Der Künstler Daniel Richter begegnet bei seiner Expertenführung durch die Ausstellung "Edvard Munch. Der moderne Blick" einem Maler, dessen Werk Parallelen zu seinem eigenen aufweist. Eine Vorschau.
Daniel Richter, einer der bekanntesten zeitgenössischen Maler seiner Generation, wird am 27. März die SCHIRN besuchen und in einer Expertenführung zur Ausstellung „Edvard Munch. Der moderne Blick“ über sein Verhältnis zu dem großen norwegischen Maler sprechen. Daniel Richter ist mit der Malereigeschichte bestens vertraut. Die expressiven, kräftigen Farben seiner Gemälde, ihre düster-atmosphärischen Stimmungen und die organische Malweise scheinen der Malerei Munchs auf den ersten Blick durchaus verwandt. Ein Zufall? Oder gehört der Norweger tatsächlich zu seinen Vorbildern? Ein Zusammentreffen von Richter, Schüler des Neo-Expressionisten Werner Büttner, mit dem norwegischen Proto-Expressionisten verspricht spannend zu werden.
Die Ausstellung in der SCHIRN präsentiert Aspekte der Modernität des Munch‘schen Werks. Der erste Raum ist dem Thema „Wiederholungen“ gewidmet. Dort finden sich je zwei Versionen besonders berühmter Gemälde Munchs, darunter der „Vampir“ oder die „Mädchen auf der Brücke“. Munch wiederholte einige seiner Motive so obsessiv, dass sie zu wahren Markenzeichen wurden. Auch Daniel Richter greift immer wieder auf eigene Motive zurück. So etwa die „Heldenfiguren“ mit Gitarren und Gewehren, wie sie zuletzt in seiner Ausstellung „10001 Nacht“ in Hannover und Berlin zu sehen waren. Oder maskierte Gestalten wie in seinem Gemälde „Horde“ (2007), das nun im Rahmen der spektakulären Neupräsentation zeitgenössischer Kunst im Städelmuseum zu sehen ist. Andere typische Richter-Figuren sind Comichelden, Harlekine und allegorische Tierdarstellungen. Die Bildhintergründe können dabei, genau wie bei Munch, stark variieren.
Paranoia und Bedrohung, Menge und Rausch
Eine weitere Verbindung der beiden Maler ist die Beschäftigung mit Theater und Bühnenbild. Munch, der für den Theaterregisseur Max Reinhardt an den Kammerspielen in Berlin Bühnenbilder für Stücke des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsens entwarf, ließ sich in der Folge dieses Auftrags zu einer ganzen Gemäldeserie inspirieren. Daniel Richters Nähe zum Theater rührt nicht nur daher, dass er mit einer Theaterregisseurin verheiratet ist. Er hat bereits zwei große Aufträge für die Salzburger Festspiele ausgeführt. 2008 gestaltete er die Bühne für Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ mit einem farbenprächtigen und zugleich düsteren Endzeitbild mitsamt seinen typischen Comicfiguren und Großstadtszenen. Für „Lulu“ von Alban Berg malte er 2010 mehrere riesige Gemälde, die laut dem Maler selbst „Paranoia und Bedrohung, Menge und Rausch“ abbilden sollten. Bühnenhafte Raumkompositionen finden sich auch in einigen seiner Gemälde wieder, insbesondere wenn es sich um Großstadtszenen handelt wie bei den Werken „Nerdon“ (2004) oder „Gedion“ (2002).
Im Saal zum Thema „Außenwelt“ begegnen wir einem weltgewandten Edvard Munch, der Abonnent zahlreicher Magazine war und regelmäßig Kinovorführungen besuchte. Er interessierte sich für die neuen Medien seiner Zeit. Das Gemälde „Arbeiter im Schnee“ beispielsweise rekurriert auf Zeitungsberichte über den Bau einer norwegischen Eisenbahntrasse. Mehrere Gemälde Daniel Richters beruhen ebenfalls auf Zeitungsvorlagen. Darunter „Tuanus“ (2000), das eine Drogen-Razzia in der Frankfurter Taunusanlage zeigt. Die Kniffe moderner Medienbilder sind für beide Maler ein spannendes Feld. Für seine Serie von „Streitbildern“ wendet Munch den kinematographischen Trick des damaligen Kinos an, eine dunkle gegen eine helle Person kompositorisch abzugrenzen. In anderen Gemälden lässt er sich von der Transparenz von Röntgenbildern zu fragmentierten Bildkompositionen inspirieren. Daniel Richter bedient sich wiederum häufig Kompositionsstrategien aus der Welt der Comics und greift Bildphänomene auf, die wir aus der digitalen Bildbearbeitung kennen: überzeichnete Kontraste, Invertierung, Solarisation und fast schon übersteigert grelle Farben gehören zu seinen Markenzeichen.
In manchen Punkten unterscheiden sich die beiden Maler allerdings auch grundlegend. So war für Munch das Selbstporträt ein wichtiges Bildsujet, von Daniel Richter gibt es kein einziges. Auch finden Munchs Experimente mit der Kleinbildkamera, die in zwei Räumen der Ausstellung zu sehen sind, keinerlei Entsprechung in Daniel Richters Schaffen. Richters oft anarchisch-humoristischer Ansatz wiederum, der sich vor allem in seinen fantasievollen Titeln wiederspiegelt, könnte einem Edvard Munch fremder nicht sein. Bleiben wir also gespannt, was wir erfahren werden über weitere Parallelen und Unterschiede, wenn Daniel Richter seinen zeitgenössischen Blick auf das Werk des modernen Malers Munch richtet.
Daniel Richter verarbeitet in seinen beeindruckenden Werken aktuelle Themen der Medien und der Populärkultur auf höchstem malerischen Niveau. Dabei orientiert er sich nicht selten an Vorbildern aus der Kunstgeschichte. Was fasziniert ihn an den Gemälden Edvard Munchs? Zählt er den Norweger sogar zu seinen direkten Vorbildern? Daniel Richter wird in der Expertenführung seine zeitgenössische Perspektive auf den modernen Munch mit den Teilnehmern teilen.