KONTEXT

BARBARA KRUGER – CIRCUS

arbara Kruger untersucht mit kritischem Blick unsere Konsum- und Mediengesellschaft. Mit ihren großformatigen Textcollagen gehört sie zu den wichtigsten Vertreterinnen einer konzeptuell orientierten Gegenwartskunst.

Die amerikanische Konzeptkünstlerin Barbara Kruger hat für die Rotunde der SCHIRN eine neue, öffentlich zugängliche Installation geschaffen, die Boden, Decke und die umgebenden Wände mit den für sie typischen weißen und teilweise roten Schriftzügen auf schwarzem Grund überzieht. „Ich arbeite mit Bildern und Worten, weil sie die Fähigkeit haben, zu bestimmen, wer wir sind oder nicht sind", sagt Kruger, die vom 15. Dezember 2010 bis 30. Januar 2011 in der SCHIRN ausstellt.

Bilder und Texte der Massenmedien, der Werbung und des Konsums bilden das Material, aus dem sie ihre Botschaften entwickelt. In ihren Arbeiten geht es um sprachliche Kommentare zu Individuum und Gesellschaft, Krieg und Gewalt, aber auch Populärkultur und Kommerz. Durch die formale Prägnanz und unverkennbare Ästhetik ihrer Werke gelingt es ihr, aufrüttelnde, irritierende und zugespitzte Aussagen zu formulieren, die das Verhältnis der Geschlechter ebenso thematisieren wie soziale und politische Fragestellungen. In der Rotunde der SCHIRN konfrontiert sie die Passantinnen und Passanten mit Aussagen wie „GEWALT LÄSST UNS VERGESSEN, WER WIR SIND."

Politische und subversive Statements

Barbara Kruger,1945 in Newark in New Jersey geboren, studierte 1965 zunächst Design an der Syracuse University, später an der School of Visual Arts und setzte ihr Studium 1966 unter anderem bei der Fotografin Diane Arbus an der Parson's School of Design in New York fort. Nach ihrem Studium arbeitete sie in den 1970er-Jahren zunächst als redaktionelle Grafikerin und später als Bildredakteurin im Condé-Nast-Verlag -- beispielsweise für die amerikanische Modezeitschrift „Mademoiselle" und das Magazin „House and Garden".

Ihre künstlerische Sprache wurde von diesen beruflichen Erfahrungen geprägt. Die psychologischen Strategien der Werbung, die sie sich gezielt aneignete, wendet sie subversiv gegen diese selbst. In den 1980er-Jahren wurde sie mit Arbeiten international bekannt, in denen sie Schwarz-Weiß-Fotografien aus den Massenmedien mit prägnanten, teilweise aggressiven Textbotschaften -- kurzen Statements, offenen Fragen oder konkreten Aufforderungen -- kombinierte. Text-Bild-Nachrichten wie „We don't need another hero", subtile Feststellungen wie „It's a small world but not if you have to clean it" oder explizit politische Statements wie „If you are beaten If you are hurt If you need help GET OUT" und „Your body is a battleground" sind hierfür beispielhaft.

Sie stehen auch für Krugers künstlerischen Eingriff in feministische, politische oder klassentheoretische Debatten und ihre kritische Auseinandersetzung mit der heutigen Konsumkultur. Ihre Arbeiten entwickelt Kruger nicht nur für Museen, sondern sie greift häufig in den öffentlichen Raum ein. Bevorzugt nutzt sie dazu Werbeflächen auf Bussen, Litfaßsäulen, Leuchtkästen oder Großplakate.

Im Rahmen der SCHIRN-Ausstellung „Shopping. 100 Jahre Kunst und Konsum" kleidete Kruger 2002 die gesamte Fassade der Galeria Kaufhof an der Frankfurter Zeil, der umsatzstärksten Shopping-Meile Deutschlands, mit einer 2200 Quadratmeter großen Arbeit ein: Zwei gigantische Augenpaare blickten vom Kaufhof auf die Kauflustigen. Über dem Augenpaar prangte der Schriftzug „DU WILLST ES, DU KAUFST ES, DU VERGISST ES". Damit schloss Kruger in monumentaler Form an ihre zentrale Arbeit „I shop therefore I am" aus dem Jahr 1987 an.

