „Downtown 81“. Er besaß mehr als 1.000 Videokassetten, verschlang Unmengen an Büchern und kooperierte mit zahlreichen bildenden Künstlern, Musikern und Schriftstellern. Mit einem seiner engsten Freunde und größten Vorbilder, Andy Warhol, schuf er mehr als 150 gemeinsame Arbeiten.
So beschrieb es Basquiats enger Freund Glenn O’Brien. Das Zelebrieren des künstlerischen Genies und der ausgeprägte Individualismus, der die New Yorker Szene damals antrieb, prägte auch Basquiats Schaffen. Er hatte nicht nur das Talent, sich zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort zu umgeben. Sehr aufmerksam beobachtete der junge Künstler, wie seine Umwelt auf ihn reagierte und spielte geschickt mit dem Klischee des schöpferischen Genies.
In den 1970er- und 1980er-Jahren lebte man das Leben als Kunst, als Performance. In den trendigen Kreisen ging es um die Entwicklung von Persönlichkeit und Charakter.
Immer wieder betonte Basquiat sein Talent als Autodidakt ohne formale künstlerische Ausbildung und unterstrich mit Nachdruck seine Unabhängigkeit von der Kunstkritik. Seine Aussagen zeugen von seinem ironischen Umgang mit den Erwartungen an sein handwerkliches und künstlerisches Können.
Krone, © und ®
Das Sampling von unterschiedlichstem Quellenmaterial machte Basquiat zu einem Vorläufer der Copy and Paste Technik – und damit auch zu einem Vorbild für die heutige Internetgeneration. Wiederholt setzte er in seinen Werken allgemein bekannte Symbole und Zeichen, vielfach die Krone, das Copyrightzeichen und das Trademarksymbol, ein. Sie waren Basquiats Signatur und zugleich ein überspitzter Hinweis auf die Authentizität und Originalität seiner Arbeit: Das Copyrightzeichen als Zeichen der Urheberschaft. Das Trademarksymbol als Markenschutz. Die Krone als Ausdruck von Macht und Herrschaft, Würde und Respekt. Auffällig oft malte Basquiat die Krone auf den Kopf von Personen, die er bewunderte, wie Athleten, Schriftsteller oder Musiker. Auch sich selbst stellte der Künstler häufig mit dem Herrschaftssymbol dar, ob auf Selbstporträts oder mit seiner legendären Dreadlock Frisur.
Believe it or not I can actually draw […] but I try and fight against it mostly.
Der wiederholte Einsatz dieser Symbole wirkt wie ein ironischer Seitenhieb auf die Mechanismen des Kunstmarkts, wo die Signatur Wert und Originalität des künstlerischen Oeuvres besiegelt. Basquiat reflektierte seine Autorschaft und setzte sie als Marke und Image gezielt ein. Gleichzeitig machte er sich darüber lustig. So ließ er sich bereits 1981 von seinem Freund Nick Taylor und dem Schriftsteller Rene Ricard die Echtheit eines seiner vielen Notizbücher bescheinigen. Damals stand er kurz vor seiner ersten Soloausstellung in der Annina Nosei Gallery.
Image als wildes Genie
Basquiat pflegte sein Image als wildes Genie, frei von jeglichen Konventionen. Er war sich dabei seiner künstlerischen Begabung durchaus bewusst. Die gekonnte Imagepflege hatte er unter anderem seinem Freund und Förderer Andy Warhol zu verdanken. Aber es ging ihm um viel mehr als die reine Vermarktung seiner Werke. Der rasante Erfolg verhärtete bald seine Haltung gegenüber dem Kunsthandel. Einer der häufigsten Sätze, mit denen Basquiat posthum zitiert wird, lautet:
I wanted to be a star. Not a gallery mascot.
DIGITORIAL ZUR AUSSTELLUNG
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