VIDEO ART

DOUBLE FEATURE ALEKSANDAR RADAN

Eine Tropenlandschaft entpuppt sich als verzerrte Welt eines menschlichen Avatars. In Aleksandar Radans Film „This Water gives back no images“ ist nichts so wie es scheint und doch unheimlich real.

Von Daniel Urban

Gerade einmal 18 Jahre alt war William Waring Cuney, zu diesem Zeitpunkt noch Student an der Lincoln University in Pennsylvania, als er „No Images“ schrieb. Zwei Jahre später gewann das Gedicht einen Preis beim „Literary Contest“ des Opportunity-Magazins und wurde schließlich ein Klassiker der Harlem Renaissance, einer sozialen, künstlerischen und kulturellen Bewegung afroamerikanischer Künstler der 1920er Jahre. 

If she could dance naked under palm trees / And see her image in the river she would know. […] But dishwater gives back no image.

Aus Nina Simones „Images“

Auf ihrem 1966 erschienenen Album „Let it all out“ veröffentlichte dann Nina Simone einen Mitschnitt der A cappella-Version des Gedichts unter dem Titel „Images“, das sie zwei Jahre zuvor in New York aufgeführt hatte. In nur wenigen Zeilen hatte Cuney die Rassen- und hiermit verknüpfte Klassenproblematik auf den Punkt gebracht, die Simone inmitten des Civil Rights Movement wieder aufgriff: „She does not know her beauty / She thinks her brown body has no glory. If she could dance naked under palm trees / And see her image in the river she would know. […] But dishwater gives back no image“.

Der Live-Mitschnitt von Nina Simone taucht inmitten Aleksandar Radans Arbeit – die schon im Titel auf das Gedicht rekurriert – „This water gives back no images“ auf. Der gut sechsminütige Video-Loop eröffnet mit Aufnahmen einer tropischen Landschaft. Könnte man zu Beginn noch denken, dass es sich bei der gezeigten Palmenlandschaft um verwaschene, niedrigauflösende Camcorder-Bilder handelt, wird alsbald klar, dass das Gezeigte digitalen Ursprungs ist. 

Aleksandar Radan, This water gives back no images (Still), 2017 © Aleksandar Radan

ALEKSANDAR RADAN. INTERVIEW

When Computer Games become Reality

Und in der Tat: Aleksandar Radan modifizierte für „This water gives back no images“ (2017) Landschaften sowie Figuren des bekannten Videospiels „GrandTheft Auto V“ – eine Technik, auf die er schon in anderen Arbeiten zurückgegriffen hat. Auf der Tonspur, auf der eben noch munteres Vogelzwitschern zu hören war, kommt es plötzlich zu digitalen Verzerrungen, die sich auch auf das Bild auszuwirken scheinen. Im Inneren eines düsteren Gebäudes erscheint nun eine fahl aussehende Figur, ein Avatar, regungslos auf einer Couch sitzend, dann auf dem Boden liegend und schließlich, wieder zwischen Palmen, vor einem TV-Gerät sitzend.

Der Avatar findet sich plötzlich in einer überfluteten Palmenlandschaft wieder

In diesem ist nun der Live-Mitschnitt von Nina Simones „Images“ zu sehen, ihre eindrucksvolle Stimme hallt merkwürdig durch die digitale Welt, erneut kommt es zu Bild- und Tonverzerrungen, bis der Avatar sich plötzlich in einer überfluteten Strandlandschaft wiederfindet, aus der nur noch die Kronen der Palmen herausragen. „This water gives back no images“, als Installation auf drei Leinwände zeitlich versetzt projiziert, spielt mit den markanten Unterschieden zwischen Oberfläche und tatsächlichem Kern. 

