In der katalanischen Metropole Barcelona ist Miró auf die Welt gekommen, hier machte er auch seine ersten Schritte als Künstler. Wer die Stadt besucht, merkt schnell: Mirós Werk ist an vielen Orten präsent.

Passatge del Crèdit, 4. Ein prächtiges Haus, eine enge Gasse in der Altstadt von Barcelona. Die Rambla, die Hauptschlagader der Stadt, ist nah, genauso wie die Kathedrale. Hier wurde Joan Miró geboren, am 20. April 1893. Eine Plakette an der Hauswand erinnert daran. Mirós Vater war Goldschmied und Uhrmacher, ein Geschäftsmann. Von den künstlerischen Ambitionen seines Sohnes hielt er wenig. Lange hat der Vater versucht, seinem Kind eine andere Laufbahn schmackhaft zu machen, zähneknirschend ermöglichte er im schließlich doch den Besuch von privaten Kunstakademien.

Passatge del Crèdit, Image via barcelonamovie.com

An zwei Schulen in Barcelona fand Miró seinen Weg in die Kunst: an der Escola de Belles Arts de Lotja, wo auch Picasso Schüler war, und an der Akademie des Künstlers Francesc Galí, der bekannt war für seinen avantgardistischen Ansatz, der seinen Schüler die Moderne näherbrachte. In seiner Heimatstadt begann die Karriere des modernen Malers Miró, hier stieß er auch erstmals auf Werke von Marcel Duchamp, Fernand Léger oder Juan Gris, hier hatte er seine erste Ausstellung. Barcelona formte den Künstler, obgleich der Kontakt mit der Pariser Avantgarde weniger Jahre später sicher noch weitaus prägender für sein Werk gewesen ist. 

Miró ist in Barcelona omnipräsent 

In der Stadt trifft man ständig auf Zeichen von Miró. Die Barcelonesen halten die Erinnerung an ihren berühmten Sohn wach. Im Kanon der katalanischen Nationalkünstler rangiert er auf den vorderen Plätzen. Miró selbst hat einige seiner auffälligsten Installationen im öffentlichen Raum in seiner Geburtsstadt hinterlassen. Die erste davon kann man direkt am Flughafen entdecken: eine Wandkeramik aus dem Jahr 1970 am Terminal B. Miró hat sie zusammen mit Josep Llorens Artigas angefertigt. Man erkennt sofort die für seine Spätphase typischen Farbflächen, klar abgetrennt durch breite, schwarze Linien. Ganz ähnlich erscheint auch ein Bodenmosaik aus Pflastersteinen von 1976, das in der Innenstadt, auf der Rambla, entstanden ist. Ein weiteres Werk im öffentlichen Raum ist die riesige, mehr als 20 Meter hohe Plastik „Dona i ocell“ (Frau und Vogel), die 1982 fertiggestellt wurde, im Jahr vor Mirós Tod. Der Park, in dem sie sich befindet, trägt heute den Namen des Künstlers.

Joan Mirós Wandbild am Terminal B der Flughafen Barcelona, Image via barcelonacheckin.com

Joan Miro - Dona i ocell, Image via Wikimedia Commons

1919 reiste Miró nach Paris, wo er Picasso besuchte und für einige Monate blieb, Ende 1920 zog es den jungen Künstler komplett an die Seine. Doch die Sehnsucht nach der katalanischen Heimat blieb. Weil seine Familie mittlerweile ins nahegelegene Mont-roig del Camp gezogen war, pendelte Miró bald zwischen den Orten. Sein Schlüsselwerk „Der Bauernhof“ von 1921/22 zeigt das Anwesen der Familie in Mont-roig – so detailliert wie surreal. Miró selbst sprach von der „irrealen Realität“, die das Bild prägen würde. Gekauft hat es, mit allerhand kreuz und quer zusammengeliehenem Geld, der Schriftsteller Ernest Hemingway. Der später weltberühmte Dichter sagte über das Werk: „Es enthält alle Gefühle, die Spanien weckt, wenn man dort ist, sowie alle, die man empfindet, wenn man nicht dort ist und nicht hinfahren kann. Niemand anderem ist es bisher gelungen, diese zwei sehr unterschiedlichen Dinge zu malen.“ 

Das Miró-Museum erzählt vom Werdegang des Avantgardisten 

Wallfahrtsort für alle nach Barcelona reisenden Fans des Künstlers ist die Fundació Joan Miró auf dem Montjuïc, dem Hausberg der spanischen Metropole. Am besten läuft man zu Fuß dorthin. Wer vom Plaça d’Espanya startet, kann noch einen Abstecher zum berühmten Pavillon, den Ludwig Mies van der Rohe für die Weltausstellung 1929 schuf, machen. Dann geht es über Steintreppen und durch schöne Gärten immer weiter hinauf. Das Miró-Museum sieht ein wenig so aus, als hätte der Architekt – Lluís Sert, ein guter Freund des Künstlers – es mit Lego-Steinen entworfen: Weiße Würfel mit runden Dächern reihen sich aneinander, bilden ein Ganzes. Alles ist licht, verspielt, beinahe wie eine kleine Festung. Das Museum wurde noch zu Lebzeiten Mirós eröffnet. Einen Großteil der Werke aus der Sammlung hat der Künstler selbst der Institution überlassen. Mehr als 200 Gemälde, über 170 Skulpturen und 8000 Zeichnungen sind zusammengekommen.

Fundació Joan Miró, Foto: Fundació Joan Miró

Die Dauerausstellung zeigt die Entwicklung Mirós, legt dabei auch einen Fokus auf sein Frühwerk, das in Barcelona entstanden ist. In kleinen Kabinetten wird die Entwicklung des Künstlers nacherzählt. Man sieht frühe, undatierte Bleistiftzeichnungen von bezaubernder Einfachheit: Schiffe, das Meer, Zypressen, Bilder aus Palma de Mallorca. Man sieht die Malereien, die sich am Fauvismus oder am Kubismus orientieren: Gebäude, Straßenzüge und Figuren. Man sieht aber auch, wie rasant Miró den Weg in Richtung Abstraktion einschlug, wie schon wenig später die bunten Farbflächen seine Bilder dominierten. Viel Raum wird auch den Skulpturen, die der Künstler schuf, eingeräumt. Einige davon kann man auch auf dem Dach der Fundació bestaunen – und den Blick auf die Stadt. Von der Terrasse blickt man den Montjuïc hinab auf ein Dächermeer, auf eine wuselige Metropole. Vor dieses Panorama wurde eine Skulptur platziert: die Arbeit „Lune, soleil et une étoile“ (Mond, Sonne und ein Stern) von 1968. Sie wirkt – vor der Kulisse der Großstadt – wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. 

Mirós Kunst bleibt lebendig 

Dass man in der Fundació Joan Miró in der Vergangenheit schwelgt, kann man den Kuratoren des Hauses nicht vorwerfen. Neben der Sammlungspräsentation und Wechselausstellungen zu Mirós Werk gibt es immer auch zeitgenössische Kunst zu sehen – häufig unter der Fragestellung, welchen Bezug Gegenwartskünstler zu Miró haben. Pipilotti Rist, Mona Hatoum und Roni Horn wurden etwa gezeigt, aber auch viele regionale Künstler, außerdem gibt es regelmäßig Ausstellungen mit fotografischer Kunst. In der Fundació bleibt Mirós Kunst so äußerst lebendig.

Karte: Joan Miró in Barcelona
Ausstellungsansicht in der Fundació Joan Miró, Foto: Fundació Joan Miró
Auf dem Dach der Fundació Joan Miró, Foto: Fundació Joan Miró