Barbara Kruger, „Untitled (Shopping)“, Galeria Kaufhof, Frankfurt, 2002.

Orte werden zu „begehbaren Denkräumen"

Seit den 1990er-Jahren arbeitet Kruger auch mit großformatigen Film- und Audioinstallationen und arrangiert ihre Aussagen zu raumgreifenden typografischen Blöcken. Diese Weiterentwicklung entspringt Krugers fortwährendem Interesse für Architektur sowie ihrem Bestreben, die Betrachter in umfassenden Environments direkt anzusprechen -- unter anderem auch, indem sie für ihre Texte stets die jeweilige Landessprache verwendet.

Die markante Typografie Krugers beruht auf dem ausschließlichen Einsatz der 1927 von Paul Renner unter dem Einfluss des Bauhauses entwickelten Futura-Schrift, die in kurzer Zeit zu einer der populärsten Schriftarten des 20. Jahrhunderts avancierte und insbesondere in der Werbung große Verbreitung fand. Durch den Einsatz der Schrift für großflächige, plakative Schriftzüge werden die Buchstaben zu Bildern, wird Sprache auch räumlich wahrgenommen. Kruger hat solche über und über mit Schrift bedeckte Orte auch als „begehbare Denkräume" bezeichnet. „Es ist jedes Mal eine Herausforderung und eine Freude, eine Installation in einem bestimmten Raum zu einem so machtvollen Statement wie möglich zu machen", sagt sie dazu.

Krugers 2010 exklusiv für die Rotunde der SCHIRN konzipierte Installation „Circus" konfrontiert die Passanten mit den Sätzen „BELIEF + DOUBT = SANITY" -- „BLINDER IDEALISMUS IST REAKTIONÄR BEÄNGSTIGEND TÖDLICH." -- „GEWALT LÄSST UNS VERGESSEN, WER WIR SIND." -- „THE WAR FOR ME TO BECOME YOU." -- „WHAT YOU LOVE IS BETTER THAN WHAT I LOVE. WHAT YOU BELIEVE IS TRUER THAN WHAT I BELIEVE. WHAT YOU HATE DESERVES IT." -- „DU BIST VERLIEBT. DU KANNST EINFACH NICHT AUFHÖREN ZU LÄCHELN. DEIN HERZ HÜPFT. DU LÄUFST DAVON."

Die Sätze in der SCHIRN changieren zwischen allgemein gültigen Aussagen, Aufforderungen an die Betrachtenden und psychologischen Beobachtungen. Ihre Rätselhaftigkeit irritiert, und sie üben nicht zuletzt durch ihre außerordentliche Größe eine überwältigende Wirkung auf die Betrachter aus.

Goldener Löwe für Lebenswerk

Mit ihren großformatigen Textcollagen gehört Barbara Kruger neben Künstlerinnen und Künstlern wie Jenny Holzer, Louise Lawler oder Sherry Levine seit Langem zu den wichtigsten Vertreterinnen einer konzeptuell orientierten Gegenwartskunst. Ihre Sentenzen wie etwa „I shop therefore I am" oder „Your body is a battleground" sind fester Bestandteil des kollektiven Bewusstseins geworden. Kruger mischt sich ein und will sich auch einmischen. In der SCHIRN bezieht sie die Architektur des Hauses ein und nutzt diesen Bereich zwischen öffentlichem und musealem Raum, in dem sich ihre bevorzugten Handlungsräume verbinden.

Barbara Kruger hat international in Institutionen wie dem Whitney Museum of American Art, dem Museum of Modern Art, New York, der Serpentine Gallery, London, dem PS1 in New York, dem Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen und dem Magasin in Grenoble ausgestellt. Ihre Arbeiten wurden weltweit in Museumssammlungen aufgenommen. 2005 erhielt sie bei der 51. Biennale di Venezia den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk. Aktuell bespielt Kruger unter anderem einen Raum im neu eröffneten Stedelijk Museum, Amsterdam.

Link: Barbara Kruger beklebt die Schirn

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