Eric Mayer begeistert als Reporter und Moderator des Wissensmagazins Pur+ im TV ein junges Publikum. Das SCHIRN MAG hat ihn in der Ausstellung „Basquiat. Boom for Real“ getroffen und mit ihm über Jean-Michel Basquiat, Graffiti und den Mudd Club gesprochen.
Als Eric Mayer an diesem eiskalten Morgen in das Foyer der SCHIRN tritt, bilden sich an den Kassen bereits lange Besucherschlangen. Erst kürzlich hat die Ausstellung Basquiat. Boom for Real eröffnet. Was bei dem Besucheransturm besonders ins Auge fällt: vor allem Jugendliche haben großes Interesse an seinen Werken. Was ist es, was ausgerechnet sie so an Basquiat fasziniert? Ist es allein der Mythos, der sich um den jungen Künstler nach seinem frühen Tod rankt? Oder ist es eher seine bahnbrechende, alle Konventionen überwindende Kunst, die sich aus der Post-Punk-Szene Lower Manhattans der späten 70er- Jahre heraus entwickelte?
Ähnlich begeistert sind die jungen SCHIRN-Besucher von Eric Mayer. Sofort wird der Moderator von ihnen umringt, sie wollen Fotos und Selfies mit ihm machen. Klar, sie kennen ihn aus dem Fernsehen: Seit zehn Jahren ist Mayer, der an der Goethe-Universität Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Amerikanistik studierte, das Gesicht der Wissens- und Jugendsendung Pur+ von ZDF und Kika und damit für viele Jugendliche Identifikationsfigur.
Ein Vorbild für Kinder und Jugendliche
„Das Konzept der Sendung funktioniert zu einem großen Teil über den Moderator“, erklärt Mayer, der mit Erlebnisreportagen allabendlich Kinder und Jugendlich zwischen 7 und 13 Jahren begeistert. Mayer sieht sich als Vermittler, als eine Art „Stuntman des Wissens“, jedoch nicht zwangsläufig als Teil der Jugendkultur. „Ich sehe mich eher als Journalist, der Wissen aufbereitet und jungen Menschen präsentiert“, erklärt Mayer und fügt hinzu: „Ich bekomme für die Jugendlichen automatisch eine Vorbildfunktion, weil ich durch die Sendung bei den Kindern im Alltag so präsent bin und fest in ihr Lebensbild integriert werde.“
Aber nun zu Jean-Michel Basquiat: Er ging mit 16 Jahren von der Schule ab, zog von zu Hause aus und tauchte in die New Yorker Graffiti-Szene der späten 70er-Jahre ein. Graffiti-Tagging war in New York in vollem Gange, als das Wort „SAMO ©“ – von Basquiat und seinem Freund Al Diaz auf sämtliche Stadtmauern, Türen und Häuserwände gesprüht – immer häufiger als kryptische Signatur erschien. Für Eric Mayer hat die Graffiti-Kunst in seiner eigenen Jugendzeit kaum eine Rolle gespielt.
Street Art und Graffiti – illegales Tagging oder Kunst?
„Klar hat man mal in der Schule an die Wände gemalt oder geschrieben. Aber ich war nicht einer, der sich über Kunst rebellisch ausgedrückt hat“ erklärt Mayer. „Jedoch haben Street Art und Graffiti für viele Jugendlichen ganz sicher eine Identifikationsfunktion, da es ja auch ein adäquates Mittel ist, um sich auszudrücken.“ Mit Graffiti zu zeigen, dass man zu dieser Stadt gehört, kann für Jugendliche sehr wichtig sein. In der SCHIRN Ausstellung zeigen Basquiats Werke auf eindrucksvolle Weise die Entwicklung von Graffiti als illegales Ausdrucksmittel einer Jugendkultur bis zu einer anerkannten Stilrichtung.
Klar hat man mal in der Schule an die Wände gemalt oder geschrieben. Aber ich war nicht einer, der sich über Kunst rebellisch ausgedrückt hat.
Eine feste Größe in der damaligen New Yorker Undergroundszene war der angesagte Mudd Club. Viele Künstler wie Jean-Michel Basquiat, Keith Haring und Nan Goldin sowie die Musiker David Byrne, Arto Lindsay, Lydia Lunch und Klaus Nomi trafen sich hier. Der Club der späten 70er- und frühen 80er- Jahre steht bis heute für wilde Partys, Glamour und Stars der Kunst- und Kulturszene New Yorks. „Der Club war wie ein Symbol für diesen Melting Point Lower Manhattans“, stellt Mayer fest. Schnell wurde Basquiat ein Teil dieser New Yorker Szene und alsbald Gründungsmitglied der Art-Noise Band „Gray“, in der er Klarinette und Synthesizer spielte. Die Verbindung zu Musik und Film war für seine künstlerische Arbeit von großer Bedeutung.
