Die Abwesenheit von etwas: Es sind fundamentale Fragen, die Alberto Giacometti und Bruce Nauman mit ihrer Reflexion über die Leere aufwerfen.
Das Nichts ist abstrakt. Es ist das Gegenteil des Seins. Gewissermaßen ein Nichtsein. Denkt man das Nichts jedoch als Leere, so impliziert dies ebenso eine Präsenz, die zwar abwesend ist oder versteckt bleibt, bereits gewesen ist oder noch erwartet wird, in jedem Fall jedoch ist.
Das Nichts ist also mitnichten nichts. Und wenn Alberto Giacometti und Bruce Nauman sich in ihren Werken mit dem Phänomen des Nichts befassen, ist dies immer auch zu verstehen als eine Auseinandersetzung mit dem Körper, der sich zu diesem Nichts verhält, mit dem Raum, der es umfasst sowie mit den subjektiven, körperlich-sinnlichen Erfahrungsweisen, die letztlich auf die Bedingungen der menschlichen Existenz zurückführen.
Die Leere umfassen
Hände halten die Leere/ Nun die Leere. Das Wortspiel im Titel von Giacomettis Bronzeskulptur „L’objet invisible (Mains tenant le vide)“ von 1934/35 verweist auf zweierlei. Zum einen bezieht er sich direkt auf die Skulptur selbst. Den starren Blick mit den weit geöffneten Augen ins Leere gerichtet, scheint eine lange, schlanke, lebensgroße weibliche Figur mit ihren feingliedrigen Händen das unsichtbare Objekt, die Leere zu umfassen. Gleichzeitig markiert die Arbeit einen Wendepunkt in Giacomettis Werk.
Nach Auseinandersetzungen mit dem Surrealismus und der Avantgarde beschäftigt sich der Schweizer Künstler nun vermehrt mit phänomenologischen Ereignissen, also der Verknüpfung von körperlicher und sinnlicher Erfahrung. Der Mensch, seine Bewegungen, sein Sein im Raum steht, sowohl als Objekt der Untersuchung als auch als Subjekt der Erfahrung, nun noch stärker im Zentrum seines Schaffens. Hier zeigt sich eine Parallele zu Nauman, der in seinen Skulpturen, Performances und Videoarbeiten den Körper als Instrument einsetzt oder eben dessen Nicht-Präsenz zum Thema macht.
Die Räume sind leer
So auch in „Lighted Center Piece“ von 1967/68. Vier enorm helle Halogenlampen richten sich auf die Mitte eines Aluminiumquadrats. Auf der Bühne im Scheinwerferlicht: die Leere. Abwesenheit und Präsenz, Sichtbar- und Unsichtbarkeit, Sinn und Sinnlosigkeit sind wiederkehrende Bezugspunkte für Nauman. Seine Räume sind leer, ohne Referenz, unspezifisch. Auch die Bewegungen, die er in seinen Videoperformances ausführt, sind unbestimmt, alltäglich, rhythmisch.
In ihrer exzessiven Wiederholung verlieren sie jeglichen Sinn. Und wenn sich die Ausstellungsbesucher durch einen engen Korridor zwängen, der Künstler in einer Raumecke auf und nieder springt oder das immer gleiche Wort wiederholt wird, verlaufen nicht nur Bewegungen ins Leere, sondern auch die Sprache wird in ihrer Arbitrarität, also in ihrer grundlegenden Beliebigkeit enthüllt. Kurz, es zeigt sich die Absurdität der menschlichen Existenz.
Die Absurdität der Existenz
Vier Figuren, verhüllt in monochromen Umhängen, bewegen sich in einem Quadrat, steuern gemeinsam auf eine Markierung in der Mitte des Feldes zu, nähern sich einander, ziehen sich wieder zurück und wiederholen den Vorgang immer wieder in einer hypnotisierenden Choreographie. In Samuel Becketts Fernsehstücken „Quadrat I“ und „Quadrat II“ von 1981 finden sich Elemente, die auch die Kunst Giacomettis und Naumans verbinden, wie der Fokus auf Bewegungsabläufe des menschlichen Körpers oder die reduzierten Darstellungsformen.
Auch das „Nichts“ spielt in Becketts Werk bekanntlich eine große Rolle: sowohl als sinngemäße Leerstelle – in seinen fragmentarischen „Erzählungen und Texte zum Nichts“ bleiben ganze Seiten leer – als auch in Form sich wiederholender Abläufe, die als Metaphern für die Absurdität der menschlichen Existenz gelesen werden können. In „Texte um Nichts“ schreibt Beckett: „Wohin ginge ich, wenn ich gehen könnte, was wäre ich, wenn ich sein könnte, was sage ich, wenn ich eine Stimme hätte, wer spricht so und nennt sich ich?“. Fundamentale Fragen des Seins, die auch in Giacomettis und Naumans Werk deutlich zu hören sind.