Aleksandar Radan, This water gives back no images (Still), 2017 © Aleksandar Radan

Eine phonetische Ähnlichkeit macht aus „Dishwater“ in Radans Arbeit „This Water“, eine vermeintlich naturalistische Palmenszenerie entpuppt sich als digitale Landschaft und wird nach Belieben modifiziert. Fernseher schweben hier durch die Luft, Wasser verschluckt Spiegelungen von Figuren, aus Meereswasser erwachsen Palmen – oder wurden sie von großen Wassermengen verschluckt? Dass das „digitale Wasser“ in Aleksandar Radans keine Bilder zurückwirft ist indes nicht vollständig korrekt: das gespiegelte Bild in der digitalen Welt wirft jedoch nur genau jenes zurück, das sein Schöpfer zurückgeworfen haben will – denn Zufall oder gar physikalische Gesetze spielen hier keine Rolle, so sie nicht vom Spieleprogrammierer selbst intendiert sind. 

Aleksandar Radan, This water gives back no images (Still), 2017 © Aleksandar Radan

Verweist Cuney in „No Images“ mit dem Topoi des Spiegelbildes noch auf rassistische wie auch sozioökonomische Diskriminierungsstrukturen innerhalb der Gesellschaft – die Gesellschaft selbst ist der Spiegel und verzerrt das Bild des Individuums – bleibt die Frage nach dem, was in digitalen Welten dem Individuum überhaupt als Spiegel vorgehalten werden kann, vorerst offen. 

Die digitale Welt um sie herum beginnt sich langsam aufzulösen

Als Lieblingsfilm hat sich Radan „Hotel“ des französischen Film- und Videokünstler Benjamin Nuel aus dem Jahr 2012 ausgesucht. In dem 80-minütigen Animationsfilm finden sich maskierte Terroristen und Mitglieder von Sondereinsatzkommandos, Avatare aus Videospielen, in einer Art Ruhestandsresort wieder – einem großen Herrenhaus samt großzügigem Landschaftsareal, dessen Besitzer ein mysteriöses, sprechendes Huhn ist. Ein Eröffnungstitel verrät, dass die Avatare, vergessen von ihren Befehlshabern, seit Ewigkeiten auf eine neue Mission warten. Sie verbringen die Zeit mit militärischen Übungen, Tischtennis, versuchen sich an emotionalen Austausch, doch der Langeweile und Sinnlosigkeit ihres Daseins ist nicht zu entkommen, während die digitale Welt um sie herum sich langsam aufzulösen beginnt. 

„Hotel“ sei in gewisser Weise aus schlechtem Gewissen entstanden, so Benjamin Nuel im Interview mit der Online-Plattform Vdrome. Er habe so viel Zeit mit dem Spiel „CounterStrike“ verbracht, dass er diese durch etwas Kreatives rechtfertigen, in etwas anderes transformieren habe müssen. 2008 erschien zunächst das Spiel „Hotel“. Hieraus entstand dann eine Serie für Arte, die in wöchentlichen Episoden vom voranschreitenden Zerfall der animierten Welt erzählte, bevor 2012 schließlich der gleichnamige Spielfilm erschien.

Nuels „Hotel“ erinnert in gewisser Weise an Science-Fiction Filme, wie Andrei Tarkovskys „Stalker“ und „Solaris“ oder auch Fassbinders zweiteilige Serie „Welt am Draht“. Metaphysische Fragen des Individuums spiegeln sich in der nur scheinbar objektiven Außenwelt, die Zergliederung dieser mündet schließlich in deren Zerfall, der wiederum auf das Individuum selbst zurückfällt. Es ist eine obskure, schwarzhumorige und schlussendlich tragische Welt, in die Benjamin Nuel in „Hotel“ entführt. 

Benjamin Nuel, Hotel (Still), 2012, Image via cargocollective.com

Benjamin Nuel, Hotel (Still), 2012, Image via cargocollective.com

Vielleicht gelangen Nuels als auch Radans Avatare am Ende gar zum gleichen Schluss, stehen vor einem ähnlichen Nichts, wie es am treffendsten Blumfeld einst beschrieben: „Zurück zum frühsten Bild / von dem ich eigentlich komme [...] Komm ich zum Ende / Vielleicht ein Anfang / Einer Art von Verschwinden.“ Die gräuliche Figur in Aleksandar Radans „This water gives back no images“, liegt so am Ende auch seinerseits in Fötus-Stellung auf dem Grund des Meeresboden, das Wasser lässt seine Konturen komplett verschwimmen. 

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