Kühlschränke und Holztüren als Arbeitsgrundlage
Der Autodidakt Basquiat, der nie eine Kunstausbildung genoss, wechselte spielerisch zwischen den unterschiedlichsten Medien und Genres und arbeitete häufig mit anderen Künstlern zusammen. Neben Malereien und Zeichnungen entstanden Gedichte, Performances, Musik, Gemälde, Zeichnungen und Objekte auf häufig ungewöhnlichen Bildträgern, wie Kühlschränken oder alten Holztüren. „Ich finde den interdisziplinären Gedanken von Kunst gar nicht schlecht“, meint Mayer, „dass man sich nicht auf etwas festlegen lässt und dass man sich nicht in so einer Schublade befindet, sondern alles machen und ausprobieren kann.“
Eric Mayer beugt sich über eine Vitrine und betrachtet eindringlich die von Basquiat geschaffenen Postkarten und Collagen. Sie zeugen von verschiedenen Techniken und Medien. Alles was ihm unterkam, hat er verwendet – vom Bonbonpapier bis zum ausgeschnittenen Barcode. Dabei hat er sich eine gewisse Naivität bewahrt und einfach sein Ding gemacht. „Alles war erlaubt“ sagt Mayer und fährt fort: „Das ist auch ein bisschen die Philosophie unserer Sendung. Wir haben den Anspruch, Kindern klarzumachen, dass erst einmal alles, was sie machen wollen und alles, was sie selber fühlen, immer erst einmal richtig ist.“
Spontaneität zulassen
Viele Jugendliche, gerade unter Freunden, trauen sich nicht. Fragen sich, ob es gut genug ist, was sie machen, und das hemmt sie. „Wir machen gerade eine Sendung über Schlagfertigkeit. Darin zeigen wir, dass man Schlagfertigkeit erlernen kann und wie man in bestimmten Situationen contra gibt. Dazu habe ich eine Reportage über Improvisationstheater gedreht. Das war für mich eine große Herausforderung, das alles ad hoc an einem Tag zu lernen. Dabei habe ich gelernt, dass alles, was spontan aus einem heraus kommt, was man fühlt und macht, seine Berechtigung hat. Ich glaube, das wird eine richtig gute Sendung.“
Ein Kühlschrank-Installation, die mit Unterschriften von Künstlern der Graffiti-, Hip-Hop- und Downtown-Szene, sowie mit Tags – Basquiat ist als SAMO© identifizierbar – und Darstellungen von Figuren aus populären Kindershows übersät ist, fasziniert Eric Mayer sofort: „Der Kühlschrank hat bestimmt in einem Club gestanden und wurde von allen bekritzelt.“ Bemalte Alltagsgegenstände wie Bretter, Hocker und Tische finden sich im Werk Basquiats immer wieder. Der „Fun Fridge“ entstand im Jahr 1982 und gehörte ursprünglich der Fun Gallery, die 1981 von Bill Stelling und der Schauspielerin Patti Astor eröffnet wurde.
Jean-Michel Basquiat und Andy Warhol: ’80s cool kid und der King of Pop art
Es ist gar nicht so leicht, den Künstler Jean-Michel Basquiat vom gefeierten Star Basquiat zu trennen. Bei dem ganzen Hype um seine Person wird leicht übersehen, wie talentiert er als Künstler war. Die ganze Hochstimmung seines Lebens und seiner Zeit überschatten beinahe sein Werk, das von kompositorischen Fähigkeiten und von großer Qualität hinsichtlich Farbwahl, Dichte und Struktur seiner Arbeiten zeugt. Bei unserem Rundgang durch die Schau bleibt Eric Mayer vor Basquiats gemalten Doppelporträts „Dos Cabezas“ mit Andy Warhol stehen.
Trotz der hektischen und Comic ähnlichen Malweise bringt Basquiat darin das Verhältnis der beiden auf den Punkt: Der junge, lebensfrohe Basquiat auf der rechten Seite des Bildes überdeckt mit seinen Dreadlocks den zwar leicht in den Hintergrund gerückten, aber dennoch übermächtig wirkenden Andy Warhol. „Der stierende Blick von Warhol sagt eigentlich alles“, bemerkt Mayer.
Ein Mentor und Anker
Nach der ersten Begegnung der beiden soll der junge Graffiti-Künstler in nur zwei Stunden das Porträt erstellt und seinem Vorbild geschenkt haben, was den älteren, arrivierten Künstler angeblich zu der Aussage "I'm really jealous - he's faster than me" veranlasst haben soll. „Kein Wunder, dass Warhol Basquiat goutiert hat“, bemerkt Mayer mit einem Lächeln. Die Fotos und das Filmmaterial mit beiden Künstlern lassen deutlich erkennen, dass Warhol für den hochbegabten Basquiat Mentor und Anker war.
I'm really jealous - he's faster than me!
Hat Basquiats Kunst uns heute noch etwas zu sagen? „Auf jeden Fall,“ meint Mayer, „er ist so eine Art Botschafter. Menschen wie wir stehen vor seiner Kunst, sind fasziniert und reden darüber.“ Basquiats Werke sind viel mehr als nur Street Art auf Leinwand und Papier. Alles was er sah und ihn umgab, floss in seine Kunst ein. Basquiat war wie ein Stern am Kunsthimmel, der viel zu schnell verglühte, seine Werke allerdings lösten in der Kunstwelt eine Explosion aus und sind noch immer begehrt.
Ein fröhlich tanzender Basquiat zum Abschied
Beim Verlassen der Ausstellung, zieht uns im Vorraum eine Filmaufnahme eines fröhlich tanzenden Basquiats in den Bann. Er sprüht regelrecht vor Lebensfreude. „Wohin wäre seine künstlerische Reise noch gegangen, was wäre die Evolution dieser Kunst gewesen, wenn er länger gelebt hätte?“ fragt sich Mayer bei Anblick des jungen, lebensfrohen Basquiats, der heute 57 Jahre alt wäre.
DIGITORIAL ZUR AUSSTELLUNG
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